Kapitel 71

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Er wurde angestochen.

Ruhe bewahren, Lyra. Du kannst dich richtig verhalten. Würden meine zitternden Finger und mein rasendes Herz doch nur das gleiche denken.

„Leg dich hin, los!", befehle ich und helfe ihm auf den Boden, während ich meine Jacke ausziehe und mein Handy rauskrame. Als Ashton liegt, suche ich die Stichwunde und drücke den Stoff fest darauf. Wo bleiben James und Ed nur?
Wie ich feststelle ist nur noch James da und der hält sich verdächtig den Arm, als er jetzt auf uns zu kommt.
Ashtons Blick wirkt so trüb, dass mich eine richtige Angst durchfährt. Nicht die Angst, die man hat, wenn sich jemand verletzt oder weil es ihm schlecht geht und man weiß, dass die Person Schmerzen leiden muss. Nein, das was ich fühle, ist Todesangst.
Es ist zu dunkel, um zu sagen, wie tief die Wunde ist und so bleibt mir nicht viel übrig. „Lyra", Ashtons schwache Stimme gefällt mir gar nicht. „Scheiße", das Fluchen von James lässt mich hochgucken. Er hält sich den Arm immer noch. „Ruf einen scheiß Krankenwagen!", mache ich James mit einer bebender Stimme an, der für meinen Geschmack zu wenig panisch ist. „Ich habe ihn nicht mehr gekriegt, war zu schnell." Ed. „Wie schlimm ist es?", fragt Ed, der bei uns ankommt und geht neben mir in die Hocke. Er strahlt eine solche Hitze aus, dass ich mir sicher bin, dass er grade alles gegeben hat, um dem Täter einzuholen.
„Ich habe keine Ahnung! Oder sehe ich Aus wie eine Ärztin?! Jetzt ruf einen Krankenwagen!" James redet mit jemanden und hat sein Handy am Ohr. Ich atme sofort erleichtert aus. „Ist halb so schlimm." Mein Blick fällt sofort zu Ash, der das gesagt hat und mir seine Hand ans Handgelenk legt. „Halt den Mund und komm mir nicht damit." Beide Brüder grinsen doch tatsächlich oder es soll ein Grinsen sein. Ich drücke fester auf den Stoff und somit auch aufs Ashtons Wunde, der aufstöhnt. „Der Krankenwagen kommt, Ed." Jamie schaut zu Ed, der nickt und aufsteht. Der geht einfach weg. In Richtung Kampfplatz. Zwar sind die Kämpfe zu ende, ein paar tummeln sich da aber trotzdem noch rum.

Die Zeit schleicht dahin und es dauert viel zu lange, bis ich endlich die Sirenen hören kann. „Es wird alles gut.", versichert mir James genauso wie Ashton, der vor mir und neben Ashton kniet, der zum Glück noch immer bei Bewusstsein ist und auch noch reden kann. „Bleib einfach wach.", sage ich zu Ashton, der ein heiseres „Mach ich, Baby" rauskriegt.

Dann wird mir schon die Arbeit von drei Sanitätern abgenommen, von denen einer meinen Platz einnimmt und anfangs die Wunde abdrückt. Als sie Ashton dann auf einer Liege haben, merke ich erst, wie sehr ich zittere und das ich voll mit Ashtons Blut bin. „Bist du auch verletzt, Junge?", fragt eine junge Frau James, der ihr den Arm zudreht. „Komm mal mit, der Schnitt muss untersucht werden." James guckt zu mir. „Geh, ich fahr euch hinterher." Die Frau guckt auch zu mir. „Bist du verletzt?" Ich schüttle den Kopf. Es kommt dann doch so, dass James darauf besteht mit mir zu fahren, genau wie Edmond, der wieder aufgetaucht ist und dank meines gekonnten und schnellen Fahrens kommen wir beinahe zeitgleich mit dem Wagen an. Mir gefriert das Blut, als ich mit an sehe, wie Ashton auf einer Trage mit Rollen aus dem Kofferraum in eine Einfahrt gerollt wird. James und ich müssen den Vordereingang nehmen, als wie in den Eingangsbereich kommen, stürmen direkt zwei Schwestern auf uns zu, als klar ist, dass ich und Ed nicht verletzt sind, nehmen sie Jamie mit in einen Behandlungsraum. Ich zittere am ganzen Leib und mein Herz rast in meiner Brust.

Wir folgen Jamie in den Raum, wo er auf eine Liege gesetzt wird und ihm das Shirt einfach aufgeschnitten wird. Sein Arm hat eine Schnittwunde, ziemlich weit oben und mindestens so tief, dass er immer noch blutet. „Alles gut bei dir? Dreh dich ruhig weg.", meint eine Krankenschwester zu mir, aber ich schüttle den Kopf und meine Augen bleiben auf Jamies Arm. Der linke Arm. Wieder albern, aber mir kommt trotzdem meine eigene Verletzung und Narbe vor Augen. Noch eine kleine Gemeinsamkeit, die ich und mein Bruder teilen werden. Eine Narbe am linken Arm. Auch wenn seine um einiges größer und sichtbarer sein wird als meine, die schön versteckt liegt und bis jetzt glaube ich nur von Ashton gesehen wurde, der wohl jeden einzelnen Zentimeter meines Körpers genau kennt. „Du brauchst nicht hier zu bleiben, Lyra. Ruf Dad an und frag nach Ash.", sagt James ziemlich ruhig. Mich streift etwas an meinem Arm, was Eds Hand gewesen sein muss. „Komm mit, Süße. Ich bring dir was zum wechseln und du kannst dich waschen.", schlägt mir die kleine Frau wieder vor und greift nach meiner Hand, die ich wegziehe. „Nicht anfassen, ist nicht so ihr Ding.", erklärt Jamie, bevor ich was zischen könnte. „Ich gehe aufs Klo.", sage ich knapp und gehe eilig aus dem Zimmer raus. Eine Sekunde vor der Tür und ich krame nach meinem Handy, um Dad anzurufen, was gar nicht mehr nötig ist, denn ich höre Harrys laute Stimme aus dem Warteberreich. Dad erblickt mich als erstes und rennt sofort auf mich zu, um mich in den Arm zu schließen und dann an mich herab zu schauen. „Bist du-"
„Nein, ist Ashtons Blut." Die Antwort sollte ihn nicht beruhigen, tut es aber trotzdem, wenn auch nur kurz. „Wo ist er? Hat Harry was heraus gefunden?", frage ich besorgt. „Ashton liegt im OP. Sie können noch nicht viel sagen, aber der Stich scheint nicht zu tief zu sein." Die Auskunft ist so halb gut. „Wo ist James?" Ich zeige auf die Tür etwas den Gang runter, aus der ich grade gekommen bin. „16. Ihm wurde in den linken Arm gestochen. Er brauchte bis jetzt noch keine Infusionen." Dad gibt mir einen Schmatzer auf die Stirn und rennt dann weiter zu dem Raum.

Das Spiel Mit Hass Und Liebe |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt