31.1. The Right Time

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The Right Time

Das Kontrollzentrum ist ein großer Raum in den unteren Ebenen von Distrikt 13 und dient nicht nur in Notzeiten als Hauptquartier für strategisch Aufgaben der Rebellion. Plutarch sagt, dass die Präsidentin diesen Bereich seit Beginn des Krieges kaum verlassen und ihr Büro in einen der Nebenräume verlegt hat. Das Kontrollzentrum besitzt eine beinahe quadratische Grundfläche und ist gepflastert mit verschiedensten Monitoren, Kontrollboards und blinkenden Lichtern.

Überall sitzen Menschen und starren auf die Informationen, die ihnen die Bildschirme liefern. Ihre vorgebeugten Körper, zusammengekniffenen Augen und konzentrierten Blicke geben Haymitch das Gefühl, als könnte sie nicht einmal eine Bombe aus ihrer Aufmerksamkeitsblase reißen. Paradox, wenn man darüber nachdenkt, dass in genau diesem Augenblick ein Hagel von Bomben auf uns herabregnet. Die hochrangigen und von Coin höchstpersönlich ausgewählten Soldaten, sind sich dem Angriff definitiv bewusst und scheinen es doch nicht wirklich wahrzunehmen.

Jeder von ihnen steckt in einer grauen Uniform, mit mehreren Sternen auf den Schultern, die ihren Rang innerhalb der Armee preisgeben. Jeder einzelne Mensch in diesem Distrikt ist von Kopf bis Fuß in Grau gekleidet. Haymitchs Gedanken wandern zu Effie und er versucht, sich ihre Reaktion vorzustellen, wenn sie das sehen könnte, was er gerade sieht. Sie würde wahrscheinlich die Augen weiten und ein hoher, ungläubiger Ton würde ihr über die Lippen kommen. Dann würde sie angewidert den Kopf schütteln und mit lauter Stimme nach der Person verlangen, die dieses Chaos zu verantworten hat. Er kann sich das Szenario haargenau vorstellen.

Haymitchs Hände zittern während er Coins Mitarbeitern dabei zuschaut, wie sie vor ihren modernen Bildschirmen sitzen und ihrem Vorgesetzten die Rückmeldungen zu den Bombenschäden mit scharfen, angestrengten Stimmen zurufen. Als wenn es so schwer wäre, Werte von einem Bildschirm abzulesen.

Haymitch vermeidet es, an Effie zu denken. Meistens gelingt es ihm, sie aus seinen Gedanken zu schieben. Doch an Tagen wie diesem wollen ihm ihre großen, verängstigten, blauen Augen nicht aus dem Kopf gehen. Nach dem Interview mit Effie und Peeta hatte für einen langen Augenblick ein kaltes Schweigen den Kontrollraum dominiert. Ein Dutzend Gesichter hatte auf die weißen Fliesen gestarrt, auf die Blutspritzer. Effies Schrei war ihm durch Mark und Bein gegangen. Coin war da gewesen und hatte ihre langen knochigen Finger angespannt um eine Tasse geschlungen. Der Blick auf ihrem Gesicht war unergründlich gewesen. Keine Emotion hatte sich in ihren grauen Augen gespiegelt. Haymitch fragt sich, ob sie überhaupt irgendwelche Emotionen verspürt. Er hat sie oft genug getroffen, weil er kein unbedeutendes Mitglied in der strategischen Abteilung ist und konnte nur selten Gefühle aus ihrem Gesicht lesen.

Er kann nicht glauben, dass Distrikt 13 so lange für sich bleiben konnte. Sie haben sich dem Kapitol für 75 Jahre entziehen können. Das Kapitol wusste seit der Niederlage der Distrikte während des dunklen Krieges von ihrem Überleben, hat einen weiteren Angriff aber aufgrund ihrer Übermengen an Munition, Bomben und Hovercrafts nicht in Erwägung gezogen. Sie haben sich für 75 Jahre in einem riesigen Bunker versteckt, Stillschweigen bewahrt und dabei zugesehen, wie der Rest des Landes den Bach runter ging. Wie ihre Brüder und Schwestern mithilfe der Hungerspiele in die Knie gezwungen wurden. Er würde den Blick auf den Gesichtern der Einwohner von Distrikt 13 niemals vergessen, als sie Katniss zum ersten Mal gesehen haben. Der Gedanke, dass man sie all die Jahre aus der Ferne beobachtet hatte und sie alles über einen wussten, bereitete ihm Unbehagen. Der Gedanke, dass sie sich all die Jahre versteckt und das Leid der anderen Distrikte ignoriert haben, entflammte eine heiße Wut in ihm. Dabei besitzt Distrikt 13 Unmengen an Ressourcen. Nahrung, Schutz und selbst ein funktionierendes Gesundheitssystem. Es hätte alles anders laufen können.

Natürlich weiß er, dass ein unkontrollierter und unerwarteter Angriff von Distrikt 13 niemals in dieser Rebellion geendet hätte. Sie hätten kurz nach Ende des Krieges angreifen müssen, um eine wahre Chance auf ein freies Panem zu haben. Alles andere, jeder Angriff zu einem späteren Zeitpunkt, wäre einem Selbstmord gleichgekommen. Mit jedem Jahr, das seit den dunklen Tagen verstrichen war, war das Kapitol ein wenig stärker geworden. Sie haben langsam aber sicher aufgerüstet. Diese Taktik war die einzige Chance, die der Rebellion geblieben ist.

Figure It Out (Hayffie)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt