32.1. The Final Turn

130 14 5
                                    

The Final Turn

Die Stille zwischen Johanna und mir ist ungewöhnlich erdrückend. Wir wissen beide, dass die vergangenen Ereignisse eine Grenze überschritten haben, die das Kapitol nicht auf sich ruhen lassen wird. Denn das Kapitol verzeiht keine Fehler.

Nach Peetas Warnung an Distrikt 13, welche mittlerweile mehrere Tage zurückliegt, haben sie mich ohne Umschweife zurück ins Gefängnis gebracht. Ich trage immer noch das schwarze Kleid, die High-Heels und das Make-Up und ich weiß, dass ich bizarr wirken muss. Ich konnte es Johannas Gesicht entnehmen, als ich die Zelle betreten habe. Es muss eine alte Erinnerung in ihr wachgerüttelt haben, denn sie vermeidet jeden Blickkontakt mit mir. Mein Aussehen muss sie an die Hungerspiele erinnern, an die alte Effie.

Wir beide wissen, dass etwas Schlimmes passieren wird. Die Luft ist dick und stickig und mir erscheint es wärmer als sonst, was aber auch an den Schichten von Seide liegen kann, mit denen das Kleid mich bedeckt. Aber das ist es nicht, was uns so sicher macht. Es sind die qualvollen, angsterfüllten Schreie des Todes, die durch die Gänge des Zellentraktes hallen. Noch kommen sie von weit her, doch dabei wird es nicht bleiben.

Die Friedenswächter sind nervös. Seit dem Interview gehen sie auf dem Gang unruhig auf und ab, als würden sie auf etwas warten. Ich habe Johanna von den Ereignissen im Präsidentenpalast erzählt und sie hält die Bombardierung von 13 für den Punkt, ab dem es keine Rückkehr gibt. Das Kapitol hat bisher eine eher passive Rolle im Krieg gespielt, hat die Distrikte verteidigt, aber sich hauptsächlich nur gegen die Streitkräfte der Rebellen gewehrt. Der Angriff auf Distrikt 13 ist ihr erster aktiver Part in diesem Krieg und von nun an gibt es kein Zurück mehr.

Ihre Worte machen mir Angst. Immer wieder muss ich an die Bilder denken, die Caesar uns beim ersten Interview gezeigt hat. Friedenswächter und Rebellen, die sich in einer Gasse gegenüberstehen und aufeinander schießen. Ich hatte mich über das Agieren der Rebellen gefreut, weil es uns möglicherweise dem Ende von all dem hier näherbringt. Mittlerweile bin ich mir da nicht mehr so sicher. Wie wird das Ende aussehen? Werden wir mit dem Rücken zur Wand enden? In Freiheit? Wird es nach dem Krieg so etwas wie Freiheit überhaupt noch geben?

Wir bleiben lange unangetastet. Wir kriegen nur das Unheil um uns herum mit.

Beinahe vorsichtig streiche ich mit meinen Fingern über den glatten Stoff des Kleides. Es beruhigt mich ein wenig, weil es nicht in diese raue, kaputte Welt passt und mich an eine andere, bessere Zeit erinnert. Mein Körper fühlt sich taub an. Ich zittere nicht, aber mein Herz klopf so laut, dass ich bereits auf einen von Johannas höhnischen Kommentaren warte. Sie genießt es, mich aufzuziehen. Doch ihr kommt kein Wort über die Lippen.

Sie sitzt auf der Kante ihres Bettes, den Kopf gesenkt und die Augen geschlossen. Man hat ihr die Haare geschoren, als ich fort war. Sie waren auch vorher nicht wirklich lang gewesen, aber nun kann man die blasse Haut ihres Schädels sehen.

Meine Hände schwitzen wie verrückt. Ich wische den Schweiß am Kleid ab, aber das bringt nicht viel. Irgendwann döse ich ein, sitzend gegen die Wand gelehnt. Mein Magen knurrt. Während ich in einen Tagtraum abdrifte, fällt mir auf, dass sie uns schon seit einer Weile nichts zu essen gebracht haben. Wollen sie uns aushungern? Die Klauen des Schlafes ziehen mich tiefer in die Dunkelheit und schieben dieses Problem in die Ferne. Müdigkeit wickelt sich um meine Glieder.

Johannas Kopf schnellt so schnell in die Höhe, dass man einen Knochen in ihrem Nacken knacken hört. Ich zucke zusammen und werde gewaltsam aus meiner Trance gerissen. Ich muss mehrmals blinzeln, bis ich in der Lage bin, die Müdigkeit komplett von mir abzuschütteln. Meine Augen treffen ihre und sobald ich die Mischung aus Furcht und Gewissheit in ihrem Blick sehe, läuft es mir kalt den Rücken herunter.

Figure It Out (Hayffie)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt