Kapitel 59

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„Wohin gehen wir?" frage ich, als wir eine halbe Stunde später draußen an seinem Auto ankommen. „Luft schnappen. Du wirst die nächsten zwei Wochen noch genug Zeit hier drinnen verbringen. „Und wo werden wir Luft schnappen?" „sag du es mir. Worauf hast du Lust?" „naja... es ist Sonntag. Mein Bett oder Sofa hätten mir auch gereicht" gestehe ich verlegen. „Kein Problem!" er zuckt mit den Schultern und fährt los. Relativ schnell realisiere ich, dass er als Ziel sein Haus aussucht. „So. Hereinspaziert!" er betont es, als wäre ich noch nie hier gewesen, was mich zum Lachen bringt. „Du klingst, als sei ich zum ersten Mal hier" spreche ich meinen Gedanken laut aus. Er zwinkert und geht in die Küche, um uns etwas zu trinken zu holen. „Wo soll die Reise hin gehen? Sofa oder Bett?" er drückt mir ein Glas Wasser in die Hand. „Reise?!" lache ich und trinke einen Schluck. „Die besten Reisen gehen immer ins Bett" zwinkert er frech und ich starre ihn schockiert an. „Habe ich das gerade laut ausgesprochen?" er seufzt. „Hast du" schmunzle ich bestätigend. „Also dann. Eine Reise ins Bett bitte" setze ich hinterher. Er lässt es sich nicht zwei mal sagen, sondern geht mir voraus zielstrebig die Treppe nach oben. „Madame..." er lässt mich mit einer einladenden Handbewegung an sich vorbei ins Schlafzimmer und schließt die Tür hinter mir. „Oh, ich hab's so vermisst!" stöhne ich theatralisch, stelle mein Glas auf dem Nachttisch ab und lasse mich aufs Bett fallen. „Ääähm... es war gerade mal eine Nacht..." Frederik fängt an sich sein Hemd aufzuknöpfen und nachdem er es ausgezogen hat, legt er sich neben mich. „Ich würde so gerne wieder hierher zurück kommen!" „wenn wir dich von diesem Jakob wieder befreit haben, wird das auch passieren insofern du das möchtest" Frederik dreht sich zu mir auf die Seite. „Auf jeden Fall! Also. Was für eine Reise hast du zu bieten?" ich mache meine Haare zu einem lockeren Dutt, ziehe mir meine Jeans aus und mache es mir unter der Decke bequem. „Reise Nummer eins: Netflix den ganzen Tag. Reise Nummer zwei: kuscheln und schlafen den ganzen Tag. Reise Nummer drei: Bett verlassen und was anderes machen. Reisen können auch auf Wunsch zusammengestellt werden" zählt Frederik auf. „Okay. Ich würde in der Tat gerne ein bisschen was selber zusammenstellen. Eine Mischung aus Reise Nummer 1 und Nummer 2. Ein bisschen was von allem bitte. Netflix und kuscheln und zwischendurch immer wieder schlafen" lächle ich. „Eine exzellente Wahl!" Frederik breitet seine Arme aus und ich rutsche zu ihm. Gemeinsam suchen wir einen Film aus und verbringen den Rest des Tages im Bett - die Zeit bis zum Abend vergeht wie im Flug und ehe ich mich versehe, sitzen wir auch schon bei seinen Eltern zum Abendessen am Tisch.

Die nächsten Wochen vergehen mindestens genauso schnell: die Polizei schafft es zwar nicht Jakob zu finden, jedoch verläuft immerhin Elisabeths Umzug ohne Probleme. Ich entscheide mich jedoch tatsächlich dazu, bei Frederiks Eltern zu bleiben, um etwas mehr Privatsphäre zu haben - dort kann Frederik nämlich öfter vorbei kommen, ohne sich etwas anhören zu müssen, als wenn Elisabeth es mitbekommen würde. Seine Mutter freut sich umso mehr. Sie versucht mir jeden Wunsch von den Lippen abzulesen und meint es manchmal leider auch etwas zu gut, was ich aber keinesfalls negativ auffasse.

Und auch meine Osterferien kommen immer näher. Frederik schafft es wirklich mir einen Praktikumsplatz bei sich auf Station zu besorgen und alle Dienste in der Notaufnahme für diesen Zeitraum gegen Stationsdienste zu tauschen. Somit starten wir gemeinsam an meinem ersten Ferientag früh am Morgen von seinen Eltern aus ins Krankenhaus.

„Bist du aufgeregt?" fragt er mich im Auto, aber ich schüttle selbstsicher den Kopf. „Du hast ja behauptet, es seien alle ganz nett. Von daher mache ich mir keine Gedanken". „Stimmt. Heute haben wir mit Birgit und Mia Dienst. Beide sind total lieb. Vor allem Birgit. Nur zum Schichtwechsel kommt meine Lieblingsschwester... wir gehen, bevor sie da ist. Das gibt sonst nur Probleme" seufzt Frederik. „Warum?" „ach... sie will schon länger was von mir und gibt es auch nicht auf... auch wenn ich sie jedes Mal abweise. Gleichzeitig hat sie mitbekommen, dass jemand junges, weibliches vor Monaten bei mir eingezogen ist, mit der ich auch noch im Urlaub war... das war ein totales Eifersuchtsdrama! Und wenn sie jetzt noch mitbekommt, dass du das bist... ach, ich will einfach nur, dass du ein schönes Praktikum hast" druckst er ein wenig herum. „Oh" sage ich nur und schaue auf die Straße. Eifersüchtige Schwestern also. Das ist in der Tat nicht so spaßig! „Alles wird gut!" Frederik greift nach meiner Hand und drückt sie kurz. Ich nicke und merke, wie ich jetzt doch etwas aufgeregt werde.
Eine viertel Stunde später erreichen wir den Parkplatz des Klinikums. „Oh... den Parkplatz kenne ich doch!" Kichere ich, als Frederik sich auf genau den selben Platz stellt wie damals, als er mich als ‚Vater' ins Krankenhaus gebracht hat und ich mich bei ihm beschwert habe, dass er sich einfach auf die Plätze der Mitarbeiter stellt. „Richtig" er grinst und steigt aus. Ich folge ihm und gemeinsam betreten wir das Krankenhaus.

„Guten Morgen! Darf ich vorstellen? Unsere neue Praktikantin Emilia" stellt Frederik mich kurzerhand vor, als wir das Schwesternzimmer betreten und mich eine etwas ältere Schwester mit blonden Haaren und einer Brille, sowie eine junge Schwester mit dunklen Haaren und dick aufgetragener Schminke anschauen. „Ach, wie schön! Willkommen bei uns!" strahlt die blonde Schwester mich an und ich fühle mich sofort wohl in ihrer Gegenwart. Die andere Schwester starrt mich nur an. „Oh... hat heute nicht Mia Dienst?" fragt Frederik etwas überrascht und kühl in ihre Richtung und ich merke, dass etwas nicht stimmt. „Wir haben uns abgestimmt... ihr war diese Woche Spätschicht lieber und mir war die Frühschicht lieber" erklärt sie. „Alles klar. Wir gehen mal kurz Klamotten holen" verkündet Frederik und zieht mich wieder raus. „Wir haben heute schon ein Problem. Das ist diese besagte Eifersuchts-Schwester" flüstert er mir im laufen zu und ich nicke. Irgendwie habe ich's mir ja schon gedacht.

Herztöne (3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt