Kapitel 50

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„Hey... schläfst du schon?" flüstert Frederik im Dunkeln in meine Richtung, nachdem er sich umgezogen und ebenfalls bettfertig gemacht hat. „Hm?" Murmel ich im Halbschlaf und schaue etwas über meine Schulter zu ihm nach hinten. „Habe ich dich geweckt?" er rutscht ein Stück zu mir, aber ich rutsche weg. „Komme mir bitte nicht zu nahe heute Abend!" flehe ich nuschelnd und ziehe die Decke mehr über mich. „Natürlich nicht. Entschuldigung!... ich wollte dir nur sagen, dass du mich auch wecken kannst, wenn was ist.... Okay? Sage einfach Bescheid, egal was ist" sagt er sanft und ich nicke. Er rutscht nach ganz außen auf seine Seite und dreht sich ebenfalls von mir weg. Ich atme tief ein und schlafe direkt wieder weiter.

Als ich am nächsten Morgen aufwache, ist Frederik schon wach. Er tippt auf seinem Handy rum, bis er bemerkt, dass ich ebenfalls wach bin, weil ich mich in seine Richtung drehe. „Guten Morgen!" begrüßt er mich mit einem leichten Lächeln. „Wie viel Uhr ist es?" Murmel ich als Antwort und blinzle gegen das helle Licht im Raum. „Erst acht Uhr. Du könntest also noch schlafen" antwortet er. „Tut mir leid wegen gestern Abend!" nuschel ich und schließe meine Augen wieder. „Alles gut. Ich weiß nicht, wie ich reagiert hätte. Komm, versuche noch mal zu schlafen" fordert er mich erneut auf. „Nein, ich muss jetzt aufstehen... ich kann nicht einfach so rum liegen" erwidere ich zwar müde, stehe aber tatsächlich ohne weiteres auf und verschwinde ins Badezimmer um duschen zu gehen. „Du willst heute nicht auf die Piste nehme ich an?" fragt Frederik, als ich zwanzig Minuten später angezogen zurück komme und ich schüttle den Kopf. „Morgen wieder". Er nickt und geht mir hinterher die Treppe nach unten. Ich stelle mich vor die große Fensterfront, die direkt den Blick in den kleinen Garten ermöglicht und denke nach. Frederik hingegen poltert leise in der Küche herum, bis es nach frischem Brötchen und Kaffee riecht. Ich atme den Geruch tief ein und schließe meine Augen. „Du... ich gehe mal eine Runde spazieren..." verkünde ich ihm nur wenige Minuten später mit verschränkten Armen angelehnt im Türrahmen. „Kein Frühstück? Die anderen sind bestimmt auch bald wach..." Frederik schaut verwirrt auf. „Nein danke... ich habe keinen Hunger und muss kurz den Kopf frei bekommen" erkläre ich. „Ähm... okay... aber nehme dein Handy mit... falls was ist... heute soll das Wetter nämlich nicht so gut da draußen werden" er betrachtet mich besorgt. „Mache ich. Bis später!" ich winke kurz und verschwinde dann in den Flur und anschließend nach draußen in die Kälte. Ich bin erst ein paar wenige Schritte durch den Schnee weg vom Haus gestapft, da höre ich die Haustür gedämpft hinter mir. „Okay, weißt du was? Ich komme mit. Ich lasse dich in Ruhe und laufe gerne ein paar Meter hinter dir, aber ich komme mit.... Das wetter ist mir wirklich nicht geheuer und weiss sieht alles gleich aus... und Empfang hast du hier auch nicht überall" ruft Frederik mir hinterher und holt mich ein. Ich weiß nicht wie er es geschafft hat, sich so schnell anzuziehen, aber es beeindruckt mich ehrlich gesagt. „Ähm... ich wollte..." „alleine laufen, um den Kopf frei zu bekommen. Ich weiß" spricht er meinen Gedanken laut aus. Ich nicke leicht und schaue in den Himmel. „Heute Nacht soll es ziemlich viel Neuschnee geben. Gehen wir morgen wieder zusammen auf die Piste?" er greift zu meiner Jacke und zieht den Reißverschluss noch ein kleines Stück höher. Ich nicke leicht zögernd und schaue auf seine Hand. „Also. Wie viele Meter soll ich Abstand halten?" fragt er und tritt einen Schritt zurück. Ich muss leicht lächeln. „Keinen. Aber halte bitte trotzdem den Mund" bitte ich ihn. Er nickt und trottet schweigend neben mir her. Irgendwann kommen wir an einer Bank an, von der wir aus das gesamte Dorf unter uns sehen können. Ich lasse mich auf sie fallen und stecke die Hände in meine Jackentaschen. Frederik setzt sich neben mich. „Ganz schön schön hier" flüstere ich fast und vergrabe fröstelnd die Nase in meiner Jacke. Tatsächlich ist es ganz schön kalt hier draußen und alleine würde ich den Weg wahrscheinlich nicht zurück finden - wobei ich wohl auch nur so blind vor mich hergelaufen bin, weil ich weiß, dass Frederik bei mir ist. „Ja. Wunderschön. Wenn du willst, fahren wir nächstes Jahr wieder hierher. Oder im Sommer - dann ist es auch wunderschön hier. Oder wenn du willst, fahren wir ganz woandershin" schlägt er vor. „Ganz woanders? Wir?" kichere ich und schaue zu ihm rüber. „Naja... ich meine... wie Freunde halt" erklärt er verlegen und zerreibt etwas Schnee zwischen seinen Fingern. Ich belasse es dabei und schaue wieder auf die Stadt unter uns. „An was denkst du?" fragt er irgendwann und senkt seinen Blick. „Hm... an vieles" antworte ich wahrheitsgemäß. „Vieles? Mehr als an Jakob?" fragt Frederik vorsichtig und ich denke kurz nach. „Nein. Eigentlich nicht... aber über alles, was ihn betrifft. Und das ist viel" „Ja. Das glaube ich dir. Aber in einer Sache kannst du mir glauben. Er weiß nicht, wo ich wohne. Und damit weiß er auch nicht, wo du wohnst" er greift nach meiner Hand. „Ich hoffe, dass er das niemals rausfinden will und wird. Vielleicht... beginnt er ja auch jetzt ein ganz neues Leben... ohne nach seiner Vergangenheit zu suchen" ich zucke leicht mit den Schultern, während Frederik meine Hand fest drückt. „Wir werden es sehen. Aber du brauchst keine Angst zu haben. Mit Paul hast du den besten Polizisten der ganzen Stadt an deiner Seite und damit den besten Beschützer" zwinkert Frederik und ich muss schmunzeln. „Und falls er mal nicht da ist, habe ich den besten Chirurgen der Stadt auf meiner anderen Seite, der mich bei Bedarf wieder zusammenflickt" setze ich hinterher. Jetzt ist Frederik es, der lacht. „Danke" er legt seinen Arm um mich und ich lehne mich an ihn, indem ich meinen Kopf auf seine Schulter lege. „Genieße jetzt erst mal den Urlaub hier. Zuhause können wir uns dann mit allem anderen auseinandersetzen. Aber in diesem wunderschönen Haus da oben sind negative Gedanken verboten!" er dreht seinen Kopf zu mir und drückt seine Nase leicht in meine Haare. „Okay" flüstere ich, ohne meinen Blick von der Stadt abzuwenden. Wir bleiben noch lange so sitzen und ich merke, wie gut mir dieser Moment tut.

Herztöne (3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt