Kapitel 2

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Als ich aufwache, habe ich wieder diese typische Übelkeit und das Zittern, also spritz ich mir schnell mit der Spritze aus dem Kühlschrank das Zeug und stopfe mir als nächstes rohes Müsli rein. Ich hätte Milch, aber die ist mir zu kostbar, um die jetzt für ein Müsli zu vergeuden und rohe Flakes sind gar nicht so schlecht.

Nach dem Frühstück mache ich mich fertig und überlege ganz genau, was ich heute tun kann. Ausnahmsweise muss ich heute nicht arbeiten, was auch an Sonntagen häufig vorkommt, und zur Schule muss ich auch nicht. Besondere Hobbys, außer laut Musik zu hören habe ich ebenfalls nicht, von Freunden mal ganz zu schweigen. Jegliche Menschen versuche ich von mir fern zu halten. Sie sind nicht gut für mich und ich nicht für sie. Ich tue damit also etwas für das Gemeinwohl.

Ich beschließe meine Hausaufgaben zu machen für die nächste Woche und langweile mich auch dabei, denn die Sachen sind viel zu einfach , nur kriege ich genau das, was alle anderen auch kriegen. Das meinte meine Klassenlehrerin Frau Trolls auf jeden Fall. Aber es ist ja auch nur eine staatliche Schule in einer armen Gegend, da sollte ich mir nicht mehr erhoffen. Da haben Lehrer genauso wenig Bock auf Unterricht wie die Schüler. Das Schuljahr hat grade erst angefangen.

Schluss jetzt mit der Selbstmitleidnummer. Mir geht es gut. Ich kann für mich sorgen, bin im Moment in Sicherheit und in die Schule kann ich auch. Wo ist das Problem? Richtig, es gibt keins.

„Tür aufmachen! Hier ist die Polizei!" Und schon gibt es eins. Das laute, aggressive Klopfen an meiner Tür lässt mich aufspringen. Fuck. „Aufmachen!"

„Einen Moment. Bin nackt.", rufe ich bestimmt etwas zittrig. Ich führe mich oft zu taff auf, aber sicher habe ich Bedenken, wenn die Polizei an einem Sonntag an meine Tür klopft. Das kann ja nichts Gutes bedeuten. Es ist schon Mittag, helllichter Tag also. Da wird es schwerer vor den Bullen davon zu rennen. Ich schnappe mir meinen Rucksack, stopfe drei Spritzen und die ersten drei Nahrungsmittel rein, die ich noch im Kühlschrank habe und greife auch in den Karton, um ein paar mehr Klamotten rein zu stopfen. „Bin gleich da!", rufe ich und renne zum Fenster. Scheiße, dritter Stock, aus dem kann ich nicht einfach springen. Ich wippe nervös auf meinen Füßen rum, aus dem Fenster wird's schwer, kein Balkon nur harter Asphaltboden, der auf mein Gesicht wartet. Ich finde keinen Ausweg. „Aufmachen. Jetzt, sonst brechen wir die Tür auf." Okay, ruhig. „Komme!" Nur einen Versuch habe ich, der sicher scheitern wird, aber es ist ein Versuch.

Ich gehe zur Tür und öffne das einfache Schloss, das sie ganz sicher allein mit Körperkraft hätten aufbrechen können und blicke nicht länger als nötig zwei Polizisten, einer weiblich, einer männlich, ins Gesicht, sondern renne los und schubse die Beiden zur Seite. Es dauert nur Sekunden, da rennen sie mir schon hinterher und ich fliege förmlich den Treppenflur hinunter. „Mädchen, bleib stehen!" Rufe, wie diese ignoriere ich ganz einfach und stemme mich gegen die schwere, ungeschlossene Eingangstür. In einer anderen Situation hätte mich der Fakt, wie schlecht diese Türen gesichert sind vielleicht erschrocken, aber jetzt habe ich nur Augen für meinen Fluchtweg. Rennend schlänge ich mich an einzelnen Personen vorbei und sprinte in die nächste Straße. Mein Rucksack ruckelt auf meinem Rücken hin und her, meine Arme winkle ich an, um schneller zu rennen. Ich brauche mich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass nur noch einer hinter mir her ist und zwar ziemlich nah an mir. Die Sirenen des Wagens schallen in meinen Ohren und bringen mein Blut zum kochen und meine Angst zum steigen. Als ich den blauen Wagen vor mir halten sehe, weiß ich, dass es vorbei ist und das bestätigt mir die Hand an meinem Ärmel. „Stehen geblieben, Fräulein." Ich versuche meinen Arm loszureißen, aber das lässt der junge Polizist natürlich nicht zu. „Ich bin kein Fräulein.", presse ich hervor und währe mich nur leicht gegen ihn. Er beginnt mich zum Wagen zu zerren. „Lyra Green, du wirst uns auf die Wache begleiten.", sagt er kalt und wir kommen am Auto an. „Und warum das, wenn ich fragen darf?", frage ich zischend und währe mich noch einmal mehr, als er meinen Kopf unter der Tür hindurch ins Auto drückt und mich auf der Rückbank platziert. „Weil du minderjährig bist und eine Vermisstenanzeige vorliegt." Ich starre den Mann an und als er meine Verwirrung sieht, seufzt er leise. „Dein Vater sucht nach dir, Ausreißerin." Die Tür knallt zu und sperrt mich mit meinem Schock und meinem pochenden Herzen hinten im Polizeiauto ein.

Das Spiel Mit Hass Und Liebe |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt