46.2. A Soul That Misses a Piece

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Haymitch schweigt, wahrscheinlich verwirrt von dem plötzlichen Themenwechsel. Ich höre, wie er mehrmals den Mund öffnet, aber nicht weiß, was ich hören will. „Worauf willst du hinaus?"

Ein Lachen entspringt meiner Kehle und ich lasse mich in die Kissen neben ihm fallen. Seine Frage fühlt sich an wie ein Schlag in die Magengrube, weil es sich anhört, als gäbe es nichts zu bereden. Als wäre da gar nichts zwischen uns, was der Rede wert wäre. Einen langen Moment übermannt mich die Scham meiner eigenen Dummheit. Du kennst Haymitch doch lange genug, um zu wissen, dass er nicht der Typ für eine Beziehung ist; niemals sein könnte.

„Effie?" Haymitchs Stimme hat einen unangenehmen, unberechenbaren Ton angenommen, als würde er Schlimmes erahnen. Nun sind es seine Muskeln, die festgefroren zu sein scheinen. Als würde jede Bewegung ihn verraten.

„Du kennst mich, Haymitch", bringe ich zwischen zwei Atemzügen hervor und spüre, wie eine seltsam alte Hysterie durch meine Adern zu fließen beginnt. „Du weißt, wo ich herkomme und wie die Dinge dort laufen. Nur weil ich jetzt in Distrikt Dreizehn bin, ändert das nichts an meiner Herkunft oder meiner Kultur. Ich kann dir nicht nahe sein oder dich küssen, wenn ich nicht sicher weiß, was wir sind. Ich bin nicht mehr die junge Frau von früher, die alle Zeit der Welt hatte, um herumzuexperimentieren. Ich bin zu müde, für Zwanglosigkeit. Ich brauche jemanden an meiner Seite, der nicht verschwinden wird, wenn der Krieg vorbei ist und es auf einmal so viele Richtungen gibt, in die man davonrennen könnte. Was sind wir also?"

Haymitch neben mir ist entsetzlich still, seine Starre eisiger als zuvor. Atmet er überhaupt? Will er sich in Luft auflösen oder davonrennen? „Und du kennst mich, Effie", murmelt er schließlich, seine Stimme distanziert und verschlossen. Ich fühle die Mauer, die er um sich herum errichtet, als würde uns echter Stein voneinander trennen. Dabei ruht sein rechter Arm immer noch auf meiner Hüfte und unsere Gesichter sind immer noch nur Zentimeter voneinander entfernt. „Ich habe dir gezeigt, was du mir bedeutest. Reicht das nicht?"

Mein Kopf bewegt sich in einer niedergeschlagenen, gebrochenen Bewegung. „Ich will es hören", sage ich verzweifelt. „Ich muss es hören. Ich kann nicht abends neben dir Einschlafen in der Furcht, dass du eines Morgens nicht mehr da sein wirst." Die Worte klingen weit hergeholt, weil es doch kaum mehr als Küsse und Berührungen gab, aber mein Blick liegt in der Ferne. Ich habe schon immer auf lange Sicht geplant.

„Es tut mir leid." Die Worte dringen zwar an mein Ohr, aber ich bin mir nicht einmal sicher, ob er sie wirklich gesagt hat. Enttäuschung schwingt in den vier kurzen Silben, ein tiefes Bedauern, als würde er die fehlende Tiefe seiner Gefühle bereuen. „Ich kann es nicht sagen."

Ich kann es nicht sagen, weil es nicht die Wahrheit wäre. Wieder bewegt sich mein Kopf wie von selbst. Ein Nicken diesmal. Mein Körper rollt sich zur Seite und einen Atemzug später spüre ich den kalten Boden unter meinen nackten Füßen. Meine Beine taumeln in der Dunkelheit, aber ich schaffe es nicht, mich darum zu scheren. Die Sicht vor meinen Augen wird für eine Sekunde weiß, weil ich zu abrupt aufgestanden bin. Hinter mir erwacht Haymitch plötzlich aus seiner Unbeweglichkeit.

„Was machst du da?" Er klingt verwirrt, als hätte er nicht mit meiner Reaktion gerechnet. Als hätte er auf mehr Verständnis gehofft.

„Ich kann das nicht", flüstere ich, während ich mir meine Schuhe überstreife und nach meiner Uniform greife. Nicht einmal an das Haartuch denke ich, als ich mich in Richtung Tür bewege. „Es war ein Fehler mir einzureden, dass wir dieselben Intentionen haben."

Haymitch ist im Bruchteil einer Sekunde auf den Beinen. Panik hat sich in seine Stimme geschoben, als hätte er bis dahin gar nicht gemerkt, dass die Situation aus dem Ruder läuft. „Was redest du da, Effie? Nur weil ich die Worte nicht sagen kann, bedeutet das nicht, dass–"

Figure It Out (Hayffie)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt