Kapitel 75

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Als ich am nächsten morgen aufwache, ist die andere Seite des Bettes leer. Dafür höre ich ein paar gedämpfte Geräusche aus der Küche. Scheinbar hatte Frederik so viel Hunger, dass er schon am Frühstück machen ist. Jedoch habe ich weder Appetit, noch Hunger. Eine viertel Stunde später geht die Tür auf und Frederik kommt mit einem voll beladenen Tablett ans Bett. „Guten Morgen! Ich habe uns Frühstück gemacht... ich hoffe, du hast etwas Hunger" grinst er mich fröhlich an und ich merke, wie mir warm wird. In der Tat habe ich nur wenige so aufmerksame Menschen bisher kennengelernt wie ihn. Und man kann sehen, wie viel Mühe er sich mit dem Frühstück gegeben hat, was seine Aktion nur noch süßer macht. Neben frischen Pancakes hat er einen Obstsalat, frische Brötchen, Croissants und Joghurt aufgeladen. „Oh... danke" Murmel ich verlegen und setze mich auf. Dass ich ganz und gar keinen Hunger habe, verrate ich ihm nicht. „Bist du schon lange wach?" frage ich und versuche mich somit selber etwas abzulenken. „Seit zwei Stunden schon" seufzt Frederik. „Aber ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt?" setzt er hinterher und ich schüttle den Kopf. „Ich gehe heute Abend zu Elisabeth ins Studio... etwas trainieren" lüge ich und beiße in ein Stück Banane. „Oh, sehr schön! Unternehmen wir davor was zusammen wenn ich eh schon frei habe? Und du ja jetzt auch keine Ausrede mehr hast, dass du lernen müsstest?" er zwinkert grinsend und knufft mich sanft in die Seite. „Ja... ich... vielleicht etwas entspanntes?" druckse ich herum und Frederik nickt etwas verwirrt. „Klar. Warum nicht? Aber lass uns das schöne Frühlingswetter genießen - nachdem wir den Urlaub gebucht haben" erinnert er mich und fängt ebenfalls an zu essen. „Oh... vielleicht können wir... das wannanders machen?... dann rede ich später erst mit Elisabeth wegen dem Führerschein" Murmel ich und vermeide es, Frederik anzusehen. „Klar. Sag mal... wie willst du mit deiner Hand eigentlich Yoga machen?" fragt er neugierig und betrachtet diese. „Ach. Elisabeth fällt schon was ein" lächle ich schwach. „Na gut. Wann willst du dort sein?" er schaut auf seine Uhr. „Um 16 Uhr" ich esse meine Schüssel Obstsalat fertig und stelle das Geschirr dann zurück auf das Tablet. „Oh... schon fertig?" Frederik klingt fast schon enttäuscht. Und ich kann es ihm nicht einmal verübeln. „Ähm... nur kurz Pause" lächle ich leicht und überwinde mich eine viertel Stunde später zu einem Brötchen und einem Croissant mit Nutella. „Schon besser!" Frederik schaut mir stolz beim Essen zu und als wir fertig sind, bringt er alles zurück in die Küche. Noch bevor er zurück kommt, ergreife ich die Flucht und verschwinde mit frischen Klamotten ins Badezimmer unter die Dusche.
Während das heisse Wasser auf mich runter tropft, betrachte ich nachdenklich meinen Bauch. Ich kann dieses Kind auf keinen Fall bekommen! Zu groß sind meine Zukunftspläne und Träume und zu jung und unvorbereitet fühle ich mich für das alles. Und da ich meine Freundschaft zu Frederik keinesfalls verlieren will, bin ich mir nach wie vor nicht sicher, ob es gut wäre, wenn er davon erfährt. Asozial wäre es auf jeden Fall, wenn ich ihm nichts davon erzähle, das weiß ich. Aber er würde mit Sicherheit keine Abtreibung unterstützen. Ich seufze überfordert und schließe meine Augen. Vielleicht sollte ich wirklich mit Elisabeth später mal drüber reden? Wobei... auch sie würde mein Vorhaben nicht unterstützen. Sie würde vielleicht die Abtreibung unterstützen weil sie wollen würde, dass es mir gut geht, aber sie würde es nicht unterstützen, dass ich es für mich behalte und einen Alleingang daraus mache. Bevor noch mehr Gedanken in meinen Kopf kommen, greife ich nach meinem Shampoo und Seife mich ein. Als ich wieder aus dem Badezimmer raus komme, wartet Frederik schon auf mich. „Was hältst du von einem Spaziergang?" fragt er fröhlich und zieht mich zu sich. „Klingt gut!" lächle ich etwas und lasse mich von ihm umarmen. „Geht's dir gut? Ich habe das Gefühl du freust dich gar nicht richtig, dass du fertig mit der Schule bist..." murmelt er gegen meine Haare. Und er hat ja auch recht. So richtig bewusst ist es mir noch nicht und durch alles andere aussenrum kann ich mich auch noch nicht freuen. „Ach... die Hand, Jonas Geburt, der Führerschein... es sind gerade noch so viele andere Sachen in meinem Kopf" erkläre ich. „Apropos... ich müsste unbedingt mal wieder bei ihm vorbei" setze ich hinterher. „Na dann los. Wir laufen zu ihm, schauen bei den dreien vorbei und kommen dann zurück" verkündet Frederik und lässt mich wieder los. Ich nicke und folge ihm runter. Eine Dreiviertelstunde später erreichen wir das Haus.

„Oh, Hallo! Mit euch haben wir gar nicht gerechnet..." Anna öffnet uns verschlafen die Tür und sofort breitet sich mein schlechtes Gewissen in mir aus. „Stören wir?" fragt Frederik überflüssigerweise, aber sie schüttelt den Kopf. „Ach was... kommt rein... die Nacht war nur schrecklich kurz... Bauchschmerzen scheinen Jonas Schlaf gestört zu haben... und er unseren" erklärt sie und führt uns ins Wohnzimmer. „Wir können auch später wieder kommen... oder morgen" schlage ich schnell vor und Frederik nickt unterstützend. „Alles gut. Setzt euch, ich sage Paul Bescheid. Er steht gerade unter der Dusche" erklärt Anna und verschwindet hoch. Ich lasse mich auf das kalte Leder fallen und reibe mir ebenfalls müde die Augen. „Was essen wir heute Abend?" fragt Frederik, schnappt sich einen herumliegenden Stift vom Wohnzimmertisch und fängt an, auf meinem Gips herumzumalen. Ich muss etwas kichern, während ich ihm zuschaue und denke nach. „Gute Frage. Lass uns darüber reden, wenn ich zurück bin" bitte ich ihn. Im selben Moment kommt Anna zu uns zurück. „Oh... das sehe ich ja jetzt erst... was hast du denn gemacht?!" fragt sie schockiert, während sie sich ihre Haare zu einem Zopf bindet. „Irgendwie blöd gefallen" antworte ich nur knapp und hoffe, dass sie keine weiteren Fragen stellt. „Wie waren deine Prüfungen?" fragt sie weiter. „Am besten erzähle ich gleich alles wenn Paul da ist... sonst erzähle ich doppelt" schlage ich vor. „Gute Idee. Wollt ihr etwas trinken?" sie schaut zwischen Frederik und mir hin und her. Während er nickt, schüttle ich den Kopf. Sie verschwindet in die Küche und kommt ein paar Minuten später mit zwei Gläsern und Paul zurück. „Hey ihr beiden! Was macht ihr denn hier?" er sieht etwas fitter als Anna aus, was aber vielleicht auch nur an der Dusche liegt. Im Arm hat er Jonas. „Wir wollten euch besuchen... jetzt wo Emilia alle Prüfungen fertig hat und sich die Hand gebrochen hat" verkündet Frederik. Ich verdrehe leicht die Augen. „Du hast WAS?! Oh ja... jetzt sehe ich es" er gibt Jonas an Frederik weiter und inspiziert meine Hand. „Wie ist das passiert?" wiederholt er Annas Worte und seufzend fange ich an, von vorne zu erzählen - auch von meinen Prüfungen und den Fragen, die sonst noch während des Gespräches auftauchen. Nur von Jonas versuche ich mich fern zu halten, um nicht in Tränen auszubrechen - auch wenn es mir unbeschreiblich schwer fällt!

Herztöne (3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt