Kapitel 48

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„Alles okay?" lacht Frederik, als es mich am Abend auf der letzten Abfahrt zum gefühlt tausendsten Mal mit den Rücken Talwärts in den Schnee legt. Ich schnappe schmerzerfüllt nach Luft, nicke aber. „Komm, lass uns zurück und schnell was zu essen machen - ich sterbe vor Hunger!" er streckt mir die Hand entgegen, um mir hoch zu helfen. Ich lasse mich von ihm hochziehen und klopfe mir den Schnee von den Klamotten. „Alles gut?" fragt er noch einmal, ich nicke aber wieder und hole tief Luft. „Es macht so viel Spaß! Aber an die Stürze muss ich mich noch gewöhnen!" lächle ich schwach und setze mir meine Brille wieder auf. Er wartet, bis ich ihm voraus losgefahren bin und folgt mir dann. Erschöpft sind wir etwa eine Dreiviertelstunde später wieder vor unserer Hütte. „Fast zwei Wochen kannst du jetzt üben" zwinkert Frederik und bringt unsere Skisachen in den Keller. „Ja. Die werde ich wohl auch brauchen. Und danach eine Reha" Murmel ich und helfe ihm. „Ich würde mal noch schnell einkaufen gehen... willst du mitkommen oder lieber hier bleiben?" „ich würde gerne mit... aber ich habe das Gefühl, mich absolut nicht mehr bewegen zu können" stöhne ich und folge ihm ins Wohnzimmer. „Kein Problem. Bleibe ruhig hier. Auf was hast du heute Abend Lust?" „hm... Pasta!" grinse ich verschmitzt und streiche mir eine Strähne aus dem Gesicht hinters Ohr. „Wird gemacht! Sonst noch wünsche?" fragt er weiter, aber ich schüttle den Kopf. „Okay... dann bis gleich" er dreht sich um und verschwindet. Ich gehe die Treppe nach oben ins Schlafzimmer, hole mir eine Jogginghose aus meiner Tasche und einen Hoodie, sowieso frische Unterwäsche und mache mich auf den Weg zur Dusche. Als ich fertig mit allem bin, beschließe ich Elisabeth und Paul anzurufen und ihnen eine kurze Lagemeldung zu geben. Und kaum habe ich aufgelegt, höre ich Frederik unten im Flur. „Oh, du warst schon duschen. Hast du es gut!" seufzte Frederik, während wir die Einkäufe verräumen. „Es tat auch richtig gut!" bestätige ich leicht nickend und ziehe mir die Ärmel ein Stück weit über die Hände. „Ich gehe auch schnell... dann können wir kochen" verkündet er. Ich nicke, jedoch fange ich schon mal an die Nudeln zu kochen, während er oben ist - ich sterbe nämlich genauso vor Hunger. „Oh, vielen Dank! Heute gibt es Spaghetti mit Trüffel in einer Parmesan-Sahnesauce. Schon mal gegessen?" fragt er, aber ich schüttle den Kopf. „Echt jetzt?!" er klingt, als hätte ich ihm gesagt, dass ich zum ersten Mal auf dieser Welt bin. „Ja... tut mir leid!" nuschel ich etwas beschämt und schaue ihm zu, wie er alle Zutaten aus dem Kühlschrank holt. „Du wirst es lieben!" verspricht er mir und fängt an zu kochen. Und tatsächlich muss ich gestehen, dass es eine der köstlichsten Sachen ist, die ich bisher je gegessen habe! „Puh. Jetzt kann ich nur noch rollen!" stöhne ich, als wir es uns auf dem Sofa bequem machen und rolle mich erschlagen zusammen. „Das ist nicht schlimm. So muss es sein" Frederik greift nach der Fernbedienung und macht uns vom anderen Ende des Sofas aus einen Film an. Erst jetzt merke ich, wie kräftezehrend der Tag war. Bereits nach zwanzig Minuten schauen muss ich dagegen ankämpfen, dass meine Augen nicht einfach zu fallen, muss dem Drang jedoch irgendwann einfach nachgeben. Den Rest des Abends bekomme ich nicht mehr mit.

Zwei Tage später stoßen Paul, Anna und Elisabeth zu uns. Und da nach zwei Tagen Snowboard fahren meine Beine total erschöpft sind, nutzen wir den Tag, um Pause zu machen und die drei zu empfangen. Gegen Nachmittag kommen sie an - erst Elisabeth, etwa eineinhalb Stunden später Paul und Anna. „Wow, ist das schön hier!" schwärmt Elisabeth wie ich es bereits bei der Ankunft getan habe und läuft durch die Räume. „Ihr müsst später nur noch ausmachen, wer wo schläft" mischt Frederik sich ein. „Wo schläfst du denn? Schlafen wir nicht zusammen in einem Zimmer?" fragt Elisabeth mich verwundert und ich merke, wie ich rot werde. Dass ich schon lange nicht mehr alleine in meinem Bett schlafe, habe ich ihr bisher immer erfolgreich verschwiegen - weil ich weiß, welche Kommentare und Anspielungen sonst gekommen wären. „Nein... ich... schlafe woanders" „sie schläft bei mir" verkündet Frederik kurz und schmerzlos und ich sehe, wie es kurz bei Elisabeth rattert, dann bekommt sie große Augen und ihr Mund öffnet sich leicht. „Oh... OOOOH!... ja klar... verstehe!" sie fängt an zu grinsen und zwinkert mir zu. Ich werde noch roter. „Nicht wie du denkst!" fauche ich so leise in ihre Richtung, dass nur sie es hören kann. Sie wackelt zweideutig mit den Augenbrauen, sodass ich schnaube. Frederik wechselt schnell das Thema, da er doch zu merken scheint, was er soeben ausgelöst hat. Sehnsüchtig warte ich auf die Ankunft von Paul. Bevor wir ihn überhaupt richtig begrüßen können, zieht er Elisabeth mit den Worten ‚können wir kurz reden?' zur Seite. Er sieht dabei sehr ernst und auch etwas ängstlich, beziehungsweise verärgert aus. „Was hat er?" frage ich Anna und Frederik, jedoch zucken beide nur mit den Schultern. „Er ist den ganzen Tag schon so komisch" erklärt Anna und schaut sich um. „Vielleicht ist was mit der Arbeit oder so..." Frederik lächelt mir aufmunternd zu, aber ich sehe, dass auch er plötzlich besorgt ist. „Du weißt doch was...!" ich schaue ihn eindringlich an. „Nein. Ich weiß nichts. Wirklich!" beteuert er und hebt unschuldig die Hände, dennoch sehe ich nach wie vor, dass er zumindest einen Verdacht hat - auch wenn er diesen nicht aussprechen will. „Wie waren eure ersten Tage hier?" fragt Anna ruhig und kommt zu uns zurück. „Lass dir das von Emilia erzählen" zwinkert Frederik und geht Elisabeth und Paul hinterher. Verdutzt schaue ich ihm nach, erzähle Anna dann aber vom Snowboard fahren.

Herztöne (3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt