53.2. As It Was

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Nach einem kuren Stopp im Präsidentenpalast stehen wir nun am Fuße eines Wolkenkratzers am Rande des Innenzirkels. Die unteren zehn Ebenen bestehen aus massivem weißem Beton und erst darüber zeichnen sich die ersten Fensterfronten der Wohnkomplexe ab. Hoch genug, dass man nicht hinaufklettern kann. Die schwarze, eiserne Tür ist dick genug, um anzudeuten, dass die Wände mit Metall verstärkt wurden. Hier wurde tatsächlich viel Wert auf Sicherheit gelegt.

Johanna lehnt gegen die Fassade des Gebäudes und mustert die Menschen, die uns vorsichtig betrachten als sie an uns vorübergehen. Unsere kleine Soldateneskorte ist nicht wirklich unauffällig. Haymitch hat darauf bestanden, sie mitzunehmen, weshalb wir zum Palast zurückgekehrt sind. Und einmal dort konnte ich nicht wieder gehen, ohne Johanna von dem Vorfall im Gefängnis erzählt zu haben. Sie hält mich für durchgeknallt, allein, weil ich es überhaupt erneut betreten habe. Aber ich kann ihr ansehen, dass sie ein kleines bisschen erleichtert ist, einen unserer Peiniger geschnappt zu haben. So wie sie ist, will sie ihm den Schädel wahrscheinlich am liebsten persönlich mit ihrer Axt einschlagen. Zumindest ist da dieser Funke in ihren braunen Augen, der zuvor nicht da war. Ich wollte, dass sie uns hierher begleitet. Nicht, weil sie großes Interesse an meiner Schwester hätte, sondern schlicht und ergreifend, weil ihr im Palast die Decke auf den Kopf fällt. Sie fühlt sich wie in einem neuen Gefängnis, nur dass die Zelle um einiges größer und luxuriöser ist. Die Sucht macht es nur schlimmer. Ich dachte, dass ihr etwas Abwechselung vielleicht guttun würde.

„Deine Verwandten sind ziemlich reich", stellt Johanna fest, während meine Augen zu dem Zahlenfenster gleiten, der als einziges neben der Tür prangt. Ich tippe den sechsstelligen Code ein, den Caius mir genannt hat und die Tür beginnt zu surren. Mehrere mechanische Klicken ertönen und ich drücke mich gegen die flache Tür, welche nicht einmal eine Klinke besitzt. Haymitch, Johanna und zwei Soldaten folgen mir als ich eintrete. Ein sanftes Licht erleuchtet einen quadratischen Vorraum, an dessen Ende drei Aufzüge liegen. Rechts von ihnen erwacht ein Display zum Leben.

„Es ist nicht das Geld meiner Familie", erkläre ich abwesend. Meine Augen fallen auf die dutzenden Namen, die neben den nummerierten Wohnungen stehen. Keiner der Namen ist mir bekannt, aber das ist der Sinn der Sache; der Sinn eines solchen Apartments: Niemand soll wissen, welche wohlhabende Familie hier residiert. Zur Wahrung der Privatsphäre und aus Sicherheitsgründen. Ich suche den richtigen Namen und drücke die Klingel. „Caius' Familie steht mit einem Fuß in der Tür der Elite. Er ist in der Regierung. Das hier gehört alles ihm."

„Vielleicht hast du ja aufs falsche Pferd gesetzt", kichert Johanna verächtlich und anstatt auf ihre Bemerkung einzugehen, drücke ich erneut die Klingel, diesmal länger. Das ist eine ihrer Stimmungsschwankungen. Ihre letzte Dosis muss abgeklungen sein, die Abwesenheit macht sich bemerkbar. Sie meint es nicht so, sie ist einfach zu alles und jedem so boshaft wie es eben geht.

„Ihr Schwager ist ein schmieriger Typ", brummt Haymitch und im selben Moment summt die Leitung, als die Sprechanalage zum Leben erwacht. Mein Herz schlägt mir plötzlich bis hoch in den Hals, mein Körper steif, mein Bauch aufgeregt vor Angst. Der alles entscheidende Moment.

„Wer ist da?" Eine hohe Stimme aus der die Vorsicht klingt. Mein Kopf sinkt in meine Hände und mir entkommt ein erleichtertes Seufzen, das sich wie ein halbes Schluchzen anhört, als ich Aurelia erkenne. Sie ist es. Sie lebt. „Effie bist du das?!"

Nun schießt mein Kopf in die Höhe. Woher weiß sie- Mein Blick fällt auf die kleine Kamera oberhalb des Displays. Sie kann mich sehen. Mich und die anderen, die hier im Vorraum stehen. Das Feld, wo ihr Gesicht hätte sein können, hätte sie ihre eigene Kamera aktiviert, bleibt schwarz. Automatisch streiche ich mir das Haar zurecht und atme einmal tief durch, bevor ich zu nicken beginne. „Ja, ich bin es", kommt es mir langsam über die Lippen.

Figure It Out (Hayffie)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt