Abends mache ich mich nervös und ziemlich nah am Wasser gebaut mit dem Fahrrad auf den Weg zu meiner Frauenärztin. Nachdem wir insgesamt sechs Stunden bei Paul und Anna waren und sogar noch zuletzt Pizza mit ihnen bestellt haben, war ich unglaublich froh, als wir wieder den Rückweg angetreten sind. Und während ich zu ‚Elisbeth' gehe, hat Frederik beschlossen, seinen Eltern einen Besuch abzustatten. Mit zittrigen Knien erreiche ich nach zwanzig Minuten die Praxis und kämpfe mich die zwei Stockwerke nach oben. Mein Herz schlägt mir bis zur Brust und Schweißperlen stehen mir auf der Stirn. Nein, mein Herz schlägt mir nicht nur bis zu Brust - es springt fast AUS meiner Brust. Kotzübel trete ich in die Praxis ein und laufe taumelnd zum Tresen. Hoffentlich ist die Toilette nicht besetzt, falls die Pizza wieder raus möchte. Nach einer kurzen Anmeldung nehme ich im Wartebereich platz und starre ungewollt auf den dicken Bauch der Schwangeren Frau direkt gegenüber von mir. Zu meiner Erleichterung scheint sie es nicht zu bemerken, da sie angestrengt in einer Zeitschrift blättert. Vielleicht sollte ich das gleiche zum ablenken tun? Die Minuten die Vergehen, fühlen sich an wie Stunden. Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, bis ich endlich aufgerufen werde. „Hallo, wie geht es Ihnen?" begrüßt mich die Ärztin freundlich, als sie mich von ihrem Tisch aus erblickt und und lächelt. „Ganz okay" nuschel ich und setze mich auf den Stuhl vor dem Tisch. „Sie haben also einen positiven Schwangerschaftstest gehabt?" fragt sie sachlich und ich nicke. „Okay. Dann würde ich vorschlagen, dass wir direkt mal ein Ultraschallbild machen und dann schauen wir weiter" schlägt sie vor. „Okay" krächze ich und begebe mich in die Umkleidekabine, um mich auszuziehen. „Achtung, es wird kurz kalt" warnt mich die Ärztin wenig später vor, bevor sie das kühle Gel auf meinen Bauch gibt. Auf dem Rücken liegend starre ich anstrengend auf den Bildschirm neben meinem Kopf. „Sooo... dann schauen wir mal..." lächelt die Ärztin ruhig und rollt mit dem Ultraschallkopf hin und her. „Okay... ich darf Ihnen mitteilen, dass Sie in der Tat schwanger sind. Hier sehen wir das kleine Wesen" verkündet sie mir und zeigt auf den Bildschirm. „Was?! Echt jetzt?" flüstere ich schockiert und erschrocken und sie nickt. Wundert mich das jetzt wirklich? Schließlich war der Test zuhause ja schon positiv... was hatte ich erwartet? Dass es plötzlich weg ist? Ich stoße hörbar laut die Luft aus und schließe die Augen. „Oh... Sie freuen sich gar nicht?" fragt die Ärztin jetzt und druckt das Bild aus. „Nein... ich will noch keine Kinder haben... ich will erst studieren und Geld verdienen... das war alles nur ein Unfall" murmel ich und ziehe mich kurzerhand wieder an, als sie das Gel weggewischt hat. „Machen Sie sich auf jeden Fall in Ruhe Gedanken über das alles - im ersten Moment ist es ernüchternd und viel, aber vielleicht schlafen sie auch einfach ein paar Nächte drüber. Ich gebe Ihnen auf jeden Fall ein paar Anlaufstellen für Beratungen mit. Haben Sie Kontakt zu dem Vater?" fragt sie und mustert mich. „Leider jeden Tag" Murmel ich. „Reden Sie auf jeden Fall auch mit ihm!" ich nicke abwesend und starre auf das Bild, was sie mir über den Tisch reicht. „Und dann würde ich vorschlagen, dass wir uns nächste Woche noch mal sehen" sie zwinkert leicht. Ich nicke wieder. „Einen Termin machen Sie bitte draußen. Dann wünsche ich Ihnen trotzdem noch einen schönen Tag!" sie winkt mir kurz und ich verlasse das Zimmer. Mir Tränen in den Augen und belegter Stimme besorge ich mir einen neuen Termin und laufen dann zurück zu meinem Fahrrad. Hoffentlich hält mein Kreislauf bis zuhause durch! Warum kann eigentlich nicht ein Mal etwas gut laufen in meinem Leben?! Was ist nur los seit meine Eltern weg sind? Ständig ist mein Leben wie eine Achterbahnfahrt, wobei es mehr bergab, als bergauf geht. Warum?! Ich kann das alles wirklich nicht gebrauchen! Weinend fahre ich den Weg zurück, wobei ich mehrere Male fast einen Unfall verursache und als ich die Haustüre aufschließe, lausche ich vorsichtig ins Haus. Es ist so ruhig, dass ich davon ausgehe, dass Frederik noch bei seinen Eltern ist. Schluchzend ziehe ich mir meine Schuhe aus, schmeiße sie achtlos in die Ecke und stürme nach oben ins Schlafzimmer. Ich werfe mich auf dem Bauch aufs Bett und drücke mein Gesicht ins Kissen, um mein Weinen etwas zu dämpfen. Ich heule wie ein kleines Kind und schaffe es auch gar nicht mehr so richtig, aufzuhören. Immer wenn ich denke, dass für den Moment wieder alles gut ist, überkommen mich neue Gedanken und das ganze geht von vorne los. Dass Frederik nur eine Dreiviertelstunde später ebenfalls wieder nach Hause kommt, bekomme ich gar nicht mit.
„Emilia? Ist alles okay?" ertönt seine Stimme irgendwann leise von der Tür aus und ich schrecke panisch hoch. „Entschuldigung, ich wollte dich keineswegs erschrecken! ... ich habe dich nur weinen gehört... was ist los?" er betrachtet mich Stirnrunzelnd, ohne näher zu kommen. „Oh... nur meine Hand... es tut verdammt weh... hast du dir schon mal etwas gebrochen?" schniefe ich, aber er schüttelt den Kopf und kommt zu mir. „Aber ich kann dir eine Tablette holen" bietet er mir zusätzlich an. „Nein... ist schon okay... du weißt doch, ich mag Tabletten nicht so" „Ja. Aber wenn man Schmerzen hat, sollte man welche nehmen" er setzt sich zu mir auf die Bettkante und streicht mir eine nasse Strähne aus dem Gesicht. „Es geht schon... wie war's bei dir?" lächle ich schwach und setze mich auf. „Ganz gut... nicht sonderlich spektakulär. Und bei dir?" „Ich bin total vollgefressen von der Pizza" maule ich, um seiner Frage zu entgehen. Er grinst. „Das ist gut so! So soll es sein. Möchtest du dich etwas ausruhen? Soll ich dich alleine lassen?" zu meiner eigenen Überraschung nicke ich. Hoffentlich verletze ich ihn damit nicht - auf der anderen Seite hat er es mir ja selber angeboten. „Okay... dann bis später!" er drückt meine gesunde Hand kurz, steht wieder auf und verlässt schlurfend das Zimmer. Ich atme ein paar mal tief durch, dann greife ich zu meinem Handy und setze meine Internetrecherchen fort.
DU LIEST GERADE
Herztöne (3)
FanfictionGeschrieben: 2021 ••• Emilia ist gerade einmal 13 Jahre alt, da geben ihre Eltern sie aus unbekannten Gründen von heute auf morgen in ein Heim und zur Adoption frei. Der Schock sitzt tief, aber auch sie muss lernen, dass das Leben einfach weiter geh...