Kapitel 11

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Ich habe das Gefühl, in dieser Nacht zum ersten Mal seit meinem Auszug zuhause richtig gut zu schlafen. Sowohl das Tischtennis spielen über zwei Stunden lang, als auch das lange draußen sitzen mit Paul, Jakob und Elisabeth zum richtigen kennenlernen und quatschen haben mich mit dem gesamten Umzug am Tag und den vielen neuen Eindrücken ziemlich umgehauen. Ich schaffe es nicht einmal mehr ins Badezimmer zu gehen, da ich weiß, dass ich erst noch meine ganzen Sachen auspacken müsste und somit ziehe ich mich nur noch aus, lege mich unter meine Bettdecke und kaum habe ich die Augen geschlossen, bin ich auch schon eingeschlafen. Und das beste an allem: ich träume nicht einmal was. Und das ist allemal besser als die Albträume der letzten Wochen.

Als ich morgens aufwache, scheint die Sonne bereits hell in mein Zimmer und direkt auf mein Bett. Es muss schon relativ spät sein, denn die Vögel sitzen munter zwitschernd im Baum vor dem Fenster und durch meine Zimmertür hindurch nehme ich einen leichten Kaffeegeruch wahr. Ich drehe mich verschlafen zu meinem Nachttisch und greife nach meinem Handy. Es ist leer. So leer, dass es nicht einmal mehr an ist. Seufzend lasse ich es liegen und drehe mich zurück auf die Ursprungsseite und schließe meine Augen noch mal. Als hätte jemand mitbekommen dass ich wach bin, klopft es nur wenige Minuten später an meiner Tür. Ich gebe ein grummelndes-murmelndes Geräusch von mir und drehe mich auf den Rücken. „Guten Morgen! Ich wollte nur mal schauen, ob du mittlerweile unter den Lebenden bist... wir haben schon drei mal nach dir geschaut" begrüßt Elisabeth mich freundlich. „Oh... ist es schon so spät?" ich werde etwas rot und reibe mir die Augen. „Halb elf... hast du Hunger? Wir haben schon gefrühstückt, der Tisch ist aber noch gedeckt..." erklärt sie. „Ich komme gleich... kann ich davor noch duschen gehen?" frage ich schüchtern und sie lacht. „Natürlich! Die nächste Tür im Flur... aber das weißt du ja bestimmt noch? Unser Schlafzimmer und Badezimmer sind auf der anderen Seite. Lasse dir ruhig Zeit" sie schließt die Tür wieder und ich höre, wie ihre Schritte die Treppe runter und nach unten verschwinden. Ich seufze erneut und setze mich auf. Halb elf. Das heißt, dass ich ca. 11 Stunden geschlafen habe. Ist sowas denn überhaupt möglich? Oder normal? Ich schüttle leicht den Kopf und schaue auf meine halb ausgepackten Sachen auf dem Boden. Zu sehr sollte ich wirklich nicht trödeln - das wäre mehr als nur unhöflich. Ich schwinge meine Beine aus dem Bett, suche mir alles zusammen was ich brauche und tapse dann auf Zehenspitzen ins Bad nebenan.

Ein eigenes Bad zu haben ist mir neu, aber ich muss zugeben: es gefällt mir

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Ein eigenes Bad zu haben ist mir neu, aber ich muss zugeben: es gefällt mir. Ich bereite meine Sachen aus, ziehe mich schnell aus und stelle mich unter das warme Wasser. Zugegeben, ich habe mich lange nicht mehr so erholt gefühlt wie in diesem Moment. Das spielen mit Paul gestern Abend hat mich etwas zum Lachen gebracht und mich meine Sorgen vergessen lassen, das reden danach tat insgesamt einfach gut und der viele schlaf sowieso. Und die erfrischende Dusche ist das Sahnehäubchen obendrauf. Ich wasche mir gründlich meine Haare und den Körper, trockne mich dann schnell ab und ziehe meine Klamotten an. Da mich in nächsten sechs Wochen wahrscheinlich eh niemand sehen wird, lasse ich meine Schminke vorerst in meinem Koffer und mache mich so auf den Weg nach unten. „Guten morgen!" begrüße ich Jakob und Elisabeth, die beide am Tisch sitzen. Jakob liest eine Zeitung und trinkt nebenbei Kaffee, während Elisabeth mit ihrem Laptop bepackt ist. „Guten Morgen!" grüßt Jakob zurück und legt die Zeitung beiseite. „Geht es dir besser als gestern?" fragt er, während ich mich setze und ich nicke. „Ich fühle mich wie neu geboren" lächle ich und lasse mir von Elisabeth eine Kanne Tee reichen. „Brötchen oder Müsli?" fragt sie und klappt den Laptop zusammen. „Brötchen" antworte ich und schaue ihr zu, wie sie mir eins holt. „Danke" es ist mir ziemlich unangenehm, dass sie alles für mich machen, da ich aber auch nicht weiß, wo hier was ist und wie alles abläuft, habe ich keine Chance, etwas dagegen zu unternehmen. „Morgen ist der erste Tag deiner Sommerferien" stellt Jakob fest. „Wir haben beide zwei Wochen Urlaub nehmen können. Also wenn du Lust hast etwas zu machen, können wir uns gerne etwas überlegen. Und wenn nicht, dann ist das auch okay" fährt er fort, bevor ich überhaupt etwas sagen kann. „Das klingt gut. Ich danke euch sehr!" antworte ich verlegen und beschmiere mein Brötchen mit Marmelade und Nutella. „Dann überlegen wir uns später mal ein Programm. Heute Abend wollten wir grillen. Gibt es etwas, das du nicht isst?" er verschränkt die Arme vor der Brust und mustert mich. Ich schüttle den Kopf. Er steht auf und holt sich eine neue Tasse Kaffee, während Elisabeth weiter auf ihrem Laptop tippt. „Kann ich mal mit zum Yoga kommen?" frage ich irgendwann neugierig und lächle leicht. Elisabeth schaut verwirrt auf. „Zum Yoga?" wiederholt sie meine Frage und ich nicke. „Ähm... also ja... klar. Nach den Ferien starten wir wieder. Es würde mich sehr freuen!" ihre Augen fangen an zu leuchten. Ich lächle weiterhin und esse die andere Hälfte meines Brötchens. Je besser ich mich mit den beiden verstehe und ‚anfreunde', desto schöner werden meine Jahre hier sein und desto schneller werden sie auch vorbei gehen.

Nach dem Frühstück entscheiden wir, was wir die kommende Woche alles gemeinsam machen wollen: obwohl ich das meiste ja bereits schon durch meine Kindheit hier in Köln kenne, planen wir einen Ausflug zum Kölner Dom und in die Innenstadt, ins Schokoladenmuseum, zwei Museen und ein Escape-Room und als letztes noch einen Ausflug ins Phantasialand. Für die zweite Woche entscheiden Jakob und Elisabeth ganz spontan von einer Minute auf die andere, mit mir zum Gardasee zu fahren und dort die vollen 7 Tage zu bleiben.

„Das ist aber ehrlich nicht nötig! Ich fühle mich mehr als nur schlecht! Ich kann euch ja gar nichts dafür geben!" versuche ich noch zu protestieren, als es bereits zu spät ist. „Ach was! Wir haben uns für ein Pflegekind entschieden und da gehören diese Kosten auch mit dazu. Das haben wir alles eingeplant. Glaube mir, wir wissen was wir tun" wehrt Jakob sich und steht vom Tisch auf. „Wo warst du bisher mit deinen Eltern im Urlaub?" fragt er und holt sein Handy raus. „Ähm... in Spanien am Meer... und in der Schweiz zum Ski fahren... aber das war nur ein Mal im Kindergarten" antworte ich. „Siehst du? Dann fehlen dir noch eine Menge Orte, bei denen es sich wirklich lohnt, sie mal gesehen zu haben. Und wir fangen direkt damit an" mit diesen Worten verlässt er den Raum in Richtung Keller. Ich lasse mich erschlagen zurück in meinen Stuhl fallen. „Mache dir wirklich keine Gedanken!" Elisabeth legt ihre Hand kurz auf meine Schulter, dann verschwindet sie ebenfalls, jedoch nach draußen in den Garten. Ich schließe meine Augen und atme tief durch.

Herztöne (3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt