„Hey! Da seid ihr ja! Na, wie war euer Tag?" Elisabeth öffnet uns fröhlich plappernd die Tür. „War sehr gut! Ich bin total vollgestopft!" stöhne ich wahrheitsgemäß und folge ihr zusammen mit Paul in die Küche. „Schade... die Muffins sind eben fertig geworden" sie zeigt auf wirklich köstlich aussehende Marmormuffins auf der Arbeitsfläche. „Später" lächle ich und lehne mich gegen die Wand. Nebenbei schaue ich mich unauffällig nach Jakob um. „Bist du alleine?" spricht Paul meinen Gedanken laut aus und beißt in einen der Muffins. „Jakob ist eine Runde joggen. Wie immer Samstag Mittags" seufzt sie. Klar. Wie konnte ich das nur vergessen? Sofort fühle ich mich deutlich leichter. „Was gabs denn leckeres zu essen?" fragt Elisabeth neugierig und mustert uns. „Nur Pizza. Nichts besonderes" erklärt Paul und greift nach einem zweiten muffin. Als er sich kurz später einen Dritten nehmen will, hindert Elisabeth ihn davon, indem sie ihm auf die Finger schlägt. Augenrollend stellt er sich neben mich an die Wand, während ich kichern muss. „Du bist einfach verfressen!" schimpft Elisabeth, aber man kann hören, dass sie es keinesfalls böse meint. „Du backst und kochst einfach immer zu gut! Ich habe ja sozusagen gar keine andere Wahl!" verteidigt Paul sich und zwinkert mir zu. Wir bleiben so noch ein paar Minuten stehen, bis ich höre, wie jemand die Haustür aufschließt. „Ich gehe mal Hausaufgaben machen!" teile ich den beiden leicht panisch mit und flüchte an dem keuchenden Jakob vorbei nach oben in mein Zimmer und schließe mich ein. Aufgeregt und nervös lausche ich an meiner Tür, aber es bleibt zum Glück ruhig. Ich atme tief durch und setze mich dann tatsächlich an meinen Schreibtisch und hole meine Schulsache raus. Irgendwann höre ich, wie Paul sich unten verabschiedet und nur eine halbe Stunde später strömt der Geruch von leckerem Essen durchs ganze Haus. Bei dem Gedanken daran, mich mit Jakob an einen Tisch setzen zu müssen, vergeht mir der Appetit jedoch augenblicklich wieder. Deshalb erkläre ich Elisabeth auch, dass ich keinen Hunger habe und lieber noch etwas lerne, da ich mit ihr ausgemacht habe, dass wir morgen ein paar Stunden zusammen in ihr Studio zum Sport machen gehen und mir dann ja die Zeit zum lernen fehlen würde. Sie nickt nur und lässt mich wieder in Ruhe. Tatsächlich freue ich mich auf die Zeit mit Elisabeth morgen sehr. Die sechs Wochen Sommerferien ohne Yoga waren schlimm genug und ich war wahnsinnig froh, als es vor zwei Wochen dann endlich wieder los ging. Ich lerne bis in den späten Abend hinein, dann mache ich es mir mit meinem Handy im Bett bequem und tippe darauf herum, bis mir - leider erst - gegen 2 Uhr in der Nacht die Augen zufallen.
Die nächsten Tage und auch Wochen vergehen dann doch viel zu schnell, wobei ich gleichzeitig auch sehr froh darüber bin. In der Schule werde ich schnell Jahrgangsbeste, mein Yoga Training erweitere ich sogar auf ganze vier mal die Woche und an den Wochenenden treffe ich mich mit Paul, lerne sehr viel oder erweitere meine Küchenfähigkeiten zusammen mit Elisabeth. Jakob und ich gehen uns (auch dank seiner Arbeit) weitestgehend aus dem Weg und somit schaffe ich es auch von Tag zu Tag mehr, das Erlebnis aus meiner Geburtstagsnacht wieder etwas zu verarbeiten und zu vergessen.
Auf den Tag genau steht Paul ein Jahr nach der Hochzeit mit Anna vor unserer Tür und strahlt wie ein Honigkuchenpferd. „Hallo! Gibts was zu feiern?" fragt Jakob, der ihm die Tür aufmacht und ich kann es oben in meinem Zimmer hören. „In der Tat!" lacht Paul und folgt ihm ins Wohnzimmer, während ich ebenfalls dazu komme. „Hey!" er begrüßt mich ebenfalls mit einer Umarmung und setzt sich dann aufs Sofa. „Oh nein! Ich ahne nichts gutes!" gesteht Elisabeth und starrt ihn leicht fragend an. „Ich muss euch was erzählen" grinst Paul weiter und schaut zwischen uns dreien hin und her. „Dann raus mit der Sprache!" fordert Jakob ihn ungeduldig auf. „Naja... wisst ihr... Anna und ich haben ja heute unseren ersten Hochzeitstag..." beginnt er seinen Satz und wir nicken. „... und sie hat mir etwas geschenkt..." er greift strahlend zu seiner Jackentasche und holt einen kleinen Zettel heraus. „Oh nein!" wiederhole ich jetzt Elisabeths Tonfall, da auch ich jetzt ahne, was er uns verkünden wird. „... Wir bekommen ein Kind! Anna ist schwanger!" er hält das Ultraschallbild in die Luft. „OH MEIN GOTT! DAS IST SO TOLL! WAHNSINN!" kreischt Elisabeth jetzt mit einem Mal und hastet zu Paul, um ihn fest zu umarmen. „Mega! Gratuliere!" grinst auch Jakob und klopft ihm während Elisabeths Umarmung auf den Rücken. Ich bleibe wie angewurzelt auf meinem Platz stehen und versuche meine Gedanken zu ordnen. Anna ist schwanger. Paul wird Vater. Das ist schön - sehr schön sogar! Aber da ist auch ein kleiner Haken. Paul wird jetzt noch weniger Zeit haben, als bis jetzt schon. Arbeit, Ehefrau und jetzt auch noch Kind? Ich merke, wie sich ein Kloß in meinem Hals bildet und sich Tränen in meinen Augen bilden. „Ich freue mich auch wahnsinnig!" lächle ich traurig mit erstickter stimme und umarme ihn, als Elisabeth und Jakob wieder von ihm abgelassen haben. „Nicht traurig sein - wir machen für die Zukunft einfach einen festen Tag in der Woche aus, an dem wir uns sehen, okay?" flüstert Paul mit ins Ohr. Er kennt mich nach all den Jahren einfach doch zu gut! „Okay!" Ich nicke leicht und wische mir schnell eine Träne weg, die sich ihren Weg nach draußen gebahnt hat, indem ich meine Wange gegen Pauls Schulter reibe. Er lässt mich wieder los und setzt sich zurück aufs Sofa. Auch ich nehme jetzt Platz und Elisabeth fängt an, Paul jeden noch so kleinen Ratschlag mitzugeben, den sie von den Frauen aus ihren Kursen so aufgeschnappt hat. Jakob hingegen holt zwei Flaschen Bier und stoßt mit Paul an. Ich höre mir die Unterhaltung für eine Stunde an, dann verabschiede ich mich wieder in mein Zimmer. Was ist zurzeit eigentlich nur los? Ein krasses Erlebnis folgt auf das andere. Und das zum absolut falschen Zeitpunkt! Ich werfe mich aufs Bett und starre an die Decke. Die Stimmen unten im Wohnzimmer sind noch lange zu hören, wobei ein regelmäßiges Gläserklirren zu hören kann. Somit bin ich auch gar nicht überrascht, als Jakob nachts wieder einmal betrunken in mein Zimmer kommt.
DU LIEST GERADE
Herztöne (3)
FanfictionGeschrieben: 2021 ••• Emilia ist gerade einmal 13 Jahre alt, da geben ihre Eltern sie aus unbekannten Gründen von heute auf morgen in ein Heim und zur Adoption frei. Der Schock sitzt tief, aber auch sie muss lernen, dass das Leben einfach weiter geh...