25. Another Step Forward

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Another Step Forward

Ich halte mein Erwachen für ein Wunder. Man hat mir aus nächster Nähe eine Kugel in den Kopf gejagt, wieso lebe ich noch?

Erschöpft flattern meine Augenlider auf. Ich liege in einem Krankenbett. Links an meiner Seite steht ein Gerät, das meinen Herzschlag überwacht. Das Licht über meinem Kopf ist in perfekter Helligkeit eingestellt, meine Augen können unangestrengt durch den Raum wandern.

Das letzte Mal als ich in einem solchen Bett lag, war ich gefesselt und für Wochen in einem dunklen Raum gefangen. Diesmal bin ich nicht gefesselt. Überraschenderweise habe ich auch keine Schmerzen.

Leicht öffne ich meine Lippen und lasse die Luft tief in meine Lungen strömen. Erst als ich ganz sicher bin, keine Schmerzen zu spüren, setze ich mich auf. Dort wo die Rippen gegen meine Brust gedrückt haben, spüre ich nur noch ein dumpfes Pochen. Ich kann frei atmen und habe dabei keine Beschwerden. Erleichtert lasse ich meinen Blick an meinem Körper herunterwandern. Der Farbton meiner Haut sieht kräftiger aus. Vorsichtig lasse ich meine Finger über meinen linken Arm gleiten. Die Haut fühlt sich überraschend weich an. Nur die Narben, die über meine Arme verteilt sind, bilden mit ihrem blassen weißen Ton einen starken Kontrast zum Rest der Haut. Bei den meisten handelt es sich um lange dünne Striche, doch ich weiß, dass Folter und Tortur an anderen Körperstellen größere Überbleibsel hinterlassen haben müssen. Mit einem Seufzen wende ich den Blick ab.

Erst dann fällt der Mann in mein Blickfeld, der wie aus dem Nichts in der eben noch geschlossenen Tür lehnt. Er trägt einen weißen Kittel mit kurzen blonden Haaren und dunklen Augen, aus denen er mich aufmerksam mustert. Er muss Ende Vierzig sein. Ich kenne ihn nicht und er kommt mir auch nicht bekannt vor.

„Von einer Skala von Eins bis Zehn, wie überrascht sind Sie?", fragt er mit einer angenehmen warmen Stimme und schlendert in den Raum hinein. In seinen Händen hält er ein Klemmbrett.

Verdutzt schaue ich ihn an, antworte jedoch nicht auf seine Frage. „Was ist passiert?" Meine Stimme hört sich erstaunlich ruhig und erholt an. Automatisch wandern meine Finger an meinen Kehlkopf.

Der Mann stellt sich ans Fußende des Bettes und schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln. „Sie haben Glück gehabt", sagt er. „Wenn man das denn Glück nennen kann. Seit Ihrem ... Unfall ist knapp eine Woche vergangen. Es hat mich überrascht, wie lange Sie zur Regeneration gebraucht haben."

Ich nicke langsam, während ich die wenigen Informationen aufnehme. Regeneration wovon?

Plötzlich schlägt er sich an die Stirn. „Wie dumm von mir, mich nicht vorzustellen", sagt er und schüttelt den Kopf. „Ich bin Dr. Aurelius, leitender Facharzt auf den Gebieten der Allgemeinchirurgie, Inneren Medizin sowie Psychiatrie und Psychotherapie. Ich arbeite schon viele Jahre hier, doch gerade in den letzten Monaten scheinen meine Dienste immer unentbehrlicher zu werden ..."

Ich weiß natürlich sofort, was er meint. „Ich verstehe trotzdem nicht, was passiert ist."

Dr. Aurelius seufzt, als wäre die Antwort offensichtlich und notiert etwas auf seinem Klemmbrett. „Die Hinrichtung von Ihnen, Miss Trinket, war nichts anderes als eine Scheinhinrichtung. Man hat Sie in dem Glauben gelassen, man würde Sie umbringen, damit Sie, wie bei einer richtigen Hinrichtung, verschiedene emotionale Phasen durchlaufen. Diese Art der psychischen Folter ist eigentlich eher unüblich, aber sehr effektiv."

Meine Finger beginnen zu kribbeln. Alles soll das nichts weiter als eine gut gespielte Show gewesen sein? „Also- Entspricht nichts davon der Wahrheit?"

Dr. Aurelius schüttelt den Kopf. „Ihr Urteil haben Sie doch schon zu Beginn Ihres Aufenthaltes erhalten. Die Menschen vor der Bühne waren alle nur Statisten. Man hat Sie weder wirklich gefilmt, noch hat man dies irgendwo veröffentlicht. Die Waffe des Friedenswächters war nur mit Platzpatronen geladen."

Figure It Out (Hayffie)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt