Silver and Gold
„Delly ist am meisten hier. Sie ist die einzige Person aus meinem alten Leben, die es hierhergeschafft hat." Peeta schaut nicht zu mir herüber, während er die Worte ausspricht. Nicht der Hauch einer Emotion liegt in den zwei Sätzen und ich frage mich, ob er sie absichtlich unterdrückt oder tatsächlich nichts empfindet. Seine linke Hand hält eine breite Schüssel und er gibt einige Tropfen blauer Lebensmittelfarbe zu dem Zuckerguss, den er darin anrührt.
Ich nicke wissend und lehne mich in meinem Stuhl nach vorn. Er steht auf der anderen Seite des provisorischen Tisches, den die Ärzte für seine Backutensilien hergeschafft haben. „Ich bin ihr einmal begegnet, nachdem ich dich besucht habe. Sie ist ein sehr liebes Mädchen."
Ein kleines Lächeln breitet sich auf Peetas Gesicht aus und für einen kurzen Moment hebt er seine blauen Augen in meine Richtung als würde er meine Worte gutheißen. „Ich bin froh, dass sie sie zu mir lassen." Er macht eine kurze Pause und kneift die Brauen zusammen. „Aber sie könnte ehrlicher sein. Delly war immer gut darin, anderen ein Gefühl von Geborgenheit zu geben. Trotzdem merke ich, dass sie mir nicht alles sagt."
„Was meinst du damit?" Peeta ist nicht dumm, das war er nie. Die Zeit im Kapitol hat ihn misstrauisch werden lassen. Zurecht. Doch sein Geist ist noch so vernebelt, dass er oft Realität und Lüge nicht auseinanderhalten kann. Manchmal verstrickt er sich so tief in Theorien, dass er vor meinen Augen zusammenbricht, weil er das alles nicht verarbeiten kann. Er leidet. Johanna und ich erholen uns, aber Peeta leidet immer noch.
„Sie hat zu allem eine positive Meinung. Distrikt Dreizehn, Katniss, Haymitch. Dabei haben sie mich alle im Stich gelassen. Und sie kennt Haymitch überhaupt nicht." Er sagt es ohne zu zögern.
„Delly hat Katniss die Freiheit zu verdanken", erwidere ich vorsichtig. Diese Themen sind nach wie vor schwieriges Terrain. Meistens akzeptiert Peeta meine Ratschläge, auch wenn er nicht dieselbe Sicht auf die Dinge hat. Doch ich muss es nur falsch formulieren, um ihn wütend zu machen. Nicht auf mich. Er ist nie wütend auf mich, immer wütend auf die anderen. Ich besuche ihn so oft ich kann und kein einziges Mal hat er Anzeichen gemacht, mich angreifen oder bedrohen zu wollen. Er ist immerzu wütend auf die anderen. Die, der wir seiner Meinung nach den Schmerz zu verdanken haben. „Und ohne Distrikt Dreizehn wäre sie ebenso tot wie wir es jetzt wären."
Peeta verharrt in seiner Bewegung und lässt den Schneebesen sinken, den er in seiner anderen Hand hält. Wenn da nicht dieser sterile, weiße Raum und die fensterlosen Wände wären, könnte es ein alltäglicher Moment in seiner Küche in Distrikt 12 sein. Doch wenn ich genauer hinschaue, sehe ich, dass auch sein Gesichtszug den Schein trügt. „Sie haben auch dich im Stich gelassen, Effie."
Ich unterdrücke ein Seufzen und zwinge den Ausdruck auf meinem eigenen Gesicht, in seiner fröhlichen Fassung zu bleiben. Das hier ist der Knackpunkt, um den sich unsere Gespräche drehen. Mehr als mir lieb ist. Ich habe meine Traumata, aber ich lerne, mit ihnen zu leben. Mir geht es besser, was man jedoch nicht mit Glücklichsein verwechseln sollte, denn glücklich bin ich nicht. Peeta kann es nicht nachvollziehen. Er versteht nicht, wie ich es geschafft habe, Haymitch zu verzeihen. Vergebung. Ich habe sie gefunden. Er nicht. Anders als ich sucht er nicht danach. Er sucht nicht nach Schnipseln seines alten Lebens, die ihn an eine gute Zeit mit Katniss und Haymitch erinnern könnten. Eine Zeit, die es wert gewesen wäre, zu vergeben. Peeta sieht nicht den Sinn, ihnen zu vergeben. Alles was er sieht, sind ihre jüngsten Taten. Alles andere interessiert ihn nicht. Und ihre jüngsten Taten sprechen von Verrat und Verschwörung: Sie haben einen Plan gegen uns ausgeheckt und uns zum Sterben im Kapitol zurückgelassen.
„Katniss wusste nichts davon", antworte ich leise, leiser als ich sollte. Ich habe die Worte schon so oft gesagt, ohne zu Peeta durchzudringen. „Sie leidet immer noch unter den Dingen, die über ihren Kopf hinweg entschieden wurden. Sie hätte sich dem Kapitol ausgeliefert, um dein Leben zu retten."
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Figure It Out (Hayffie)
FanfictionEffie Trinket, nur ein weiteres Schoßhündchen des Kapitols. Das Jubeljubiläum beginnt und plötzlich zeigt sich, dass doch nicht so sehr vom Kapitol besessen ist, wie vorerst angenommen. Die Revolution kommt ins Rollen und Haymitch -der ihr näher gek...