19. Left In The Dark

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Left In The Dark

Das Erste, was ich spüre als ich die Augen aufschlage, ist der Schmerz in meinem Rücken. Blinzelnd hebe ich den Kopf und merke, dass ich wohl sitzend neben dem Bett eingeschlafen sein muss. Kein Wunder, dass mein Nacken schmerzt.

Das Dröhnen hinter der Tür lässt mich zusammenzucken. Eine Sekunde später bin ich auf den Beinen. Mit einem Knarren öffnet sich die Tür und ein Friedenswächter betritt die Zelle. Unschlüssig mache ich einen Schritt auf ihn zu. „Miss Trinket", sagt er, ohne zu zögern. „Ihr Prozess steht heute an." Er hält mir ein Kleid hin. „Sie haben fünfzehn Minuten, um sich bereit zu machen."

Nickend nehme ich das Kleid und werfe einen kritischen Blick darauf. Es ist aus Baumwolle und vollkommen weiß, ohne jegliche Verzierungen oder besondere Schnitte. Schlicht, beinahe unscheinbar. Aber meinem Körpergeruch zu Folge wird es langsam, aber sicher Zeit für einen Kleidungswechsel und ich habe sowieso keine andere Wahl. Nachdem der Friedenswächter die Zelle verlassen hat, versuche ich mich so gut zu waschen, wie es mit einem kleinen Waschbecken eben möglich ist. Ohne Make-Up sieht mein Gesicht kahl und blass aus und ich fühle mich entblößt. Ein hysterisches Schluchzen entfährt mir. Wie können sie erwarten, dass ich so vor die Öffentlichkeit trete? Noch zu allem Ungunsten vor ein Gericht?

Das Kleid hängt an mir herunter wie ein Waschlappen. Man sieht nicht mal den Hauch meiner Kurven und das ärgert mich zutiefst. Ich weiß nicht, wie ich mich so präsentieren soll. Ohne Bürste habe ich nicht einmal die Möglichkeit mein wirres Haar zu bändigen, das mir in blonden Locken über die Schultern fällt. Kurzfristig stecke ich sie einfach ganz hinters Ohr und lasse sie über den Rücken fallen, damit man sie nicht direkt auf den ersten Blick sehen kann.

Niedergeschlagen spähe ich in den Spiegel. Ich bin ein einziger Witz.

Sobald ich die Zelle verlasse, schäme ich mich bei jedem Schritt, den ich mache. Ich will nicht, dass irgendjemand mich so sieht. Voller Scham lasse ich den Kopf hängen und hefte den Blick starr auf den Boden vor meinen Füßen. Die Friedenswächter verlieren kein einziges Wort, sie nehmen mich schweigend in ihre Mitte und führen mich durch die Gänge. Diesmal mache ich mir nicht die Mühe, zu behalten wo wir langlaufen, es würde keinen Sinn machen, weil ich diesen Ort sowieso nie wieder sehen werde.

Ich sehne mich nach einem Bad. Seufzend schiebe ich den Gedanken von mir, doch als mein Magen sich plötzlich meldet, kann ich nichts dagegen tun. Ich speise immer zu festen Zeiten, schließlich habe ich stets einen strengen Zeitplan einzuhalten. Deshalb hoffe ich, dass der Prozess nicht zu lange dauert und ich dann schnellstmöglich zurück nach Hause kann. Ich muss meine Eltern besuchen, ihnen sagen, dass es mir gut geht. Sie haben sicher bereits versucht, mich zu erreichen.

Nachdem wir mit dem Aufzug gefahren und durch ein weiteres Labyrinth von Fluren gelaufen sind, erreichen wir wohl endlich den Raum, in dem mein Prozess stattfinden wird. Ich hebe den Kopf, als man mir schweigend bedeutet, ihn zu betreten. In dem Augenblick, in dem ich den Saal betrete, spüre ich den Stimmungswechsel. Ich bleibe in meiner Bewegung stehen und starre auf den Mann, der hinter einem breiten Tisch sitzt.

Er trägt die Uniform eines Friedenswächters, doch um seinen Hals hängt ein Orden. Aus der Distanz kann ich es nicht genauer identifizieren. Seine Augen treffen meine und meine Kehle fühlt sich wie zugeschnürt an. Es geht mir kalt den Rücken herunter. Um mich zu stabilisieren, balle ich die Hände zu Fäusten und atme einmal tief aus. Seine Augen sind beinahe schwarz. Sie strahlen eiserne Disziplin und Prägnanz aus. Ich bin fehl am Platz. Ich sollte hier nicht stehen. Kriminelle stehen hier. Ich bin keine Kriminelle. Ich habe nichts Falsches oder Illegales getan.

„Setzen Sie sich." Es klingt nicht wie eine Bitte, nicht wie eine Forderung, sondern eher wie eine Anordnung, als würde er mit einem Menschen reden, der nicht seiner Klasse entspricht. Als würde er mit einem Avox reden.

Figure It Out (Hayffie)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt