Kapitel 62

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Am nächsten Morgen ist die Tür echt auf und ich bin richtig froh über meine Entscheidung, uns doch noch was anzuziehen. Wir konnten etwas länger schlafen, da Lyra Dienstags und Donnerstags ja erst nach der Schule laufen geht und so konnten wir in der Küche beim Frühstück auf James treffen, der immer etwas komisch ist, wenn ich mit seiner Schwester geschlafen habe. Zu ihr ist er ganz normal, aber mir wirft er immer diese warnenden Blicke zu und ich versuche es ihm nicht übel zu nehmen. Wahrscheinlich würde er sogar jeden Jungen so angucken, der mit seiner Schwester schläft.

Jeder fährt in seinem Auto zur Schule und ich sehe Lyra nur zweimal an dem Tag. Einmal in der Mittagspause von dem Spielertisch aus und dann als sie noch Runden läuft und ich bereits mit meinem zweistündigen Training fertig bin. Wie sich zeigt, ist Lyra die einzige mit Mian, die noch läuft und als ich mich wartend mit James und Ed an das Geländer stelle, beobachte ich, wie sie sich nach einem Rennen, das Mian misst, erschöpft auf den Boden setzt und schließlich sogar ausgestreckt hinlegt. Mian kommt zu ihr und hockt sich neben sie, um ihr die Stoppuhr vor die Nase zu halten und sich dann ein schlappes High Five abzuholen. Die beiden reden noch kurz miteinander, dann rappelt sie sich wieder auf, winkt Main und kommt locker und rot wie eine Tomate auf uns zu gejoggt. „Wie schnell?", fragt James und Lyra kann sich das Grinsen nicht verkneifen, schon bevor sie antwortet. „26 Sekunden, neue Bestzeit und nur noch 4 Sekunden vom Weltrekord.", teilt sie uns allen stolz mit und springt über das Geländer auf unsere Seite. „Krass, wie konnten dich da die Polizisten nur einfangen?", fragt Ed stichelnd und Lyra rempelt ihn strafend an. „Das ist was anderes, wenn da Leute im Weg stehen, Genie.", verteidigt sie sich.
Manchmal gehts ihr etwas schummrig nach dem Training. Das hat sie mir mal nach dem Joggen erzählt, als sie sich für zwei ganze Minuten einfach auf den Boden gelegt hat, genau wie grade eben. Sie sagt es aber nie. Stur eben. Deswegen lege ich ihr auch meine Hand in den Rücken, als sie gefährlich zu schwanken beginnt. Nur so zur Vorsicht. Zu ihrem Glück scheint es kein anderer zu merken.

„Und wann ist dein erstes Wettrennen?", fragt James weiter. „Nächste Woche anscheinend schon. Direkt den Samstag nach eurem Spiel." Lyra fasst mich am unterem Arm, um mir zu verdeutlichen, dass ich die Hand wegziehen soll, aber ich lasse die erstmal da.

„Das wird ein spannendes Wochenende.", kommentiert James. „Und siegreiches.", ergänze ich. „Da wäre ich mir nicht so sicher."

„Natürlich", sagt Ed ganz schnell und lässt Lyra gar keinen Raum zum zweifeln. „Wie auch immer,  ich kann euch dann ja eine Nachricht schreiben, wenn ich gewinne." Da haben wir alle drei was einzuwenden. „Was soll das denn bitte heißen? Wir werden natürlich dabei sein, wenn du gewinnst.", spreche ich schnell dazwischen. „Das ist total übertrieben. Ich bin ganze 26 Sekunden am rennen und dann nur am warten, das kann ich locker allein durchstehen."

„Es führt kein Weg dran vorbei, Schwesterherz. Wir sind alle dabei." Lyra seufzt laut und schließt ihr Auto auf. „Wie wollt ihr denn dahin, wenn ihr weder Zeit noch Ort wisst?", fragt sie noch mit hochgezogener Augenbraue, bevor meine Hand abrutscht, sie ins Auto steigt und losrast. „Ich spreche mal mit Mian.", kündigt Jamie an und dann fahren auch wir vom Parkplatz.

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Heute ist es soweit, heute erreichen uns die Ergebnisse des Vaterschaftstest und dafür hat mein Vater unseren Anwalt angeheuert, der sich grade vor die versammelte Mannschaft stellt und die Dokumente aus seiner Tasche kramt. Zu dieser besagten Mannschaft gehören Ven und Heidi, die sich bestimmt nicht umsonst in der Nähe der Tür positioniert haben, Ed, ich und Dad, der bereits Alkohol besorgt hat. Ich stehe hinter Ed, der auf einem Sessel ruht und halte es kaum aus, wie langsam dieser kleine Typ im braunen Anzug die Zettel vorbereitet. Warum überhaupt so einen großen Terz dafür, dass wir herausfinden, dass Heidi meinen Vater betrogen und uns alle angelogen hat? Der Anwalt räuspert sich und alle Augen, die sowieso schon auf ihm lagen, fixieren ihn weiter. „Das Ganze wird nicht lange dauern. Ich habe hier die Ergebnisse des Vaterschaftstestes von Heidi Miller und dem potentiellen Vater Harry Archer." Er hält sich den bestimmten Zettel vor die Nase und lässt seine Augen über das Geschriebene streifen. „Laut diesem Papier, sind Sie Harry Archer..." Die Zeit verlangsamt sich und es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, bis er es endlich ausspricht. „...der leibliche Vater des ungeborenen Kindes."

Das Spiel Mit Hass Und Liebe |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt