16. Type Of Misery

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Type of Misery

Ich wage es nicht, zurück ins Bett zu gehen. Nicht nachdem, was sich diese Nacht ereignet hat. Falls ich einschlafen sollte, will ich nicht kurz darauf von meinen eigenen Schreien geweckt werden. Der Bademantel verschwindet in der Ecke hinter dem Bett und ich taumele ins Badezimmer, um mich im Spiegel zu betrachten. Mit einem Seufzen starre ich für einen Moment in die blauen Augen, die mich aus dem Spiegel aus mustern. Die motivierte, begeisterte Frau ist verschwunden. Übrig geblieben ist eine leere Hülle ihrer selbst.

Ich frage mich, was Haymitch wohl sieht, wenn er mich anschaut. Für wen hält er dieses Geschöpf? Ich habe immer gedacht, dass du einfach nur eine weitere verdammte Marionette des Kapitols bist.

Das Gespräch scheint Ewigkeiten her. Und doch sind nur ein paar Tage vergangen. Wie konnte sich alles nur so schnell entwickeln? Ich habe mich ihm anvertraut, habe mich an ihm gestützt und mich von ihm trösten lassen. Ich habe gehofft, dass sich etwas zwischen uns zum Guten verändert hätte. Ich habe mit ihm getanzt, er hat mit mir getanzt als wäre alles ... in Ordnung. Als wäre es egal, dass um uns herum die Welt zerbricht. Dass wir uns haben und dass es ausreicht. Es schien mir, als wollte er sich mir gegenüber öffnen, als er meinen Schmerz gesehen hat. Mir helfen, in irgendeiner komischen Weise, die nur er selbst wirklich nachvollziehen kann.

Und plötzlich ist er wieder sein altes Ich. Demütigend und vor nichts zurückschreckend.

Für einen Moment erscheint es mir, als würde ich seine wütenden Augen im Spiegel hinter mir sehen. Ich schrecke zurück, drehe mich um und stoße dabei mein Parfüm mit meinem Arm zu Boden. Ich erwarte seine Gestalt hinter mir zu finden, zu seiner vollen Größe aufgebaut und mit zusammengepresstem Kiefer. Doch da ist niemand hinter mir. Ich verharre in meiner Bewegung und starre in die Luft, um sicherzugehen, dass er doch nicht plötzlich aus dem Nichts vor mir auftaucht.

Als ich sichergestellt habe, dass meine Augen mir nur einen dummen Streich gespielt haben, drehe ich mich um und beginne damit, mir die Haare zu einem angemessenen Zopf zu flechten, damit ich sie gleich mühelos unter eine Perücke stecken kann. Meine Finger zittern. Ich weiß nicht was los mit mir ist. Ich habe jede Emotion aus meinem Körper verbannt und jeden Gedanken auf meine Haare gelenkt, doch meine Finger spielen nicht mit. Vielleicht hätte ich doch nicht diesen Alkohol trinken sollen.

Ich nehme mir vor, mich Haymitch gegenüber von nun an etwas distanzierter zu verhalten. Der Entschluss ist bitter, aber es wäre sicher das Beste für uns, schließlich ist es mein letztes Jahr. Ab nächstem Jahr wird eine andere meinen Platz einnehmen, einen Fakt, mit dem Haymitch offensichtlich keinerlei Probleme hat. Vielleicht geht sie ihm nicht so sehr auf die Nerven wie ich ihm anscheinend. Ich habe bereits mit meiner Vorgesetzten über einen Rücktritt gesprochen, kurz nachdem das Jubiläum verkündet worden war. Es ist besser zu gehen, bevor man das unangenehme Alter erreicht und freundlich darum gebeten wird, den Platz für die jüngere Generation zu räumen. Klarer könnte die Ansage aber nicht sein.

Es dauert eine Weile, bis ich mich für ein Kleid entschieden habe. Am Ende fällt meine Wahl auf eines von Cinnas Werken. Der Stoff schimmert bei jeder Bewegung, sodass man an Feuer denken muss. Dazu nehme ich die goldene Perücke, mein Erkennungszeichen. Die Sponsoren werden sofort wissen, mit wem sie es zu tun haben und auch von weiten wird man mich erkennen. Als ich fertig bin, strahlt mir ein goldenes Gesicht entgegen. Ich sehe aus, wie von einem anderen Stern. Eine Göttin.

Zufrieden mache ich meinen Weg zum Wohnzimmer. Die Sonne geht langsam über dem Horizont auf, doch die meisten Gebäude der Stadt stehen noch im Dunkeln. Es ist früh, nicht später als Sechs Uhr, aber im Anblick der Ereignisse der letzten Nacht, werden die Sponsoren sicher schon ziemlich früh eintrudeln. Es ging sicher bereits hoch her mit den Wetten. Unsere Chancen stehen gut, allerdings nicht besser als letztes Jahr.

Figure It Out (Hayffie)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt