37.3. Sorrow And Salvation

141 13 8
                                    

Triggerwarnung: Drogenkonsum.

-


Der Ausdruck in Johannas Gesicht wird ernst. Sie presst die Kiefer zusammen und ihre sowieso schon kantigen Gesichtszüge wirken im weißen Licht der Zimmerbeleuchtung noch schärfer als sonst. Sie sieht aus wie das Mädchen, das töten musste, um zu überleben. Sie sieht aus wie die Siegerin, die ihr einst das Leben in ihrer Arena gerettet hat. „Jeder der eingeweiht war kannte das Risiko. Wir wussten, dass unsere Köpfe rollen würden, wenn uns auch nur eine Person an das Kapitol verraten sollte. Wir alle wussten, dass es eine gute Wahrscheinlichkeit unseres Todes geben würde, wenn wir dem Kapitol in dieser Nacht in die Hände fallen sollten. Deshalb haben wir nur die Nötigsten einbezogen und sowohl Katniss als auch Peeta im Dunkeln gelassen. Manche Menschen sind nicht dafür geschaffen, ihre Klappe unter Folter zu halten. Desto weniger Bescheid wissen, desto weniger Infos kann das Kapitol erbeuten."

Ich kann den Blick nicht von Johanna abwenden, während ihre Worte mir im Kopf herumschwirren. Ich wüsste nicht, ob ich dazu in der Lage wäre: In einem Plan mitzuwirken, in dem eine Gefangenschaft durch das Kapitol eine mögliche Folge ist. Allein der Gedanke, auch nur einen Fuß in dieses Gebäude zu setzen, lässt meinen Körper erzittern. Allerdings hätte ich zu dem Zeitpunkt nicht im Entferntesten damit gerechnet, dass das Kapitol mir solche Qualen antun würde. Antun könnte. Mein Verstand assoziiert den Begriff Heimat immer noch mit dem Kapitol und ich glaube nicht, dass sich das jemals ändern wird. Denn ist es nicht auch so? Gibt es nicht einen Unterschied zwischen dem Kapitol und der Regierung? Oder sind sie ein und dasselbe, weil die Menschen alles zulassen und legitimieren, was die Regierung entscheidet?

„Das ist Wahnsinn", flüstere ich in ersticktem Ton.

„Mag sein", gibt Johanna zu. Nach allem, was sie durchmachen musste, scheint sie nichts davon zu bereuen. „Aber dafür sind wir jetzt frei. Bald schon werden alle frei sein."

„Das weißt du doch gar nicht. Noch ist der Krieg nicht gewonnen." Allein der Fakt, dass Krieg herrschen soll, will nicht in meinen Kopf dringen. Bis auf die zirkulierenden Hubschrauber im Kapitol und Caesars Bildern, die auch hätten gestellt sein können, habe ich nichts von diesem Krieg mitbekommen, der schon seit Monaten im gesamten Land wüten soll.

„Die Freiheit ist nahe. Die Rebellen sind schon im Kapitol. Es ist nur noch eine Frage von wenigen Wochen, bis diese Drecksstadt kapitulieren muss. Nur Distrikt Zwei ist noch auf ihrer Seite. Diese Trottel stellen sich gegen ihre eigenen Brüder und Schwestern."

Bei ihren Worten kann ich nicht anders als zu frösteln. Freiheit. Aber ich war schon frei gewesen. Frei, bis mich das Kapitol eingesperrt hat. Vor meinem inneren Auge leuchtet die schillernde Skyline der Stadt auf. Sie glänzt wie Juwelen im Schein der Sonne. Kindheitserinnerungen fliegen an mir vorbei. Eine Welle von Heimweh überfährt mich mit einer solchen Wucht, dass ich nicht die Chance habe, einzuatmen. Für einen kurzen Moment fühle ich mich losgelöst von allem, glücklich, unbeschwert, zufrieden, niedergeschlagen, unerschrocken, selbstbewusst, angreifbar, angsteinflößend, berauschend. Es gibt so viele Worte, mit denen ich mein altes Leben beschreiben könnte, bevor es völlig aus den Fugen geraten ist. Dann taucht das Bild meiner Eltern vor mir auf und all diese Emotionen lösen sich in Luft auf. Alles, was zurückbleibt, ist ein tiefgehender Kummer. Und Schuld.

„Effie." Johannas Flüstern dringt kaum an mein Ohr. Als säße ich im Schnellzug und ihre Stimme gehöre zu den Hintergrundgeräuschen, die sich so schnell verlieren, wie sie auftauchen.

„Was wird mit Panem passieren, wenn ... wenn ihr diesen Krieg gewinnt?"

Johanna muss etwas in meinen Augen erkennen, denn sie gibt sich Mühe, nicht grobschlächtig zu klingen als sie die Schultern zuckt. „Snow wird hingerichtet. Danach wird das System in ein gerechtes umgewandelt. Die Macht wird auf alle Distrikte verteilt. Die Hungerspiele finden ein Ende."

Figure It Out (Hayffie)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt