Lyras Sicht
Das heruntergekommene Motel, in dem ich für die Nacht untergekommen bin, ist ziemlich klein und es muffelt unangenehm, aber es war billig, in irgendeiner Straße verschanzt und ich musste schnellstmöglich von den Straßen runter. Einmal, weil man nach mir suchen wird und sobald mein Vater von meiner Flucht weiß, sind mehr als nur ein paar Bullen hinter mir her, wenn die sich überhaupt bis jetzt für mich interessiert haben. Und zum anderem klebt mir Blut am Kopf, der fürchterlich dröhnt und Übelkeit kommt mir hoch. Sobald ich in dem kleinem braun eingerichteten Zimmer ankomme, renne ich zu der einzigen Tür in diesem Raum und falle vor der Kloschüssel auf die Knie, um das Nudelgericht von heute Mittag auszukotzen. Meine zitternden, kalten Hände umklammern den Klo Rand und ich versuche weder an Ashton noch an die Bakterien zu denken, die hier kleben. Als mein Magen aufhört sich zusammen zu ziehen und mein Essen hoch zu katapultieren, spritze ich mir Wasser ins Gesicht und in den Mund. Als ich nach zwei Minuten immer noch nicht kotzen muss, wasche ich mir das Blut gründlich vom Gesicht und meine Hände mit der harten Seife, die neben dem Waschbecken liegt. Dann watschle zum Bett. Was darauf schon alles passiert ist, will ich ebenfalls nicht wissen. Okay, jetzt musst du denken. Ich muss nachdenken, sonst komme ich nicht weit. 400$, mehr nicht. Mein Geld liegt im Kofferraum. Ich habe auch nichts bei mir, was ich verkaufen könnte, außer mich selbst und so weit gehe nicht mal ich. 35$ kostet eine Nacht hier, ein zwei Nächte sind mir also sicher, wenn ich dann noch genug Geld haben will, um ein Busticket zu kaufen. Wichtig ist, dass ich alles ohne meinen Ausweis mache.
Als meine organisatorischen Probleme aufgeführt und mehr oder weniger gelöst wurden, wechseln meine Gedanken automatisch zu Ashton und stechen mir selbst ins Herz. Er hat mich betrogen, oder hat er Ven betrogen? Nein! Mich. Scheiße, ich habe ihm vertraut und meine Geheimnisse anvertraut und er tut nichts anderes, als das alles mit seinem Fuß zu zertreten und mich zu verscheuchen. Er hat nichts gesagt. Nicht mal die typischen Worte „Ich kann das erklären" oder „Es ist nicht, wie es aussieht". Nichts. Ich war so dumm zu denken, dass das mein Zuhause sein könnte. Dass es Menschen gibt, die sich wirklich um mich sorgen, sich um mich kümmern und mich vielleicht sogar lieb haben. Mann, es waren nur drei Wochen du dummes Kind!
Und dann tue ich etwas, was ich seit Jahren nicht mehr tat. Seit mindestens vier ganzen Jahren habe ich keine Träne mehr vergossen, aber genau das tue ich jetzt. Ich weine mich bitterlich alleine in einem Bett in irgendeinem Motel in den Schlaf.Als ich aufwache ist es hell, mehr weiß ich nicht. Ich weiß weder wo noch wann ich bin. Wenn ich nicht mal weiß, wo ich bin, dann darf es Robin doch auch nicht wissen. Oder? Ich sollte aufstehen, sollte irgendwas tun, hier weg, Insulin besorgen, aber ich tue nichts, wie er. Warum muss ich ausgerechnet jetzt schwach sein? Warum muss ich ausgerechnet jetzt fühlen?
James Sicht
Wir sind die ganze Nacht rumgefahren, konnten aber nichts finden. Nicht irgendwas oder irgendwen, das auf sie und ihren Aufenthaltsort hinweisen würde. Sie hätte einfach nur in den nächsten Bus steigen müssen und wäre weg, das haben natürlich auch Dads Detektive im Sinn und kontrollieren alle Bus und Bahnfahrten, die für sie in Frage kämen. Es ist der schlimmste Tag, den ich seit langem erlebt habe. Müde, aufgelöst und besorgt trotte ich die Treppen hoch zu meinem Zimmer und versuche das leere Zimmer, in dem Lyra liegen sollte und das laute Reden meines Vaters zu ignorieren, der schon das tausendste Gespräch führt. Schon interessant, wie mir dieses arme, freche Mädchen in drei Wochen so sehr ans Herz wachsen konnte und wie sehr es schmerzt, wenn einem die kleine Schwester entrissen wird. Kurz bevor Ashton mich abgesetzt hat, habe ich ihm volle Kanne auf die Nase geschlagen, was er auch richtig verdient hat, aber damit ist keines der wirklich wichtigen Probleme gelöst. Ashton hat nicht viel erzählt, außer, dass er mal mit Ven betrunken geschlafen hat und die jetzt Lyra die Fotos geschickt hat und es geschafft hat, dass sie und er nackt aneinander standen als Lyra kam.
Ich will es nicht, aber ich glaube Ashton. Er mochte Lyra und ich habe ihn noch nie soviel lachen und locker gesehen, wie in der letzten Woche. Und auch, dass er Lyra von sich aus nach dem Spiel vor allen Augen geküsst hat, war was, was er mit keiner seiner Affären je getan hätte. Auch nicht mit seiner Exfreundin. Aber ob er Chaya als seine Exfreundin bezeichnen würde, bezweifle ich stark. Die beiden hatten ein paar Mal Sex oder so und als er es beendete, war Chaya völlig aufgelöst. Anders, als ich es erwartet hätte, wurde sie aber nicht sauer oder verbittert, sondern einfach nur noch schärfer auf ihn und versucht es seitdem immer wieder bei ihm. Das ist vielleicht auch der Grund, warum sie so einen Hass Kick auf Lyra hat. Die Wirkung hat Ashton wohl auf Mädchen. Nur nicht auf Lyra, die ist nicht schärfer auf Ash. Ich kann mir richtig gut vorstellen, wie sie grade jeden, der sie anspricht Beleidigungen an den Kopf wirft und ihr vielleicht auch mal die Hand ausrutscht.Ich schmeiße mich aufs Sofa und verbringe den weiteren Tag einfach nur damit rumzuliegen, nachzudenken, mir Vorwürfe zu machen und nebenbei meine Serie laufen zu lassen. Meine Aufgabe als großer Bruder habe ich sowas von verschissen. Mehr als das. Am Anfang war ich ein richtiger Arsch zu ihr, wir alle waren es. Aber egal, was wir getan haben, sie hat immer zurück gebissen und das nicht nur bei uns. Es muss sie also wirklich getroffen haben, als sie Ashton mit Ven erwischt hat, denn wenn nicht, dann hätte sie ihn einfach beleidigt, wäre zurück gekommen und wäre rennen gegangen. Wir müssen sie finden.
Lyras Sicht
Keine Ahnung wie lange ich schon in diesem Motel liege und nichts tue, aber es ist wieder dunkel und mein Magen meldet sich. Fuck. Die nächsten Stunden ignoriere ich den Hunger und liege nur rum und bemitleide mich selbst und meine Schwäche. Danach wird es langsam aber sicher unangenehm. Mein Magen sehnt sich nach was und auch wenn es lange noch nicht gefährlich ist, tut mein Bauch schon weh. Die Bauchschmerzen in Verbindung mit meinem Herzschmerz führen nur zu einer Sache, Tränen.
Ashtons Sicht
Mein Vater und Rob zwingen uns alle drei ganz normal zur Schule gehen. Es soll niemand was erfahren. Aber die Kirsche oben drauf ist dann, als mich Heidi vor den Augen meines Vaters darum bittet Venelope mitzunehmen. Ein Blick in Vens strahlendes Gesicht und zu Heidis Bauch, in dem, wenn ich Ven Glauben schenken darf ein Bastard wartet, und ich knurre ein Ja. Diese beiden Frauen haben jetzt nicht nur meinen Vater bei den Eiern, sondern auch mich. Nur Ed ist noch frei. Selbst James ist an eine dieser geldgeilen Schlampen gebunden. Aber wenigstens lebt Dilara nicht bei ihm Zuhause.
„Noch nichts von deiner kleinen Freundin gehört, was?", fragt Ven neckend und ich ignoriere sie einfach. Ed ist mit seinem eigenen Auto gefahren, er und James haben mir gestern beide ins Gesicht geschlagen und James hätte mir locker die Nase brechen können, hat er ja schon zweimal bewiesen, aber er hat sich zurückgehalten. Weh tut es trotzdem und geblutet hat es auch. Eds Schlag war da schon etwas fester, aber er hat nur meine Wange getroffen, wollte mir wohl auch nichts brechen. Zwar sind wir im Privaten grade nicht alle auf dem besten Fuß, aber egal was zwischen uns war und ist, in der Schule spielen wir unter fast jeden Umständen eine starke Einheit vor. Heute vielleicht mehr Einheit und weniger stark. Das ist unsere Schule und ich werde die nicht auch noch verlieren, auch wenn sie mir an sich scheiß egal ist. Nur ist keiner von uns dumm. Die Schüler hier sind Lyra nicht alle grade nett gesinnt, besonders Typen wie King und Tussen wie Chaya und Ven nicht und wenn die Wind davon kriegen, dass Lyra weg ist, wird es von Gerüchten nur so schütten. Schwangerschaft, Abtreibung, Flucht wegen Mobbing, Rausgeschmissen wegen Dad, es gibt viel zu viele Möglichkeiten, wie man ihren Ruf weiter zerstören könnte und das wird keiner von uns zulassen.„Bruderherz, rede mit mir.", sagt Ven streng und piekst mir in den Oberarm. „Nimm deine Hand von mir", knurre ich und sie zieht sie lachen weg. „Da ist aber jemand schlecht gelaunt. Hast du schon mit deinem Dad geredet? Der hat doch bestimmt grade auch eine schwere Zeit. Sein süchtiger Sohn und seine verschwundene Patentochter. Da fehlt doch nur noch ein Baby." Meine Hände umklammern das Lenkrad fester. „Nein, ich habe noch nicht mit ihm geredet.", presse ich hervor. „Solltest du aber, wenn du nicht im Gefängnis schmoren willst. Da wirst du das mit deiner Stripperin garantiert nicht gefixt kriegen." Ich schlage keine Frauen, aber wow, sie legt es echt darauf an. „Ich habe gehört, dass Diabetiker innerhalb von Tagen ins Koma fallen können, wenn sie essen und kein Insulin kriegen. Nach Wochen sterben sie dann einen, ich zitiere, qualvollen Tod. Stimmt das?" Stimmt das?
„Halt deine verfickte Fresse, Venelope! Ich rede dann mit meinem Vater, wann ich es für richtig halte!", schreie ich und sie ist kurz leise, dann kichert sie wieder so gehässig. „Wunderbar" Beim Aussteigen macht sie noch einmal ihren Mund auf. „Und Ashton, wenn ich dir was raten darf, fick jemanden mal so richtig durch, du bist etwas gereizt."
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Das Spiel Mit Hass Und Liebe |✔️
RomanceLyra Green hatte keine einfache Vergangenheit. Ihre Mutter versuchte mit kleinen Jobs und zwielichtigen Freunden für ihre Tochter zu sorgen, was mehr oder weniger geklappt hat. Doch als nach dem Tod ihrer Mutter, plötzlich der Multimillionär Robin...