Kapitel 72

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Am Morgen, also so drei Stunden später, weckt mich Harry, der eigentlich nur durch die Tür kommt. Ich stehe dennoch auf und begrüße ihn mit einem schläfrigen „Morgen". Er teilt mir mit, dass gleich eine Krankenschwester kommen wird und Dad wohl gesagt hat, dass ich ihn oder Steven anrufen soll, wenn ich abgeholt werden will. Wozu ich mich dann auch entscheide.
"Ich schaue später nochmal vorbei.", sage ich Harry, bevor ich Ashtons Zimmer mit einen letzten Blick auf meinen schlafenden Freund, verlasse.

Seufzend lasse ich mich in den Rücksitz fallen und von Steven nach Hause fahren, wo es absolut still ist. Sowohl Jamie als auch Dad schlafen wahrscheinlich noch und ich werde es ihnen gleich tun, doch erst nehme ich eine warme, erholende Dusche und streife mir gemütliche Kleidung drüber. Mein blutbefleckte Kleidung kommt in den Müll.
Obwohl noch immer viel in mir vor geht, schlafe ich in null Komma nichts ein, doch der Schlaf ist nicht so erholsam, wie ich es mit gewünscht hatte. Ganze drei Mal erwache ich aus meinem Schlaf. Alle drei Male war ein schrecklicher Traum schuld. Ein Traum in dem es um Ashton ging, aber nicht nur ihn. Es war eine wilde Zusammenwürfelei aus prägenden Ereignissen aus meinem Leben. Schlechte, prägende Ereignisse natürlich.

Erst am frühen Nachmittag wache ich endgültig auf und fahre zusammen mit Dad und Jamie ins Krankenhaus, wo Ash uns mitteilt, dass er schon morgen entlassen wird. Meine Albträume beschließe ich ganz einfach zu ignorieren. Halb so schlimm.
Diese Nacht übernachte ich nicht bei ihm und wir sehen uns erst wieder, als er bereits Zuhause ist und ich von der Schule komme.
Ashton und ich unternehmen natürlich nichts und liegen eigentlich nur nebeneinander. Wirklich, wir liegen nur da, gucken TV und kuscheln, reden oder essen. Am Dienstag besuche ich ihn erst nach dem Training.
Beide Nächte sind der davor haargenau gleich. Dank Albträumen kriege ich insgesamt grade mal 3 1/2 Stunden Schlaf je Nacht. Glücklicher Weise wache ich immer auf. Ich hatte schon lange keine Albträume mehr, früher war das mal regelmäßiger und dank meiner Mum weiß ich, dass ich auch wenn ich wild träume gerne mal im Schlaf rede. Ob das jetzt wieder so ist, kann ich nicht sagen. Ich schlief die letzten Nächte immer alleine und werde dafür sorgen, dass das auch erstmal noch so bleibt.

„Ashton, halt still.", meckere ich ihn an und ziehe seine Hand wieder auf meinen Schoß. „Was machst du da überhaupt?", fragt er und schaut zu mir runter, dabei muss er wissen, was ich da mache. Er ist ja nicht blind. „Ich übe an deinen Fingernägeln.", antworte ich konzentriert. „Kannst du das nicht an dir selbst üben?"

„Nein, ich kann ja nicht mit hässlichen Nägeln rumlaufen." Als er auflacht, wackelt seine Hand, dabei rutsche ich mit dem Pinsel ab und male ihm einen fetten, schwarzen Strich neben den Nagel des Zeigefingers. „Jetzt guck, was du gemacht hast!" Ich krame nach einem Wattestäbchen und versuche den Lack, so gut es geht wegzuwischen, aber ein wenig bleibt trotzdem zurück. „Ed wird sich das Maul über meine Nägel zerreißen.", murmelt er mit Blick auf unsere Hände. „Soll er doch. Das ist nur nh fucking Farbe. Und jetzt halt still oder die andere Hand wird Pink.", drohe ich, aber Ashton achtet gar nicht auf meine Worte, indem er mich an meinem Handgelenk aus dem Schneidersitz nach vorne zu ihm zieht. Mit einem überraschten Fiepsen kann ich mich grade so noch an den Seiten abstützen und verhindern, dass mein Körper auf seinem Bauch landet. „Was soll das?", zische ich ihn böse an. „Ich will was machen. Nägel lackieren kannst du mir, wenn ich schlafe."

„Du sollst eine Woche im Bett bleiben, Ash.", erinnere ich mit einem etwas weicherem Ton, was nicht heißt, dass ich nicht bereit bin wieder meine harsche Stimme rauszuholen. „Wie haben mitten am Tag! Ich habe mich seit ich gestern hier angekommen bin nicht aus meinen Zimmer bewegt!" Ich schließe das Nagellackglas und setze mich zurück auf seine Oberschenkel. „Glaube ich dir nicht.", sage ich stur. „Nein? Frag Edmond. Ich war nur am schlafen, außer als du da warst. Da draußen wartet außerdem eine mittleidige Venelope, die angeblich total besorgt um mich ist." Ich habe Venelope nur im Krankenhaus einmal zu Gesicht gekriegt, wo sie trotz allem, was passiert ist, noch immer die Rolle der unschuldigen Tochter spielt und Ashton am Hals hing. Bei dem Anblick kriege ich noch immer Übelkeit und Gänsehaut, aber es regt mich nicht mehr so auf, weil ich Ashton vertraue. „Und wenn, du musst in deinem Bett bleiben. Und da du nicht lesen willst." Ich habe Ashton eine riesen Auswahl an Büchern vorgetragen, die er alle abgetan hat, dabei waren das richtige Klassier oder welche der neusten und spannendsten Werke. „Ich kein Football schauen will. Du dir nicht die Nägel lackieren willst. Und ich keine Videospiele spielen will oder dich hier raus lasse, bleibt eigentlich nichts mehr übrig, was wir tun könnten." Ashton winkelt die Beine an, was mich seine Schenkel runterrutschen lässt. Ich lande auf seinem Unterbauch und stütze mich sofort wieder neben ihm auf dem Bett ab, um ja nicht an seine Wunde zu kommen. „Eine Sache können wir machen." Seine hochgezogenen Augenbrauen und das Grinsen verraten mir natürlich sofort, was ihm da vorschwebt. „Nein. Erstens, du musst dich dabei bewegen. Zweitens, wir können es nicht einfach immer treiben, wenn uns nichts besseres einfällt."

Das Spiel Mit Hass Und Liebe |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt