48.2. Grieving the Past

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Es klopft an der Tür und mein Körper zuckt zusammen. Mein Geist, der sich irgendwo in meiner Brust, weit weg von dem Loch in meinem Magen, versteckt hat, dringt zurück an die Oberfläche. Mein Kopf dreht sich zur Tür. Meine Augen fokussieren. Meine Qual zu verstecken ist unmöglich. Ich habe nicht einmal eine Ahnung, wie viel Zeit vergangen ist. Minuten? Stunden? Ist der Tag schon vorbei?

Die Tür geht auf und Johanna stolziert herein. Ich sehe die Verwirrung in ihren braunen Augen aufblitzen als sie der Dunkelheit begegnet. Ihre Hand knallt gegen den Lichtschalter und dann findet ihr Blick mich. Zusammengerollt im Bett mit der Decke bis hoch zur Nase. Erleichterung durchströmt mich. Johanna versteht mich. Ich brauche meine Gefühle nicht zu verstecken. Nicht, dass es bei Haymitch anders wäre, aber bei ihm ist es schwieriger.

„Wusste ich doch, dass hier etwas faul ist", sagt Johanna und verengt ihre Augen zu Schlitzen. Sie streift um mein Bett herum wie eine wachsame Katze, mustert mich skeptisch und wirft sich dann neben mich auf die Matratze. Ich muss ausweichen, damit sie meine Beine nicht zerquetscht.

„Wovon sprichst du?", frage ich. Meine Stimme klingt kratzig mit einer Note der Hysterie darin. Genauso als hätte ich gerade einen Heulkrampf gehabt. Ich unterdrücke mein resigniertes Seufzen und lege mich auf den Rücken, um Johanna ins Gesicht zu schauen.

Johanna kichert als wäre ihr mein Ton gar nicht aufgefallen. „Haymitch war eben bei mir", erklärt sie amüsiert und ihre braunen Augen funkeln im Neonlicht. „Sie haben Katniss in mein Zimmer verlegt, weil sie denken, dass wir beide die Gesellschaft gebrauchen können. Er hat sich gewundert, wo du bist, weil du ja heute einen freien Tag hast und an denen ja sonst immer bei mir abhängst."

Johanna starrt mich an und wartet auf eine Antwort. Sie lacht immer noch, als fände sie das ganze unheimlich witzig. Ich starre emotionslos zurück und presse die Lippen aufeinander. Irgendwann verliert sie die Geduld. „Freier Tag?! Dass ich nicht lache! Das hier ist Distrikt Dreizehn. Die Ärzte hier deklarieren dich sogar dann als gesund, wenn du gestern noch 'nen Herzinfarkt hattest!"

„Jetzt übertreibst du aber", murmele ich und verdrehe die Augen.

Johanna schnaubt erneut. „Stimmt. Du musst wahrscheinlich erst sterben, um in diesem Scheißhaufen einen zusätzlichen freien Tag zu kriegen!"

„Okay, du hast mich beim Lügen ertappt, bist du jetzt zufrieden?", zische ich und ziehe mir die Decke wieder über den Kopf.

„Vielleicht ein bisschen. Hast du dich überhaupt krankgemeldet? Du weißt, dass du sonst Probleme kriegen kannst." Johanna greift nach der Decke und zieht sie fort von mir, sodass ich keine andere Wahl habe, als sie anzuschauen.

„Ja habe ich", lüge ich und strecke meine Hände nach der Decke aus. Wie ein Kind. Ich seufze. „Was machst du hier Johanna?"

„In erster Linie bin ich nur vor Katniss und Haymitch geflüchtet", murmelt sie resigniert und legt sich mit dem Rücken auf die Matratze, sodass ihr Kopf die Decke ansieht. Ein freudloses Lachen entkommt ihren Lippen. „Diese verdammten Ärzte haben nicht mal gefragt, ob diese Göre bei mir einziehen darf. Bastarde allesamt."

„Haymitch hat dich also nicht hergeschickt, um mir nachzuspionieren?", frage ich vorsichtig und versuche, nicht suspekt zu klingen.

Johanna wirft mir einen ernsten Seitenblick zu. „Seit wann mache ich denn, was Haymitch mir befiehlt? Also bitte ..."

Ich seufze erneut, schließe die Augen, öffne sie wieder und frage mich, wie ich von außen wohl aussehen muss. Ich kann die getrockneten Tränen auf meiner Haut spüren. Als hätte ich mir eine dünne Schicht Klebstoff übers Gesicht geschmiert, der die Muskeln in meinen Wangen dazu zwingt, sich in eine bestimmte Richtung zu bewegen. Es muss das Salz sein.

Figure It Out (Hayffie)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt