Kapitel 9

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Fünf Wochen später ist es soweit: die siebte Klasse ist vorbei und die Sommerferien stehen vor der Tür. Zudem stehen mir meine letzten Tage im Heim bevor. Nach ewigem hin und her überlegen und Gedanken machen, habe ich schlussendlich doch begriffen, dass Jakob und Elisabeth eine einmalige Chance sind und ich diese auch wahrnehmen sollte. Das Haus von ihnen durfte ich bereits in Begleitung eines Betreuers anschauen und nachdem mir alles ganz akzeptabel vorgekommen ist, habe ich dem Ganzen zugestimmt.

„Hey! Komm, ich nehme deine Tasche!" Jakob begrüßt mich im Foyer des Heims und greift lächelnd nach dem Gepäckstück in meiner Hand. Ich schaue mich neugierig, aber dennoch schüchtern um. „Elisabeth ist zuhause und kocht. Dann kannst du direkt etwas essen" erklärt er mit einem Zwinkern. Ich nicke leicht und Knete unsicher meine Hände. Meine Betreuerin steuert direkt auf mich zu. „Mensch, kaum bist du hier, verlässt du uns auch schon wieder!" sie lächelt etwas traurig, zieht mich dennoch direkt in eine Umarmung. Ich erwiderte diese etwas unsicher und fahre mir durch die Haare, als sie mich wieder los lässt. „Ich freue mich wahnsinnig für dich! Auch wenn du uns mit deinem weglaufen ziemliche Bauchschmerzen bereitet hast. Nicht viele Kinder hier haben das Glück, eine neue Familien zu finden" sie knufft mich sanft in die Seite. „Danke!" entgegne ich und lasse zu, wie sie mir ein letztes Mal über den Rücken streichelt, ehe sie mich nach draußen in die Sonne begleitet. Direkt vor der Tür steht das Auto von Jakob. „Dann wünsche ich euch eine gute Fahrt - und melde dich zwischendurch mal oder komme vorbei!" bittet meine Betreuerin mich. „Ich versuche es" Lüge ich und gehe auf das Auto zu. Wenig später fahren wir vom Hof und ich schaue ein letztes Mal zurück auf das graue, triste Gebäude. Und auf die kleine, rundliche Frau davor, die fleißig am winken ist. „Alles okay?" fragt Jakob höflich und schaut zu mir rüber. Ich nicke und betrachte den Innenraum des Autos. „Ich hoffe du magst Bruschetta? Elisabeth macht die beste in ganz Köln!" lobt er und wieder nicke ich. Eigentlich habe ich gar keinen Hunger, aber ich weiß die Bemühungen und die Entscheidung mich aufzunehmen so sehr zu schätzen, dass ich mir nichts anmerken lasse. „Wir haben die Möbel in deinem Zimmer schon mal aufgebaut... aber du kannst natürlich noch alles verschieben wie du willst. Wir haben die Möbel alle in weiß und grau gewählt... dann kannst du mit deiner Deko selber Farben setzen. Wir hoffen, das war okay" erzählt er weiter. „Natürlich. Danke. Für alles" krächze ich leicht und schaue aus dem Fenster. Ehrlich gesagt kann ich noch gar nicht so richtig glauben, was gerade passiert. Und je länger ich über mein Leben in den letzten Monaten nachdenke, desto weniger kann ich ALLES glauben. Ich erinnere mich an alles wie durch einen weißen Schleier. Gestern noch saß ich mit meinen Eltern am Frühstückstisch und bin mit gepackten Rucksack in die Schule und wieder zurück. Die Zeit zwischen dem letzten gemeinsamen Frühstück und heute ist komplett verschwommen. Es fühlt sich so falsch an. Plötzlich halten wir vor einem Haus. Es ist das Haus, in dem ich vor wenigen Tagen bereits war. „So. Da wären wir" verkündet Jakob, schnallt sich ab und steigt aus. Ich folge ihm mit einem flauen Gefühl im Magen. Wieder trägt er meine riesige Tasche und stellt sie im Flur ab, um die Türe hinter mir zu schließen. Ich muss zugeben: es riecht unwahrscheinlich gut nach essen. „Hey Schatz! Wir sind da" ruft Jakob zum anderen Ende des Fluren und nimmt mir meine Jacke ab. „Lass deine Schuhe ruhig stehen" sagt er nur und geht mir voraus in die Küche. „Hey! Hallo Emilia! Na, alles gut? Kann ich dir etwas anbieten?" fragt Elisabeth, als ich hinter Jakob eintrete und strahlt mich an. „Nein danke... im Moment nicht" nuschel ich und schaue mich um, als wäre ich zum ersten Mal hier. Das Wohnzimmer grenzt direkt an die Küche und das Esszimmer an. Es ist sehr hell und gemütlich eingerichtet. So gemütlich, dass ich mich eventuell sogar damit anfreunden könnte.  

„Sollen wir mal hoch in dein Zimmer gehen? Dann kannst du in Ruhe einrichten und auspacken

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„Sollen wir mal hoch in dein Zimmer gehen? Dann kannst du in Ruhe einrichten und auspacken..." schlägt Jakob vor. „Okay". Ich gehe ihm voraus, um dieses Mal meine Tasche selber zu tragen und schleppe sie hinter ihm die moderne Treppe aus grauen Fliesen nach oben ins Dachgeschoss. Allgemein ist das Haus sehr hell und modern - es muss maximal um die fünf Jahre alt sein. Die Fliesen setzen sich auch oben fort, wobei diese etwas heller sind und mit einem leichten Lächeln auf den Lippen betrachte ich die Fenster direkt über meinem Bett: so kann ich immer die Sterne sehen, bevor ich einschlafe. Eigentlich stehen alle Möbel bereits perfekt da: neben dem Bett ist ein großer Kleiderschrank, den ich auf keinen Fall mit meinen aktuellen Klamotten gefüllt bekomme, ein weicher Teppich ist in der Mitte des Raumes und neben dem Bett sind Nachttische aufgebaut. Wie bereits von Jakob angekündigt, ist das Zimmer bisher noch relativ schlicht, wobei sich Elisabeth scheinbar doch die Mühe gemacht hat und bereits ein bisschen Dekoration beigesteuert hat.

 Wie bereits von Jakob angekündigt, ist das Zimmer bisher noch relativ schlicht, wobei sich Elisabeth scheinbar doch die Mühe gemacht hat und bereits ein bisschen Dekoration beigesteuert hat

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„Ich würde sagen, ich lasse dich mal in Ruhe auspacken... wenn was ist, melde dich. Das Essen müsste auch bald fertig sein" verkündet Jakob und ich nicke. Er dreht sich um, verlässt den Raum wieder und schließt hinter sich die Tür. Lächelnd lasse ich mich auf das weiche Bett sinken und überlege, womit ich anfangen soll. Am besten mit dem Kleiderschrank. Ich Knie mich zu meiner Tasche auf den Boden und fange an, meine Klamotten zu sortieren, bis ich die Türklingel im Flur hören kann. Ich öffne meine Zimmertür einen Spalt und lausche, wie Elisabeth in den Flur hastet und fir Tür öffnet. Es scheint Besuch zu sein. Jemanden, den sie kennen. Zumindest begrüßen sie sich freudig und ich kann hören, wie der Besuch das Haus betritt. Aber irgendwie kommt mir die Stimme des Besuches bekannt vor. Aus Neugier räume ich schnell meine Sachen fertig ein, dann schleiche ich die Treppe wieder nach unten und bleibe wie angewurzelt in der Tür stehen, als ich sehe, wer da mit Elisabeth und Jakob in der Küche steht.

Herztöne (3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt