„Du hättest mich nicht begleiten müssen, Haymitch", murmele ich, während ich die Tür zu unserem Quartier öffne. Meine Haut pocht, dort wo die Sanitäter in der Ambulanz meine Wunde desinfiziert und verbunden haben. Ich habe zwar viel Blut für eine vergleichsweise kleine Schnittwunde verloren, aber das liegt anscheinend nur an der guten Durchblutung in meinem Gesicht. Der Schnitt ist zwar lang, aber nicht tief und wird in ein bis zwei Wochen von selbst verheilen. Bis dahin muss ich mit einem bizarren Kratzer herumlaufen, der von meiner Braue bis zum Wangenknochen reicht.
„Und ob ich das muss", antwortet Haymitch mit dunkler Stimme und folgt mir hinein. Ich habe mich entschieden, meine Uniform zu wechseln, bevor wir Katniss besuchen. Johanna ist bereits vorgegangen und Haymitch lässt mich keine Sekunde aus den Augen. Ich kann nicht sagen, was ihm seit meiner Behandlung in der Ambulanz durch den Kopf ging, aber seine Muskeln sind gespannt und er scannt unsere Umgebung ununterbrochen.
Die Metalltür schließt sich hinter Haymitch und ich seufze. „Sie wurden verhaftet, das hat der Soldat dir selbst bestätigt. Es gibt keinen-" Ich verstumme abrupt als seine Faust den Schrank trifft und er vor Schmerz zu fluchen beginnt, als dieser nicht unter seiner rohen Gewalt nachgibt. Ich wirbele herum und starre für einen Moment sprachlos auf Haymitch, der sich seine Knöchel reibt. „Ich denke der Schrank ist ein zu starker Gegner für dich", murmele ich entrüstet und verschränke die Arme vor der Brust. „Ich würde es auch um einiges besser finden, wenn unsere Möbel ganz bleiben könnten."
Haymitch starrt mich für eine Weile aus gefühllosen Augen an, seufzt dann und gibt seine abwehrende Haltung auf. „Ich wollte ihn umbringen. Ich war so kurz davor, die Kontrolle zu verlieren", gibt er mit intensiver, hitziger Stimme zu und senkt den Blick.
„Ich weiß", flüstere ich und trete näher an ihn heran, um meine Finger gegen seinen Arm zu drücken. „Du bist besser darin, deine Gefühle zurückzuhalten als früher und ich bin froh, dass du den Mann nicht angerührt hast. Das hätte niemandem etwas gebracht."
Haymitchs Arme schließen sich um meine Hüfte und er zieht mich näher zu sich heran. Ich lasse ihn, weil der Schock immer noch in meinen Gliedern steckt und seine Nähe dabei hilft, meinen Puls zu verlangsamen. „Alles was ich gesehen habe war das Blut in deinem Gesicht", murmelt er an meinem Ohr und drückt seine Wange gegen mein Haar, sein Ton etwas ruhiger als zuvor. Seine Finger beben in meinem Rücken und ich drücke meine Lippen in seine Halsbeuge.
„Ich bin froh, dass Johanna da war", gebe ich zu und atme seinen Geruch ein. Wieder stellt sich mein Hirn den Duft von Alkohol vor, der ihn umgibt. Es ist eine zu alte Gewohnheit. „Ich hätte ihn nicht allein überwältigen können. Er war einer von den dreien beim ersten Mal." Das Lächeln des Mannes, als er mir sein Messer ins Gesicht hält, lässt mich erschaudern.
„Ich denke, ich sollte dir mal ein paar Grundzüge der Selbstverteidigung beibringen", sagt Haymitch und streicht mit seiner rechten Hand über meinen Hinterkopf. „Hätte dir schon vor elf Jahren nicht geschadet."
„Wieso hast du nur so lange gewartet?", antworte ich mit halb belustigter Stimme.
Haymitch zuckt mit den Achseln, rückt aber nicht von mir ab, um mir in die Augen zu schauen. „Hätte mir damals jemand gesagt, dass wir irgendwann zusammen wohnen würden, hätte ich der Person wahrscheinlich den Vogel gezeigt", schnaubt er und muss bei der Überlegung lachen. „Ich und eine Frau aus dem Kapitol? Und dann noch so eine nervige wie Effie Trinket?"
Ich reiße den Kopf zurück, im Begriff das Kompliment zurückzugeben, als ich das amüsierte Grinsen auf seinem Gesicht sehe. Er erlaubt sich einen Spaß mit mir. Auch wenn seine Grundaussage der Wahrheit entspricht. Ich hätte es damals ebenso abgetan wie er. Es wäre schlicht und ergreifend nicht möglich gewesen unabhängig davon, was wir gewollt hätten. „Das war früher, Süße. In einer anderen Welt", fügt er mit einem zufriedenen Funkeln in den Augen hinzu und drückt mir einen flüchtigen Kuss auf die Lippen.
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Figure It Out (Hayffie)
Fanfiction[Hayffie Fanfic] Effie Trinket, nur ein weiteres Schoßhündchen des Kapitols. Das Jubeljubiläum beginnt und plötzlich zeigt sich, dass doch nicht so sehr vom Kapitol besessen ist, wie vorerst angenommen. Die Revolution kommt ins Rollen und Haymitch...
