Kapitel 58

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Frederik bleibt den ganzen Tag mit mir bei seinen Eltern und ich bin ihm unwahrscheinlich dankbar dafür. Seinen Vater lerne ich pünktlich zum Mittagessen kennen, aber auch er ist äußerst freundlich, wenn auch nicht ganz so gesprächig wie Frederiks Mutter, die am liebsten sofort alles über mich wissen würde. Zudem kann sie äußerst gut kochen und backen. Nachdem Frederik verschwunden ist, verabschiede ich mich auch nach oben in ‚mein' Zimmer, werfe mich dort aufs Bett und rufe erst Elisabeth an, der ich alles erzähle (und die danach wie ich es bereits befürchtet habe, fix und fertig ist) und anschließend Paul. Er hat leider noch keine Neuigkeiten für mich, ist aber wahnsinnig froh darüber, dass ich jetzt erst einmal woanders untergekommen bin. Er wagt sogar zu behaupten, dass Jakob mich dort erst einmal nicht findet. Bevor ich versuche zu schlafen, schreibe ich noch ein paar Nachrichten mit Frederik hin und her und als er mir mitteilt, dass sich sein Bett ungewohnt kalt und leer anfühlt, realisiere ich zum ersten Mal so richtig, wie wichtig er mir geworden ist und wie sehr ich ihn jetzt schon vermisse. Am liebsten würde ich zu ihm fahren und wie immer neben ihm einschlafen - erstaunlich, wie schnell solche Kleinigkeiten zu festen Ritualen und Angewohnheiten werden können und wie sehr es uns mitnehmen kann, wenn uns genau das genommen wird. Trotz allem fühle ich mich tatsächlich relativ sicher in meiner neuen Umgebung und dank des Schlafmangel aus der letzten Nacht schlafe ich auch relativ zügig ein.

Als ich am nächsten morgen die Augen aufschlage, gebe ich erschrocken einen kurzen Schrei von mir, bis Frederik mir den Mund zuhält. „Pst! Du weckst die anderen noch!" schmunzelt er und nimmt seine Hand wieder von meinem Mund. „Was um alles in der Welt machst du hier? Musst du mich so erschrecken?" maule ich und versuche meine Haare etwas zu sortieren. „Ich habe mir gedacht, weil Sonntag ist und ich eh nicht arbeiten muss und ich es dir auch nicht antun möchte, mit zwei komplett fremden alleine zu frühstücken, komme ich vorbei. Ich war aber nur irgendwie schon ziemlich früh wach und konnte nicht mehr schlafen... deshalb bin ich hier hoch gekommen" erklärt er. Ich lächle gerührt. „Vielen dank, das ist sehr nett von dir!". „Hast du gut geschlafen?" er setzt sich auf und stopft sich eines der Kissen hinter den Rücken, eher er sich an der Wand anlehnt. „Sehr gut sogar! Was ich aber nicht verstehe...." ich reibe mir die Augen und Kuschel mich dann wieder tief in die Bettwäsche ein - auch weil ich nichts außer meiner Unterwäsche an habe. „Hm?" Frederik streckt seine Hand nach mir aus. „Wie schaffst du es jeden Morgen deine Haare so perfekt hinzubekommen?" kichere ich und halte seine Hand fest, bevor sie meine eigenen Haare erreicht. „Findest du? Ich weiß nicht... ich mache nichts besonderes" lacht er und beugt sich zu mir runter. Jetzt bin ich es, die ihre Hand ausstreckt und mit ihr geradewegs durch seine Haare streichelt. „Passt alles?" Frederik grinst und ich kichere. „Oh ja! Weich wie Zuckerwatte" lächle ich. „Was ist eigentlich aus deinem Psychologie-Studiumstraum geworden?" fragt er und ich seufze. „Gute Frage. So viel wie im Moment passiert, überlege ich, ob ich mich nicht doch noch mal umorientieren soll... aber..." „aber? In welche Richtung?" „naja... ich... bin beeindruckt, wie ihr im Krankenhaus immer den armen Menschen helft, die eingeliefert werden... vielleicht nutze ich meine Osterferien für ein Praktikum in der Medizin" gestehe ich. „Nice! Das finde ich absolut gut!" strahlt Frederik und zieht mich in seine Arme. „Vielleicht gefällts  mir am Ende ja gar nicht..." schmunzle ich gegen seine Brust und schließe noch etwas müde meine Augen wieder. „Ich sorge dafür! Du musst nur zu uns in die Orthopädie / Unfallchirurgie kommen. Dann machst du das beste Praktikum deines Lebens!" er zieht die Decke über uns und dreht sich so, dass ich unter ihm liege und stützt sich mit seinen Armen links und rechts neben meinem Kopf ab. „Hm. Wäre das wirklich eine so gute Idee? Am Ende heißt es noch, ich würde bevorzugt werden..." ich schaue ihm fest in die Augen. Er denkt kurz nach. „Nein. Die sind dort alle total nett! Bis auf eine... aber mit der werde ich dann schon fertig. So wie immer" er grinst und fährt mit seiner Hand zu meinem Bauch, um mich etwas zu kitzeln. „Unterstehe dich! Ich sag's dir nur ein Mal!" ermahne ich ihn, bevor er richtig anfangen kann, als ich realisiere was er vor hat. „Sag bloß, du bist kitzlig?" kurzerhand schnappt er sich meine Handgelenke und fixiert sie mit einer Hand über meinem Kopf, mit der anderen Hand setzt er gnadenlos sein Vorhaben durch. „Du... wirst nie wieder... morgens hier... sein... bevor ich nicht... aufgestanden bin!... und... zu Not... frühstücke ich alleine... mit deinen fremden... Eltern....!" lache und pruste ich, während ich nach Luft schnappe und versuche, seine Hände von mir zu lösen. „Lachen macht glücklich" grinst er nur und denkt gar nicht darüber nach, aufzuhören. „Bitte nicht!... bitte höre auf...! Ich... ich kann nicht mehr... ich... brauche Luft..." keuche ich irgendwann mit rotem Gesicht und wische mir ein paar Tränen aus dem Gesicht, als er mich wieder los lässt. „Okay... du kannst jetzt wieder von mir runter. Ich mache ein Praktikum bei dir auf Station, dafür kitzelst du mich für den Rest des Jahres nicht mehr!" „Boa, das ist ein Deal!" Frederik rollt sich neben mich, zieht mich aber im selben Zug auf sich und deckt mich zu. „Okay, das ist bequem!" gestehe ich und mache es mir auf seiner Brust bequem. Er legt seine Arme unter der Decke fest um mich und schließt ebenfalls seine Augen. „Du bist eine gute Decke!" murmelt er leise und gähnt. Ich lächle leicht und genieße den Augenblick, bis es plötzlich an der Tür klopft. „Nein!" ruft Frederik und stöhnt leise aber genervt auf. Trotzdem öffnet sich die Tür einen kleinen Spalt. „Guten Morgen... ich wusste nicht, dass du hier bist... ich habe nur eben dein Auto gesehen und mich gefragt, wo du bist" erklärt seine Mutter und schielt jetzt doch vorsichtig ins Zimmer. „Ooooooohhh! Entschuldigt bitte!" setzt sie augenblicklich hinterher und verschwindet fluchtartig wieder. „Ist das der Moment, in dem die Gerüchte los gehen?" seufze ich und er nickt. „Ich glaube ich gehe am besten mal duschen... dann können wir gleich runter" schlage ich vor und rutsche wieder von Frederik runter. Er nickt wieder und schaut mir zu, wie ich ein paar Klamotten zusammensuche und aus dem Zimmer verschwinde.

Das Frühstück wird zum Glück trotz allem erträglicher als erwartet - nachdem Frederik ihr immer wieder mahnende Blicke zuwirft, scheint seine Mutter sich jeden Kommentar zu verkneifen. „Wir sind heute unterwegs, aber keine Sorge - heute Abend bringe ich dir dein Pflegekind wieder zurück" verkündet Frederik nach dem Frühstück an seine Mutter gewandt und sowohl sie, als auch ich werfen ihm einen fragenden, beziehungsweise überraschten Blick  zu. Er ignoriert es und fängt an, sich fertig zu machen.

Herztöne (3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt