Vier Wochen später ist es soweit: ich stehe vor dem Spiegel meines Kleiderschrankes und schminke mich konzentriert in meinem dunkelblauen Cocktailkleid mit Glitzer und Schleife. Meine Haare habe ich hochgesteckt, wobei einzelne Strähnen gelockt seitlich runter hängen. „Bist du soweit? Wir müssen los!" Jakob steht in der Tür und steckt seinen Kopf in mein Zimmer. „Ja, ich brauche nur 2 Minuten" Murmel ich abwesend, ohne meinen Blick von mir abzuwenden. „Du siehst unbeschreiblich aus! Pass auf, dass du der Braut nicht die Show stiehlst!" Jakob stellt sich grinsend neben mich. Ich stoße ihn kichernd mit meiner Hüfte an. „Schleimer!" Er schaut mir kurz zu, dann fährt er mir über den Rücken, gibt mir einen leichten Kuss auf die Schläfe und verschwindet wieder. Stirnrunzelnd schaue ich ihm hinterher. Das hat er noch nie getan. Aber ich bin froh, dass wir uns so gut verstehen. Das ist die Hauptsache. Ich zucke leicht mit den Schultern und beende dann mein Projekt. Unten im Flur warten bereits Elisabeth und Jakob und wir machen uns augenblicklich auf den Weg.
Die Trauung (bei der ich die ein oder andere Träne dann doch nicht verstecken kann) findet unter freiem Himmel statt und anschließend wird in einem wunderschönen Hotelkeller etwas außerhalb von Köln weiter gefeiert. Neben den ganzen Spielen, viel Musik und tanzen und gibt es eine ganze Menge Alkohol. Und nachdem Elisabeth und Jakob mir erlaubt haben, genauso mitzutrinken wie die anderen, lasse ich mir diese Chance auch nicht entgehen.
Gegen 23 Uhr sind die wenigsten noch nüchtern - eigentlich nur noch die, die Kinder haben, Fahren oder am nächsten morgen früh raus müssen. Die Stimmung ist super locker und ich muss gestehen, der Abend verläuft noch tausend mal besser, als ich es mir vorgestellt habe. „Hey! Ich habe dich glaube ich noch nie betrunken gesehen!" lallt Paul irgendwann in meine Richtung, als wir uns im Tanzsaal zwischen all den anderen Gästen begegnen. „Ich mich auch nicht... und dich auch nicht" lache ich und lasse mich von ihm zum Tanzen an den Händen nehmen. „Hast du Spaß?" ruft er durch die Laute Musik und ich nicke. „Sehr sogar" Ich lege meine Arme um ihn und genieße das Tanzen mit ihm. Eine viertel Stunde später lässt er mich wieder los. „Ich fürchte, ich muss mal wieder weiter zu den anderen Gästen" erklärt er und drückt mich ein letztes Mal. „Es ist schön, dass du hier bist!" er küsst mich auf die Wange und verschwindet dann taumelnd. Ich lasse mich seufzend auf einen der Stühle am Rand fallen und beobachte die Menschen, nachdem ich mir ein Glas Caipirinha von einem der herumlaufenden Kellnern geschnappt habe. „Na? Alles gut? Pass auf, dass du nicht zu viel trinkst - wenn Elisabeth eines nicht leiden kann, dann verkaterte Menschen in ihrem Haus" es ist Jakob, der sich zu mir setzt. Auch er scheint bereits einiges getrunken zu haben, zumindest sieht er so aus. „Du scheinst genauso viel gehabt zu haben" stelle ich kichernd fest. „Kann nicht sein... sag mal... apropos Elisabeth... hast du sie gesehen?" er schaut sich suchend um, aber ich schüttle den Kopf. „Zuletzt am Buffet" antworte ich. „Dann musst du jetzt mit mir tanzen" er steht auf und streckt mir seine Hand entgegen. „Ich kann doch gar nicht tanzen" lache ich, ergreife sie aber und lasse mich von ihm inmitten der Menschenmasse ziehen. „Dafür hast du heute aber schon viel getanzt" grinst Jakob und zwinkert. „Nö... nur mit Paul, mit seinem Bruder und jetzt mit dir" verteidige ich mich. „Und ganz viel alleine" verbessert er mich. Ich lächle leicht und warte gespannt auf das nächste Lied. „Oh nein! Ich hatte auf was schnelles gehofft" stöhnt Jakob, als ein langsames Lied angestimmt wird. „Dann können wir wenigstens schon mal für meine Hochzeit irgendwann mal üben... da ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass wir noch mal zusammen tanzen müssen" stelle ich fest. „Na gut" er legt seine Hände an meine Hüfte und ich meine über seine Schultern und lasse mich von ihm führen, wobei ich nebenbei eher die Menschen beobachte, die in mein Blickfeld fallen, anstatt mich aufs Tanzen zu konzentrieren. „Bist du noch anwesend?" fragt Jakob irgendwann und ich wende meinen Blick ab von den Menschen zu ihm. „Klar... ich glaube, ich brauche noch mal was zu trinken" erkläre ich. „Wasser?" neckt er mich und ich schaue ihn böse an. „Bringe mir wenigstens etwas... leckeres mit" seine Hand wandert zu meinem Po und ehe ich überhaupt etwas sagen kann, hat er auch schon leicht rein gekniffen und lässt mich dann wieder los. Etwas verstört verschwinde ich von der Tanzfläche und rette mich an die Bar, wo ich mir einen Schnaps bestelle. Was ist denn heute nur mit Jakob los? Hoffentlich hat Elisabeth das nicht gesehen! Ich schaue mich vorsichtig um, kann sie aber nach wie vor nicht sehen. Tausend Gedanken schießen durch meinen Kopf, wobei ich diesen Vorfall immer wieder in meinem Kopf durchgehe. „Hey... alles okay?" Eine männliche Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Ich kenne den Mann nicht, aber er sieht ganz nett aus. „Du bist etwas blass... ist es wegen dem Mann gerade unten gewesen?" fragt er und ich blinzle ihn verwirrt an. Er kommt mir irgendwie bekannt vor mit seinen dunklen Haaren und der Brille im Gesicht, aber ich kann nicht sagen woher. Aber er sieht relativ jung und wirklich gut aus - und sein Anzug macht es noch mal tausend mal besser. „Was?! Nein! Das ist mein Vater" antworte ich schnell und schüttle den Kopf. „Okay... ich habe es nur beobachtet und habe mir gedacht, ich frage mal nach" er setzt sich auf den Barhocker neben mir und bestellt sich ebenfalls etwas zu trinken. Ich schaue angestrengt auf mein Glas und spiele mit meinen Fingern am Rand herum. „Dein Vater also... ihr seht euch gar nicht ähnlich" stellt der Mann fest. „Entschuldigung... kennen wir uns?" frage ich verwirrt und mustere ihn von der Seite. Woher kenne ich ihn nur?! Er lächelt nur und trinkt seinen Schnaps auf Ex. „Tanzen? Ich fasse dir auch nicht an den Po" er hält mir wie Jakob es eben schon getan hat seine Hand entgegen. Ich ergreife sie zögernd und lasse mich von ihm zurück in den Tanzsaal ziehen. Wir nehmen eine passende Haltung ein und auch dieses Mal lasse ich mich von ihm über die Fläche führen. Und währenddessen denke ich angestrengt darüber nach, woher ich diesen Menschen kenne.
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Herztöne (3)
FanfictionGeschrieben: 2021 ••• Emilia ist gerade einmal 13 Jahre alt, da geben ihre Eltern sie aus unbekannten Gründen von heute auf morgen in ein Heim und zur Adoption frei. Der Schock sitzt tief, aber auch sie muss lernen, dass das Leben einfach weiter geh...