Abends klopf es an meiner Tür. „NEIN!" schreie ich panisch und sitze mit einem Mal senkrecht im Bett - die Decke schützend vor mir. „Emilia? Ich wollte nur schauen, wie es dir geht" Elisabeth kommt mit Tränen in den Augen rein. Ich spüre Erleichterung in mir aufsteigen. Es ist nicht Jakob, sondern nur Elisabeth. „Es tut mir so leid! Ich wünschte wirklich, du hättest deine Eltern noch mal getroffen! Ich will nur dass du weißt, dass wir immer für dich da sind, hörst du? Wir haben dich beide wahnsinnig lieb und werden weiterhin versuchen, dir nur das beste zu ermöglichen!" sie setzt sich auf meine Bettkante und greift nach meiner Hand. „Danke!" schluchze ich, auch wenn ich nicht weiß, ob wegen meinen Eltern oder wegen Jakob. Zu gerne würde ich alles erzählen, aber ich habe Angst vor Jakob und zudem schäme ich mich sehr für das alles. „Sie haben dich geliebt, das weiß ich. Und ich weiß auch, dass sie immer nur das beste für dich wollten!" fährt sie fort. Ich nicke schwach und lege mich wieder hin. „Kann ich dir etwas gutes tun? Hast du Hunger? Sollen wir einen Film schauen? Oder möchtest du in die Badewanne? Oder..." „Badewanne wäre glaube ich okay" flüstere ich mit heisserer Stimme. „Gerne. Ich bereite dir alles vor" sie wischt sich mit dem Ärmel ihres Pullovers über die Augen und verlässt mein Zimmer dann wieder. „Ist Jakob da?" frage ich möglichst beiläufig, als ich mit frischen Klamotten unterm Arm zu Elisabeth ins Badezimmer komme, auch wenn er mir ja bereits gesagt hat, dass er sich frei genommen hat. „Nein, er hat sich heute frei genommen... ihn hat die Nachricht auch ziemlich erschüttert" antwortet sie mir. Ich nicke kurz und knapp und schaue zu, wie das Wasser in die Wanne läuft. „Ich hole dir noch Badeschaum" verkündet sie und geht in ihr Schlafzimmer. „Danke... mehr brauche ich nicht" sage ich, als sie mir eine Flasche reicht. „Okay. Dann bis später" sie legt ihre Hände um meine Wangen und küsst mich auf die Haare. „Wir sind immer für dich da. Hier bist du sicher" flüstert sie und verschwindet dann. Oh, wenn sie nur wüsste. In diesem Haus ist spätestens seit heute gar nichts mehr sicher! Und deshalb schließe ich auch leise die Türe ab, als ihre Schritte die Treppe nach unten verschwunden sind. Ich ziehe mich schnell aus und steige in das angenehm warme Wasser. Ich lehne mich zurück und schließe meine Augen. Immer wieder versuche ich mir einzureden, nicht an meine Eltern zu denken. Natürlich gelingt es mir nicht und ich weine weiterhin vor mich hin. Und das ändert sich auf den Rest des Tages nicht mehr. Auch als ich im Bett liege, sind die Tränen noch nicht verschwunden. Ich rolle mich wieder so klein es geht zusammen und versuche den inneren Schmerz zu ignorieren. Auch wenn das nicht gelingen will. Irgendwann falle ich in einen unruhigen, leichten Schlaf.
Insgesamt könnten meine Ferien nicht schlimmer verlaufen: die Beerdigung meiner Eltern findet statt, nachdem auch der Pathologe noch mal bestätigt hat, dass es sich ganz sicher um meine Eltern handelt und den Rest der Zeit vergrabe ich mich in meinem Zimmer, um wie ein Häufchen elend vor mich hin zu vegetieren. Paul kommt ab und zu mit Schokolade und einer Tasse Kakao in meinem Zimmer vorbei, aber nicht einmal er schafft es, mir Mut zu machen. Sobald Elisabeth mal einkaufen oder in ihrem Studio ist, schließe ich mich ein und sitze wie versteinert direkt hinter der Tür, um auf alles gefasst zu sein. Trotzdem versuche ich meine Angst sowohl vor Elisabeth, als auch vor Paul zu verstecken. Und wenn ich es richtig mitbekomme, ahnen die beiden auch nicht, was los ist.
Weihnachten verbringen wir mit Paul und Anna (Elisbeth hat in die Wege geleitet, dass die beiden vorbei kommen, da sie komplett verzweifelt ist und nicht wusste, wie sie mich sonst aus dem Zimmer bekommen soll) und den Jahreswechsel komplett alleine. Jakob muss zum Glück arbeiten und somit schaue ich mir das Feuerwerk mit Elisabeth alleine vom Balkon aus an. „Jetzt sind schon wieder fast zwei Wochen um" stellt sie leise fest, während wir in den Himmel schauen, um die bunten Lichter zu beobachten. Ich nicke leicht. „Komm her" sie breitet ihre Arme aus und mit einem leichten Lächeln Kuschel ich mich an sie. Ich habe Elisabeth mittlerweile wirklich sehr gerne und würde ihr fast alles anvertrauen. Nur eben das mit ihrem Mann nicht. Während sie mich festhält und ich mich an sie lehne, beobachten wir weiter das Feuerwerk in der Ferne. „Ich wünsche dir sehr, dass das kommende Jahr richtig gut für dich wird... dass alle deine Wünsche in Erfüllung gehen und du wieder zu dir selber findest" flüstert sie leise in mein Ohr. Ich schließe lächelnd meine Augen und genieße die Nähe zu ihr. „Du bist nämlich ein ganz toller Mensch in den letzten drei Jahren geworden! So erwachsen und selbstständig... mit einem beneidenswerten Charakter!" fährt sie fort. „danke!" meine Stimme ist belegt und zittert leicht, da ich es mir verkneifen muss zu weinen. „Komm, lass uns rein gehen. Es wird ganz schön kalt!" stellt Elisabeth fröstelnd gegen 00.30 Uhr fest und verschwindet. Ich bleibe noch kurz stehen und spreche ein Gebet zum Himmel, dann folge ich ihr, mache mich aber auch ziemlich direkt fertig fürs Bett.Ich schlafe zum Glück ziemlich schnell ein, werde aber nachts davon wach, als jemand mein Zimmer betritt und die Tür hinter sich schließt, beziehungsweise abschließt. Verschlafen versuche ich in der Dunkelheit etwas zu erkennen, aber meine Augen wollen vor lauter Müdigkeit nicht richtig auf gehen. Die Person schleicht kurz durch mein Zimmer, dann kommt sie auf mich zu. Ich erkenne die Gestalt von Jakob und sitze mit einem Mal senkrecht im Bett. „Sssshhhh! Ganz ruhig!" ermahnt er mich und setzt sich auf die Bettkante. Ich schlucke schwer, während mein Körper unkontrollierbar anfängt zu zittern. „Ich wollte dir doch nur ein frohes neues Jahr wünschen!" lächelt er und legt sich dabei neben mich. Wieder scheint er getrunken zu haben - wobei das für einen Silvesterabend in der Gastronomie wahrscheinlich mehr als nur normal ist. „Du riechst extrem nach essen... ich will nicht, dass mein Bett so riecht" ich merke, wie schwach mein Argument ist, aber immerhin habe ich es probiert. „Dann müssen wir es morgen wohl waschen" seufzt er und greift in der Dunkelheit nach mir. Ich weiche seiner Bewegung aus. „Hattet ihr einen schönen Abend?" fragt er weiter und ich nicke. „Schön. Ich wünschte, ich wäre dabei gewesen. Familie ist mir sehr wichtig, weißt du?" seine Hand findet schließlich doch meinen Arm in der Dunkelheit und ehe ich mich versehe, liege ich mit seiner Hand auf meinem Mund auch schon halb unter ihm. Es geht alles so schnell, dass ich es erst gar nicht richtig begreifen kann. Während Jakob es schafft, mich mit seinem Körper und einer Hand zu fixieren, zieht er sich seine Hose runter verschafft sich dann einen Überblick über meine Klamotten. Ich versuche mich zu wehren, ihn zu kratzen, seine Hände weg zu bekommen, zu schreien, aber ich bin einfach zu klein und zu schwach im Vergleich zu ihm. Ohne Vorwarnung dringt er plötzlich in mich ein und lässt auch erst wieder von mir ab, als er fertig ist. „Bist du still?" fragt er, während er seine Hose wieder hoch zieht und ich nicke schluchzend. Er nimmt seine Hand von meinem Mund und steht auf. Ohne ein weiteres Wort verschwindet er.
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Herztöne (3)
FanfictionGeschrieben: 2021 ••• Emilia ist gerade einmal 13 Jahre alt, da geben ihre Eltern sie aus unbekannten Gründen von heute auf morgen in ein Heim und zur Adoption frei. Der Schock sitzt tief, aber auch sie muss lernen, dass das Leben einfach weiter geh...