Kapitel 70

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Er fährt mit seiner Hand vorsichtig über meine Seite bis zu der Rippe, an der jetzt eine riesige Narbe von der Kugel ist. Er betrachtet die Stelle traurig und streicht zögerlich darüber. „Tat es weh?" fragt er und ich nicke. „Wobei... das am Oberschenkel tat mehr weh... bei der Rippe war ich gefühlt schon halb tot... das habe ich gar nicht mehr so richtig mitbekommen" antworte ich wahrheitsgemäß. „Das tut mir so leid!" flüstert er mit erstickter Stimme, beugt sich zu mir rüber und küsst mich voller Leidenschaft. Während seine Hand auf meiner Wange liegt, zieht er mich mit der anderen auf sich. Ich fahre mit meiner Hand über seine nackte Brust und mit der anderen in seine Haare. „Wie kann man einen Menschen nur so verletzen?! Ich verstehe das nicht..." fragt er mit zittriger Stimme, nachdem ich mich auf ihm aufgesetzt habe und und streicht vorsichtig über meine Brüste. „Scheinbar bin ich auf deine fachliche Kompetenzen angewiesen..." lächle ich leicht und schaue runter auf seine Hände. „Hm... ich bin zwar gerade nicht im Dienst, aber für dich mache ich eine Ausnahme!" grinst er jetzt leicht und zieht mich wieder zu sich runter, um mich erneut zu küssen. Seine Lippen schmecken salzig wegen den Tränen, die bis eben noch über sein Gesicht gelaufen sind. Trotzdem ist es ein absolut fantastisches Gefühl, wieder so nah bei ihm zu sein! „Ich habe dich auch vermisst!" lächle ich leicht in den Kuss hinein. Als Antwort fährt er mit seinen Händen über meinen Rücken bis zu meinem Po, welchen er anfängt sanft zu kneten. Ich kichere und genieße seine Hände auf meiner Haut, bis ich keine kraft mehr habe, so auf ihm sitzen zu bleiben. „Sorry..." Murmel ich entschuldigend und rutsche wieder von ihm runter. „Alles okay?" fragt er verwirrt und ich nicke. „Mein Bein... ich kann nicht so lange sitzen" erkläre ich und deute auf die Narbe. Er nimmt seine Hand und streicht vorsichtig über die Stelle. „An was denkt man, wenn man so eingesperrt ist und keine Hilfe in Sicht ist?" fragt er neugierig, aber auch vorsichtig. „Gute Frage... ich habe an nicht viel gedacht ehrlich gesagt... wie schon gesagt: die Schmerzen, irgendwann Hunger und Durst... ich glaube, es war mir irgendwann ziemlich egal, ob ich sterbe oder nicht" ich zucke leicht mit den Schultern denn in der Tat kann ich mich nicht an viele bewusst erlebte Momente in dem Keller erinnern. Frederik nickt leicht und denkt kurz nach. „Meine Eltern haben natürlich auch mitbekommen, was zwischen uns läuft... sie würden dich, beziehungsweise uns gerne zum Essen einladen, wenn du gesund und bereit dafür bist" erklärt er. „Oh..." Murmel ich verlegen und merke, wie ich rot werde. „Ich würde mich sehr freuen... werde dich aber zu nichts zwingen" „und als was gehen wir dann zu ihnen? Als... Freundschaft plus? Als normale Freunde?...?" eine Beziehung traue ich mich nicht auszusprechen, auch wenn die Frage direkt in der Luft liegt. „Als was würdest du denn gerne hingehen?" fragt er leise und schaut angestrengt auf meine Hand, die er schon eine ganze Weile mit seiner umspielt. „Gute Frage... ich habe mir noch keine Gedanken dazu gemacht... irgendwie hatte ich andere Sorgen die letzten Tage" gestehe ich mit einem leichten Zwinkern. Er lächelt schwach. „Wir müssen es im Moment nicht definieren... wenn du es aber weiter definieren möchtest, dann sprich es bitte einfach an... nimm dir die Zeit, die du brauchst. Und bis dahin werden auch meine Eltern keine doofen Fragen stellen" er schaut mir in die Augen. Ich nicke dankend. „Was macht dein Herz? Spürst du etwas? Wenn irgendwas sein sollte, weil du etwas merkst... du weißt, bei jeder noch so kleinen Beschwerde MUSST du Bescheid sagen!... weil das..." Ich unterbreche ihn. „Es geht meinem
Herz gut. Ich kenne die Risiken - ich wurde selber aufgeklärt. Wenn was ist, melde ich mich!" verspreche ich ihm. Er seufzt. „Bist du müde? Ich habe noch nicht ein Mal die Augen zugemacht heute Nacht..." gesteht er. „Ja. Sehr sogar!" ich nicke und ziehe die Decke mehr über mich. „Dann lass uns schnell schlafen... Paul kommt morgen bestimmt vorbei und wenn er sieht, dass du bei mir nicht fitter, sondern nur müder wirst, wird er zum Tier - verständlicherweise" seufzt Frederik und ich muss schmunzeln. „Es wird Zeit, dass wir uns alle mal aussprechen" stelle ich fest. „Ja. Dafür bin ich auch. Ich habe euch nämlich eigentlich beide echt gerne!" entgegnet Frederik und schaltet sowohl den Fernseher, als auch sein Licht aus. „Ich glaube, das beruht auf Gegenseitigkeit... Gute Nacht!" nuschel ich müde und schließe meine Augen. „Gute Nacht!". Wenig später schlafen wir beide tief und fest.

Tatsächlich klingelt Paul am nächsten morgen, als wir es uns gerade am Frühstückstisch gemütlich gemacht haben. „Ich gehe schon" murmelt Frederik und steht auf. Wenig später kommt er mit Paul zurück. „Hey!" Ich lächle als Begrüßung und schiebe mir einen Bissen meines Brötchens in den Mund. „Hey, Guten Morgen! Na, alles gut bei dir?" er setzt sich neben mich und ich nicke. „Hast du den ersten Tag außerhalb des Krankenhauses gut verkraftet?" „Ja habe ich. Was machst du hier? Kommt dein Kind nicht jede Minute?" frage ich skeptisch und er nickt. „Ja. Allerdings. Anna ist wie eine tickende Zeitbombe. Ein Wunder, dass das Kind noch nicht da ist" bestätigt er seufzend. „Nicht, dass du die Geburt noch verpasst!" ich beiße erneut von meinem Brötchen ab. „Keine Angst, das passiert mir nicht. Errechneter Termin ist erst übermorgen" zwinkert er. „Kinder halten sich nie an diese Termine" mischt auch Frederik sich jetzt ein und setzt sich wieder auf seinen Platz. „Okay, hört mal... ich wollte auch eigentlich nur kurz nach Emilia schauen und mit euch reden..." ich höre, wie schwer ihm dieses Gespräch fällt. „Hm?" fragen Frederik und ich fast zeitgleich und schauen ihn an. „Ich weiß nicht, wie ihr beide verblieben seid und es geht mich auch nichts an... ihr müsst das selber wissen und ich mische mich auch nicht weiter ein. Ihr seid beide alt genug... ich möchte nur um eine Sache bitten: bitte bitte lasst es nicht in einem Rosenkrieg enden, Okay? Ich brauche euch beide als Freunde und würde gerne auch in Zukunft den ein oder anderen Geburtstag oder was auch immer mit euch beiden zusammen feiern! Und zwar ohne schlechte Stimmung!" er schaut ernst zwischen uns hin und her. „Mein verhalten die letzten Wochen und vor allem Tagen tut mir wirklich leid! Es wird nicht wieder vorkommen! Ich vertrauen euch beiden" beteuert er und atmet tief ein und wieder aus. „Kein Problem. Ich glaube, wir können dir beide verzeihen und dir versprechen, dass wir das wie Erwachsene geklärt bekommen" lächle ich überrascht und schaue bittend zu Frederik. „Na klar. Freunde müssen sich auch mal streiten und sich dann wieder vertragen" nickt er und tut mir damit einen riesigen Gefallen. „Danke" Paul lächelt schwach und reibt sich müde die Augen. „Komm, ich mache dir einen Kaffee" verkündet Frederik, klopft ihm kurz auf die Schulter und verschwindet dann in die Küche. Als er wieder zurück kommt, genießen wir ein entspanntes Frühstück zu dritt.

Herztöne (3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt