Kapitel 61

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„Guten morgen!" Frederik dreht sich verschlafen nuschelnd zu mir rüber, nachdem er den Wecker auf seinem Nachttisch ausgemacht hat. „Hey..." antworte ich müde und versuche meine Augen zu öffnen. „Wollen wir nicht einfach hier liegen bleiben?" er rutscht zu mir rüber und küsst mich auf die Schulter. „Von mir aus gerne" Murmel ich fahre mit meiner Hand in seine Haare. „Bald ist Wochenende" seufzt er und reibt seine Wange gegen meinen Arm. „Komm. Lass uns aufstehen. Wir wollen Miriam doch keinen Grund zum lästern geben" er stupst mich kurz mit seiner Nase an, dann steht er auf und verschwindet ins Bad. Als er fertig mit duschen ist, stelle auch ich mich unters Wasser, während er in der Küche leise Frühstück macht. „Vielen Dank! Ziehen wir dann eigentlich offiziell zusammen wenn alles wieder gut ist?" kichere ich und er schaut mich fragend an. „Naja, wir leben eigentlich wie in einer Beziehung... gehen jeden Abend zusammen ins Bett und stehen jeden Morgen zusammen auf, um zu frühstücken. Egal wo wir gerade sind. Vielleicht sollten wir einfach offiziell zusammenziehen" erkläre ich und zwinkere. „Stimmt. Nur die Reisen ins Bett müssen wir für eine Beziehung noch anders gestalten" lacht er. „Kein Problem" grinse ich. „Kein... Problem?!" er schaut mich verdutzt an. Ich lache nur noch mehr und verschwinde mit meiner Schüssel Müsli ins Esszimmer. „Hey... was soll das heissen?" er folgt mir sichtlich nachdenklich und irgendwie macht es mir Spaß, ihn so zu sehen. Normalerweise bin ich immer diejenige, die unsicher und verwirrt ist - es andersrum zu erleben ist eine absolute Ausnahme und das muss ich nutzen! „Naja, was ist schon groß dabei? Das bekommen wir auch noch hin" erkläre ich, als würde ich ihm vom Wetter erzählen. Er setzt sich gegenüber von mir und starrt mich an. „Was?!" schmatze ich jetzt und zucke mit den Schultern. „Moment mal. Hast du überhaupt jemals schon mal mit jemandem geschlafen? Also... freiwillig meine ich" er mustert mich eindringlich, aber auch etwas besorgt - wahrscheinlich weil er Angst hat, damit etwas falsches gefragt zu haben. Ich merke wie ich rot werde und verschlucke mich. „Nein" antworte ich beschämt und jetzt ist er es wieder, der grinst und die Macht hat. „Na dann fühle ich mich geehrt, dass du diese Reise mit mir antreten willst. Gleich heute Abend?" er schiebt sich ebenfalls einen Löffel seines Müslis in den Mund. Wie konnte die Situation sich jetzt so schnell drehen? „Na klar... warum nicht" versuche ich möglichst selbstsicher und cool zu sagen. Je mutiger ich klinge, desto eher macht er vielleicht einen Rückzieher. „Davor zusammen duschen?" er hält sich seine Tasse an die Lippen und pustet in seinen heißen Kaffee. „Hm. Als Vorspiel wäre es bestimmt eine gute Idee" ich nicke gespielt verträumt. „Abgemacht!" er hält mir seinen kleinen Finger hin. „Du willst doch jetzt dafür keinen kleinen Finger Schwur machen?!" frage ich schockiert, aber er grinst nur frech. „Und du willst doch wohl keinen Rückzieher machen, oder?" „okay. Ich habe einen Vorschlag. Wenn du es schaffst, deinen Kittel heute immer bei dir zu behalten, beziehungsweise selber zu finden, gehen wir zusammen duschen. Wenn ich ihn mehr als drei mal für dich suchen und finden muss, darf ich aussuchen" ich halte ihm meinen kleinen Finger entgegen. Er denkt kurz nach, dann ‚schlägt' er lachend ein, indem er seinen Finger mit meinem verkreuzt. Den Rest des Frühstücks verbringen wir schweigend. Paul darf NIEMALS etwas von dieser Wette mitbekommen - wahrscheinlich würde er komplett ausrasten. Zwanzig Minuten später verlassen wir das Haus und fahren zum Krankenhaus. Wir gehen uns erst wieder umziehen und laufen dann zusammen zum Aufzug. „Pass gut drauf auf!" grinse ich, als wir oben ankommen, zupfe kurz an seinem Kittel und laufe ihm dann voraus ins Schwesternzimmer. „Einen wunderschönen guten Morgen Ladies! Ich möchte euch bitten, meinen Kittel heute IMMER DIREKT ZU MIR zu bringen, falls ihr ihn irgendwo liegen seht, Okay? Und die Praktikantin braucht heute ununterbrochen Arbeit" begrüßt er Birgit und Miriam gut gelaunt. Ich schnappe nach Luft. Bitte was?! Das war so aber nicht ausgemacht! „Ähm... Guten Morgen erst mal!" Birgit blinzelt verwundert. „Kein Problem. Um die Praktikantin kümmere ich mich" verkündet Miriam, ohne von ihrer Nagelfeile aufzuschauen. „Moment mal..." versuche ich zu protestieren, aber da geht auch schon die Schwesternklingel. „Bis später ihr Lieben!" verabschiedet Birgit sich und Frederik folgt ihr siegessicher. „Na, was habt ihr für ne Wette laufen?" fragt Miriam trocken, aber ich antworte ihr nur mit einem kurzen Schulterzucken. „Keine Angst, ich werde alles dafür geben, dass der Herr Doktor gewinnt. Also: mitkommen!" sie kommandiert mich mit ins Lager und bereits zu diesem Zeitpunkt sehe ich absolut schwarz für meine Wetter. „Die ganzen Sachen hier..." sie zeigt auf 5 riesige Kartons auf dem Boden „... müssen alle in die Schränke eingeräumt werden. Viel Spaß!" ohne auch nur zurückzuschauen verschwindet sie so schnell wie wir hergekommen sind. Schnaubend beginne ich meine Arbeit und als ich fertig bin, schleiche ich unauffällig durch die Flure und halte Ausschau nach Frederik. Ich sehe ihn erst nach drei Stunden wieder, als er in ein Gespräch verwickelt mit einem anderen Arzt aus dem Aufzug kommt. Aber siehe da: er trägt keinen Kittel. Wie von der Tarantel gestochen verschwinde ich aus seinem Blickfeld und gehe hektisch auf die Suche nach seinem Kittel. Schwester Birgit kommt mir gerade aus einem der Behandlungszimmer entgegen - mit dem weißen Stoff in der Hand. „Oh, es ist so schön dich zu sehen! Darf ich... darf ich den Kittel zurück bringen? Dann musst du dich nicht damit aufhalten..." frage ich hilfsbereit und sie nickt verwirrt. „Klar..." sie reicht mir den Kittel und ich muss mich zusammenreißen, um keinen Luftsprung zu machen. „Danke!" ich klemme mir den Kittel unter den Arm und laufe zurück zum Schwesternzimmer. Zu meiner Erleichterung ist Miriam weit und breit nicht zu sehen. Ich setze mich an den Tisch und warte auf Frederik. „Wo ist denn schon wieder...?" etwas überfordert suchend kommt er eine halbe Stunde später rein gelaufen und als er mich sieht, hält er in seiner Bewegung inne. „NEIN!" schnaubt er fährt sich fassungslos durch die Haare. „Eins von drei ist geschafft" grinse ich siegessicher und werfe ihm seinen Kittel entgegen. „Du hast nur noch Viereinhalb Stunden zeit. Du musst schneller werden" murmelt er nur und zieht ihn sich wieder über. „Und du glaubst, das schaffe ich nicht?" ich stehe von meinem Stuhl auf und gehe auf ihn zu. „Du willst doch mit mir duschen gehen - ich weiß es" entgegnet er und knöpft den Stoff von unten nach oben zu. „Aber noch mehr will ich gewinnen" ich drücke seine
Hände sanft zur Seite und schließe ihm die letzten drei Knöpfe. „Aber ja. Vielleicht will ich auch einfach mit dir duschen" necke ich ihn. Woher mein selbstsicheres Auftreten seit heute morgen kommt weiß ich selber nicht, aber es kommt mir ehrlich gesagt ganz gelegen. „So so. Du willst also wirklich mit mir duschen?" er drängt mich an die Wand bis er nur noch wenige Zentimeter entfernt von mir ist und stützt seine links und rechts neben mir ab, sodass ich zwischen ihm und der Wand eingeklemmt bin. Oh Gott, hoffentlich kommt jetzt bloß niemand rein! „Davon habe ich nachts schon so oft geträumt..." schwärme ich gespielt und fahre mit meinem Zeigefinger über seine Brust. „So kenne ich dich gar nicht" grinst er und kommt mir mit seinem Gesicht näher. „Stille Wasser sind tief" belehre ich ihn und schaue ihm fest in die Augen. Er grinst, schließt seine Augen und kommt meinem Gesicht weiterhin immer näher. Oh nein... er wird doch nicht versuchen...?! Trotzdem schließe auch ich meine Augen. „Stille Wasser sind tief... und schmutzig" flüstert er, als seine Lippen nur noch wenige Millimeter von meinen entfernt sind und ich seinen Atem in meinem Gesicht spüren kann. Ich kichere, gehe in die Knie und schlüpfe unter seinem Arm an ihm vorbei und verschwinde wieder ohne ein weiteres Wort.

Herztöne (3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt