39.1. What Happened In The Past

162 13 2
                                    

What Happened In The Past

Haymitch erzählt mir von Peeta. Von seinem zerbrechlichen Geisteszustand und den Qualen, die man ihm im Kapitol ausgesetzt hat. Folter. Jägerwespengift. Verzerrte und unter Angst manipulierte Erinnerungen. Sein Versuch Katniss zu töten. Nun ist er in psychischer Behandlung. Keiner weiß, ob er jemals wieder zu seinem alten Ich zurückfinden wird. Mir fehlen die Worte.

Wir können dankbar sein, so ungeschoren davongekommen zu sein. Johanna hatte angedeutet, dass es Peeta schlechter geht als uns. Aber das? Welcher kranke Mensch lässt sich solche Methoden überhaupt einfallen? Welch abartiges Gehirn ist dazu in der Lage? Ich spüre, wie sich das Blut in meinen Wangen sammelt. Eine Woge der Scham überrollt mich bei dem Gedanken, dass Peeta mir nicht schon viel früher in den Kopf gekommen ist. Ich war so beschäftigt mit mir selbst, dass ich ihn ganz vergessen habe.

Es fällt mir schwer Haymitchs Erzählung zu glauben. Als ich Peeta im Kapitol gesehen habe, ging es ihm den Umständen entsprechend; so wie mir. Ich konnte die Liebe und den Schmerz in seinen Augen sehen, als Caesar von Katniss sprach. Allein die Vorstellung, dass er irgendjemandem gegenüber Hass verspüren könnte, bereitet mir Unbehagen. Nein, nicht unser Peeta. Nicht dieser liebenswürdige junge Mann, der für jeden ein freundliches Wort auf den Lippen hat. Nicht dieser talentierte junge Sieger, der gelebt hat, um Katniss zu beschützen.

Vor meinem inneren Auge fliegt ein Bild vorbei. Ein gemütliches, großes Haus umgeben von roten und orangenen Blumen, dessen Gänge von hellen, leuchtenden Bildern geziert wird. In einem Raum im Obergeschoss steht ein lächelnder blonder Junge, ein Kittel um die Hüfte mit getrockneten, bunten Farbklecksen darauf. Er streicht sich durch das goldene Haar, macht einen Schritt zur Seite und präsentiert der Kamera, die vor der Tür positioniert ist und jede seiner Bewegungen aufnimmt, stolz seine Leinwand. Peeta ist ein begnadeter Künstler. Erinnert er sich noch daran?

„Wir haben versagt", flüstere ich in die Stille hinein. Es ist die Wahrheit und ich weiß, dass Haymitch es genauso sieht. Sie sind unsere Tribute, unsere Kinder, unsere Verantwortung. Wir haben ihn nicht beschützen können. Ich werde irgendwie mit dem Schmerz leben können, den das Kapitol mir zugefügt hat. Doch der Gedanke, dass sie Peeta vor eine laufende Kamera gezerrt haben, um ihn für ihre Zwecke zu missbrauchen, widert mich an. Der Gedanke, dass sie ihm wehgetan haben, ist schlimmer als alles, was ich durchlebt habe. Er war unschuldig. Unschuldig. Und sie wussten es.

„Wir haben versagt." Haymitchs Worte echoen durch die Kantine, die sich genauso trostlos um uns ausbreitet wie Minuten zuvor auch schon. Die Lichter an der Decke lassen das Grau der Wände müde und erschöpft erscheinen und ich kann mir für keine Sekunde vorstellen, hier zu essen.

Haymitch hebt langsam den Kopf, um meinen Augen zu begegnen. Blonde Strähnen umrahmen sein Gesicht. Die Emotionen in seinen silbernen Pupillen raubt mir den Atem. Wir halten uns immer noch an den Händen und ich drücke seine Finger, um ihn wissen zu lassen, dass er nicht allein ist. Schon früher hatte ich manchmal das Gefühl, dass er die Gesellschaft anderer Personen absichtlich meidet. Vielleicht weil er nach seinen Spielen das Vertrauen in die Menschen verloren hatte. Vielleicht aber auch, weil er es als seine Strafe gesehen hat.

Hätten die Friedenswächter im Kapitol mir dasselbe angetan? Haymitch mag zwar eine wichtige Bezugsperson für die Rebellen sein, aber welchen Nutzen hätte er für Snow? Er ist nicht das Gesicht der Rebellion. Seine Familie ist tot. Das zwischen ihm und mir ist nie vergleichbar mit der Beziehung von Katniss und Peeta gewesen. Die eigentliche Romanze ist mehr als elf Jahre her und nach diesen ersten Spielen, die ihm so viel Hoffnung gemacht haben, hat Haymitch sie im Keim erstickt. Auf eine verdrehte Art und Weise verstehe ich jetzt weshalb. Ist das Bild unseres Kusses der einzige Beweis, den sie haben? Sie müssen mehr haben, denn wenn nicht, war meine Gefangennahme nichts als eine hochspekulative Entscheidung. Die Rebellen hätten mich genauso gut in meiner Zelle verrotten lassen können, wenn Haymitch nicht gewesen wäre. Ich war nur das einzige potenzielle Druckmittel in ihrer Reichweite. Das Kapitol wusste nicht, wie viel Haymitch an mir liegt und wenn ich ehrlich bin, weiß ich es bis heute auch nicht.

Figure It Out (Hayffie)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt