Song Inspiration für dieses Kapitel: It's Alright (The Guvnor Mix) – East 17
It's Really Alright
Ich renne die Straße lang. Die Sonne steht hoch über dem Horizont. Mein Herz rast, aber ich halte nicht an. Zum Glück trage ich meine bequemen Sneakers, die meine Füße bei jedem Schritt abfedern. Wenn ich sie im Sportunterricht trage, bin ich immer eine der Schnellsten.
Doch in diesem Augenblick will ich einfach nur noch nach Hause. Sie war nicht da. Und die ist immer da. Egal, wie lange mein Unterricht dauert. Wenn sie nicht da ist, dann ist etwas falsch. Schließlich ist sie heute Morgen noch mit mir zur Schule gegangen.
Die meisten Leute auf der Straße machen mir automatisch Platz, doch manche von ihnen muss ich zur Seite schubsen, um durchzukommen. Ich ignoriere ihre verärgerten Rufe einfach. Ich biege um die Ecke und renne weiter. Das Stechen in meiner Seite bleibt unbeachtet. Die Straße verschwimmt langsam vor meinen Augen, aber ich zwinge mich trotzdem, weiterzulaufen. Prioritäten eben.
Unser Haus liegt etwas außerhalb des Zentrums, einige Querstraßen vom äußeren Stadtteil entfernt. Morgens brauchen wir zu Fuß zwanzig Minuten. Im Sprint habe ich die Strecke nach weniger als zehn Minuten hinter mir. Unser Haus sieht aus wie immer. Weiß mit rotem Dach. Rote Fensterrahmen. Blaue Blumen im Vorgarten, umgeben von grünen Buchsbäumchen. Idyllisch. Manchmal ein wenig langweilig. Aber ich mag es trotzdem. Vor der Einfahrt steht das Auto meines Vaters. Sollte er nicht auf der Arbeit sein?
Abrupt bleibe ich stehen und sinke auf die Knie. Das Keuchen meines Körpers ist laut, aber das Blut, das durch meine Ohren rast, ist noch lauter. Wieso bin ich stehen geblieben? Ich wollte doch nicht stehen bleiben. Ich starre über die Straße auf das schwarze Auto, das vor unserem Haus steht. Mit zitternden Fingern finde ich halt am Baumstamm einer Buche. Sie stehen alle paar Meter in der Straße. Viel schöner als im Zentrum.
Während mein Körper zur Ruhe kommt und sich Erschöpfung in mir breitmacht, nehme ich den Rucksack ab, jedoch ohne den schwarzen Wagen aus den Augen zu lassen. Ich sehe sie manchmal durch die Stadt fahren. Aber sie haben hier eigentlich nichts zu suchen. Wenn es nach mir gehen würde, würden sie überhaupt nirgendwo fahren. Ich habe immer das Gefühl, dass die Leute sich anspannen, wenn ein solcher Wagen vorbeifährt.
In diesem Augenblick öffnet sich unsere Haustür. Ich zucke vor dem Geräusch zurück, obwohl ich eigentlich nichts zu befürchten hätte. Zwei Friedenswächter treten nach draußen und mir rutscht automatisch das Herz in die Hose. Was wollen die denn hier? Hoffentlich sind die nicht wegen unserer dummen Aktion im Einkaufszentrum letzte Woche hier. Panik ergreift mich. Das war doch eh nur ein dummer Kinderstreich! Egal. Ich bete, dass sie wegen etwas anderem hier sind. Egal was es ist, es ist besser, als Ärger von meinen Eltern zu kriegen.
Dann tritt mein Vater nach draußen. Nein, er tritt nicht nach draußen, er wird nach draußen gezogen. Einer der Friedenswächter hat seinen Nacken in einem eisernen Griff gepackt und schleift ihn in den Vorgarten.
Ich beobachte das ganze einfach von Weitem. Meine Angst ist verflogen. Was machen die denn da? Ich hocke neben der Straße, womöglich in einem fremden Vorgarten, aber das interessiert mich nicht. Wie gebannt beobachte ich das seltsame Schauspiel, das sich gerade vor unserem Haus abspielt. Irgendwie sieht es lächerlich aus.
In diesem Augenblick kommt ein dritter Friedenswächter aus der Tür. In der einen Hand hält er seinen Helm und in der anderen den Arm meiner Schwester. Er sieht aus wie ein Idiot. Bis auf die Haut geschorene blonde Haare, groß gebaut und harte Gesichtszüge. An seinem Gürtel hängt ein Gewehr. Es glänzt in der untergehenden Sonne. Seit wann tragen Friedenswächter im Kapitol denn Waffen?
Aurelia sieht keineswegs verängstigt aus. Ihr Gesicht ist sanft und ihre grünen Augen funkeln, wie rohe Diamanten. Für einen Moment vergesse ich, dass der Friedenswächter sie immer noch grob am Arm packt.
Erst der Anblick meiner Mutter, die plötzlich an der Tür steht, die Hände vor der Brust verschränkt, bringt mich zurück in die Realität. Sie murmelt irgendetwas, ich kann es nicht verstehen, aber es hört sich wie ein Flehen an. Doch was mich viel mehr beunruhigt ist ihre Kleidung. Sie trägt eine bodenlange Robe, ihr Gesicht ist blank und frei von kosmetischen Produkten. Ihr natürliches blondes Haar ist zu einem unordentlichen Dutt hochgesteckt.
Die Erschöpfung von eben ist verflogen. Kerzengerade hocke ich neben dem Baum und beobachte schweigend die Szenerie auf der anderen Seite. Der Abstand kommt mir auf einmal wie eine Unendlichkeit vor. Der Friedenswächter dreht sich um und lacht. „Kommt überhaupt nicht in Frage. Ich habe meine Befehle." Seine Stimme geht mir durch Mark und Bein.
„Aber sie ist noch ein Kind", höre ich meine Mutter weinen. Sehen tue ich sie nicht mehr, denn meine Augen hängen an ihm. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie sie meinen Vater auf die Knie zwängen. Den Lauf einer Pistole an seine linke Schläfe.
Ich zucke nicht zusammen, als er abdrückt. Ich schenke dem Körper, der leblos in sich zusammensinkt, keine Beachtung. Meine Augen sind auf Aurelia geheftet, die meinen Blick mit einem Lächeln auf den Lippen erwidert. Plötzlich scheint die Zeit wie in Zeitlupe abzulaufen. Sie lächelt, während man sie auf den Boden drückt.
„Das Gesetz ist hart, aber es ist das Gesetz."
Dann streckt sie plötzlich ihre Hand nach mir aus. Ihre Augen leuchten. Ihr blondes Haar weht in der Brise. Sie lächelt mir zu. Plötzlich liege ich auf dem Boden. Ein Schluchzen zerreißt die Stille. Es kommt nicht von mir.
Ich reiße die Augen auf und plötzlich ist der Boden unter meinen Händen braune schmutzige Erde. Der Himmel ist dunkel. Die Reihenhäuser sind verschwunden. Meine Mutter steht in einem kleinen Holzhaus, kaum größer als unser eigentliches Wohnzimmer. Vor der Tür liegen mein Vater und Lia.
Das hier ist nicht das Kapitol. Es ist Distrikt 12. Ich schreie ihre Namen. Ich schreie mir die Seele aus dem Leib.
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Die Kapitel werden jetzt etwas kürzer, da ihr es so wolltet. :) Wie fandet ihr das Kapitel?
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Figure It Out (Hayffie)
FanfictionEffie Trinket, nur ein weiteres Schoßhündchen des Kapitols. Das Jubeljubiläum beginnt und plötzlich zeigt sich, dass doch nicht so sehr vom Kapitol besessen ist, wie vorerst angenommen. Die Revolution kommt ins Rollen und Haymitch -der ihr näher gek...