Kapitel 34

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„Okay... ich würde sagen, wir lassen das jetzt beide erst mal sacken... es ist spät und du solltest etwas schlafen. Willst du wieder hier bleiben? Das Bett scheint es dir ja angetan zu haben" er zwinkert und steht auf. Ich lächle schwach und nicke. „Danke. Das ist sehr nett von dir und das obwohl wir uns eigentlich gar nicht kennen..." antworte ich. „Alles gut. Dann komm mal mit" er geht mir voraus die Treppe hoch, stellt mir noch ein Glas Wasser auf den Nachttisch, macht die Rollladen vor dem Fenster runter und bringt mir noch ein Shirt von sich zum schlafen. „Wenn was ist: letzte Tür auf der linken Seite" verkündet er von der Tür aus und ich nicke leicht schniefend. „Okay". Er verschwindet und schließt die Tür hinter sich. Ich bleibe auf der Bettkante sitzen, atme tief den Fremden und doch bekannten Geruch der frischen Bettwäsche ein, während ich das Shirt in meinen Händen halte. Hier sitze ich also mal wieder. Wenn Elisabeth und Jakob wüssten, wie oft ich jetzt schon nachts weg war, ohne dass sie es wissen. Soll ich Paul schreiben, dass ich hier bin? Vielleicht wäre es besser. Ich hole mein Handy raus und tippe eine kurze Nachricht ein, dann ziehe ich mich um und Kuschel mich unter die Bettdecke. Ich lausche den fremden Geräuschen im Haus, bis es mucksmäuschenstill ist. Ich schließe meine Augen und versuche mich nur auf meinen Atem zu konzentrieren, damit ich es schaffe einzuschlafen. Gelingen tut es mir jedoch erst in den frühen Morgenstunden.

Als ich wieder aufwache und auf mein Handy schaue, muss ich mich zusammenreißen, um nicht zu weinen. Die Erinnerungen und meine ganzen Gedanken kommen wieder zurück. Zudem hat Paul mir geantwortet, dass ich ihm bitte sagen soll, was aktuell los mit mir ist und wie es dazu kommt, dass ich erneut bei Frederik bin. Ich ignoriere seine Nachricht, lege mein Handy wieder zur Seite, rolle mich so klein es geht zusammen und schluchze vor mich hin. Als mein Kopfkissen in Tränen getränkt ist, drehe ich mich auf die andere Seite und mache dort weiter. Nach etwa einer halben Stunde klopft es an der Tür. „Ja?" schniefe ich, ohne mich zur Tür zu drehen. „Hey... Guten Morgen... tut mir leid, ich habe dich weinen gehört... kann ich dir was gutes tun?" fragt Frederik vorsichtig, aber ich schüttle den Kopf, ohne zu wissen, ob er es überhaupt in der Dunkelheit sieht. „Soll ich jemandem Bescheid sagen, dass du hier bist?" fragt er weiter. „Paul weiß Bescheid" schluchze ich als Antwort. „Möchtest du über etwas reden?... oder... willst du etwas essen? Duschen? Wir sollten später auf jeden Fall ins Krankenhaus, um..." fängt er an, aber ich sitze mit einem Mal senkrecht im Bett. „NEIN! Kein Krankenhaus!" rufe ich entsetzt. „Es wäre aber wirklich besser! Wir müssen das dokumentieren lassen... damit falls du eine Anzeige machen willst oder so... egal wann... auch in ein paar Jahren... es ist wichtig!" fleht Frederik sichtlich überfordert und kommt ein paar Schritte aufs Bett zu. Ich lasse mich wieder nach hinten fallen und weine weiter. „Die Kollegen in der Gynäkologie sind wirklich nett! Es tut auch nicht weh, keiner wird blöd schauen oder fragen stellen. Nur eine kurze Untersuchung" Frederik setzt sich auf die Bettkante und knipst mein Nachtlicht an. Ich ziehe mir die Decke über den Kopf, da ich nicht will, dass er mich mit so einem verschwollenem Gesicht sieht. „Hey... es wird alles wieder gut werden! Sag mir... wie oft ist es vorgekommen?" er versucht die Decke weg zu ziehen, aber ich umklammere sie mit aller kraft. „Drei mal" schniefe ich nur erstickt und versuche ruhig ein und auszuatmen. „Okay. Dann bitte bitte lasse zumindest dieses letzte mal irgendwo festhalten, damit du sicher bist" bittet er mich erneut. „Warum warst du nach der Hochzeit immer so unfreundlich und dann plötzlich wieder nett?" frage ich vorsichtig und nehme die Decke wieder von meinem Gesicht. „Hm... auf der Hochzeit war ich einfach nur überrascht, dich wiederzusehen. Außerdem hättest du nicht mit mir getanzt, wenn ich unhöflich gewesen wäre, oder?" Er zwinkert. „Vermutlich nicht" lächle ich schwach. „Aber ich habe dich ja damals schon darauf angesprochen gehabt... auf deinen Vater. Nur dass du versucht hast, es runter zu spielen. Naja... aber man hat von außen gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Ich meine bei den späteren treffen. Du warst anders. Und immer wenn ich dich auf deinen ‚Vater' angesprochen habe, bist du mir ausgewichen" „Ja, weil du mich mit deinen unfreundlichen Blicken abgeschreckt hast!" verteidige ich mich. „Hm. Ich wollte, dass du spürst, dass jemand hinter deinem Geheimnis her ist. Anderenfalls hättest du vielleicht nie was gesagt" „Ja das habe ich gemerkt. Aber das hat es nicht besser gemacht" ich wische mir die Tränen weg. „Tut mir leid! Komm, du stehst jetzt auf, isst was und dann fahren wir ins Krankenhaus" er steht vom Bett auf und geht zur Tür. „Frederik?" rufe ich ihm hinterher und setze mich auf. „Hm?" „Ich danke dir von ganzem Herzen! Dass du mich einfach so hier aufnimmst. Und dass du mir damals schon geholfen hast!" ich werde rot, aber er ignoriert es. „Kein Problem. Ich habe dir ein paar Sachen ins Bad gelegt". Mit diesen Worten verlässt er das Zimmer wieder und verschwindet die Treppen runter. Ich bleibe noch kurz liegen und versuche meine Gedanken weiter zu sortieren, dann mache ich, was er mir sagt. Im Badezimmer liegt ein frisches Shirt von ihm und ein Handtuch über dem Badewannenrand. Mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen ziehe ich mich aus und stelle mich unter die Dusche. Als ich zu ihm nach unten in die Küche komme, steht Frederik mit seinem Handy in der einen und einer Tasse Kaffee in der anderen Hand gehen die Küchentheke gelehnt. „Ich bin fertig" verkünde ich unsicher und Knete nervös meine Hände vor meinem Bauch. Frederik schaut kurz auf und als er mich in seinem Shirt sieht, muss er grinsen. „Na dann. Hast du Hunger?" fragt er, aber ich schüttle den Kopf. „Okay. Dann lass uns direkt los" seufzt er, schiebt sich sein Handy zurück in die Hosentasche, trinkt die Tasse auf Ex leer und geht mir voraus in den Flur. „Ich bin privat versichert... über meine Eltern... wenn Elisabeth und Jakob raus finden, dass ich schon wieder im Krankenhaus war, ohne ihnen etwas zu sagen... das gibt mächtig Ärger!" nuschel ich irgendwann gedankenverloren, als wir an einer Ampel stehen. „Das ist egal. Die Untersuchung ist wichtiger" entgegnet Frederik nur. Ich nicke machtlos und starre aus dem Fenster.

Herztöne (3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt