Kapitel 71

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Am nächsten Tag schickt Paul uns dann endlich die erlösende Nachricht: gerade als wir von unserem Mittagsschlaf wach werden, entdecke ich eine WhatsApp von ihm, dass er mit Anna im Krankenhaus ist und es jede Sekunde los geht. Ich zeige Frederik die Nachricht, er nickt jedoch nur verschlafen. „Vielleicht können wir heute Abend noch hin!" strahle ich aufgeregt und antworte Paul kurz mit Glückwünschen. „Abwarten. Vielleicht lässt sich der kleine Mann auch Zeit bis morgen" gähnt er als Antwort und streckt sich neben mir. „Oh, ich freue mich so sehr!" quietsche ich hibbelig und springe vom Bett auf. „Denke bitte an dein Herz!" ermahnt Frederik mich und beobachtet mich besorgt. „Es geht mir gut! Wirklich! Ich habe keine Schmerzen, keine Einschränkungen, meine Psyche hat auch alles gut verarbeitet..." „mit der Aussage wäre ich noch vorsichtig. Denk dran: als du es mir damals erzählt hast, kam das erlebte auch erst Wochen später hoch!" ermahnt Frederik mich und ich seufze. „Ich weiß. Aber aktuell gehts mir gut!" ich komme wieder zu ihm aufs Bett gekrabbelt und lege mich zurück neben ihn. „Falls das Kind heute noch kommt, fahren wir später hin - insofern es dir nichts ausmacht, schon wieder ins Krankenhaus zu fahren..." er streicht mir kurz über den Rücken und schließt dann seine Augen wieder. „Hey... du, ich habe über deine Worte nachgedacht... mit deinen Eltern... wir können gerne mit ihnen essen gehen" verkünde ich selbstsicher. „Was ist denn mit dir heute los? Du überbringst so viele gute Nachrichten..." grinst Frederik jetzt und zieht mich zu sich rüber, um mich zu küssen. „Glücksfee" kichere ich und erwidere den Kuss. „In einem Restaurant essen gehen oder bei Ihnen?" fragt er weiter und streichelt mir durch die Haare. „Hm. Das ist mir eigentlich egal... ich lasse mich überraschen" grinse ich. „Sag mal... kann es sein, dass es dir so gut geht, weil Jakob tot ist?" fragt Frederik vorsichtig und ich denke kurz nach. „Kann gut sein... immerhin brauche ich keine Angst mehr haben, ihm zu begegnen... es tut mir sehr sehr leid für ihn... denn das ist absolut fürchterlich und ich will auch nicht wissen, was am Ende alles in seinem Kopf los war... aber für mich ist es natürlich das beste" gestehe ich, auch wenn ich mich etwas schlecht für meine Worte fühle. „Das stimmt. Mich beruhigt es auch. Und ich glaube Elisabeth auch. Und Paul. Und meine Eltern. Und überhaupt! Wir konnten es alle nicht glauben, als wir von seinem Tod erfahren haben... aber vielleicht ist es am Ende auch für ihn das beste gewesen... er hätte sowieso eine lebenslange Haft bekommen" stellt Frederik fest. Ich nicke nur. „Also. Wann fahren wir das nächste mal zurück nach St. Moritz? Oder willst du über den Sommer lieber woanders hin?" Frederik betrachtet mich mit funkelnden Augen. „Hm. Also als allererstes muss ich jetzt mein Abitur übernächste Woche schreiben... dann sollte ich endlich mal Bewerbungen schreiben... wobei... für dieses Jahr bekomme ich sowieso keinen Studiumsplatz mehr. Also bin ich für den Rest des Sommers flexibel" erzähle ich leicht nachdenklich. „Das klingt gut. Dann überlege dir mal, wo es hingehen soll - ich lade dich ein" „niemals! Das kommt gar nicht erst in Frage! Schlimm genug, dass Elisabeth mich dazu zwingt, dieses Jahr noch direkt meinen Führerschein zu machen, den sie mir ja zu Weihnachten Geschenk hat..." maule ich. „Finde ich gut von ihr. Immerhin ist ja schon fast Mai. Nach fünf Monaten kann man sein Geschenk ruhig mal auspacken" grinst er. Ich knuffe ihn sanft in die Seite. „Also. Als allererstes kommt jetzt erst mal Pauls Sohn zur Welt, dann mache ich Abitur und dann reden wir über den Urlaub, den wir nach meinem Führerschein machen. Okay?" ich streichle Frederik über die Wange und er nickt. „Na von mir aus". „Komm, lass uns aufstehen... ich habe Hunger" maule ich etwas. Frederik fängt an zu lachen. „Ich bin total fasziniert, welche Seiten ich im Moment an dir entdecke... deine schmutzige Seite, deine hungrige Seite, deine glücklich-leichte Seite, deine offene Seite gegenüber fremden Menschen, deine Medizin-Seite,... krass! Mega gut!" freut er sich und küsst mich erneut. Ich kichere. „Die schmutzige Seite bei dir ist auch neu für mich... den Rest kannte ich schon, aber... es soll ja auch nicht langweilig werden" lächle ich. „Du wächst mir damit von Tag zu Tag mehr ans Herz" grinst er und küsst mich auf die Stirn. Ich kann sehen, wie glücklich er ist. „Auf was hast du denn Lust zu essen?" setzt er hinterher. „Die Trüffelpasta aus unserem Urlaub war wahnsinnig gut und die haben wir seitdem nicht mehr gemacht..." überlege ich mit einem unschuldigen Gesichtsausdruck. „Boa ja! Darauf hätte ich jetzt auch Lust! Komm, wir gehen einkaufen" Frederik steht vom Bett auf und zieht sich an. Ich folge ihm nach unten und gemeinsam machen wir uns auf den Weg.

Nach dem Essen eineinhalb Stunden später beschließen wir uns zu einem kleinen Spaziergang und danach gehen wir Elisabeth in ihrem Studio besuchen. Nachdem ich bis abends immer noch nichts von Paul gehört habe, werde ich immer nervöser. „Ich will, dass es jetzt los geht!" quengel ich wie ein kleines Kind, als Frederik und ich gerade einen Film schauen. „Du musst dich noch etwas gedulden...." sagt er nur und tippt weiter auf seinem Handy rum. Ich stehe auf und laufe im Raum auf und ab. „Jetzt entspanne dich mal... komm her!" er setzt sich auf und deutet mir, mich hinzulegen. „Ich sorge jetzt für etwas Entspannung" verkündet er und zieht mir kurzerhand mein Shirt aus und bittet mich, dass ich mich auf den Bauch lege. Er setzt sich kurzerhand auf meinen Po und fängt an, mir meinen Rücken zu massieren. „Machst du das jetzt so lange bis wir los können?" Murmel ich irgendwann tiefenentspannt und kurz vorm einschlafen und Frederik lacht. „Oder bist du eingeschlafen bist" entgegnet er. Ich Murmel etwas unverständliches, muss aber zulassen, wie ich nur wenig später ins Land der Träume abtauche.

Herztöne (3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt