Kapitel 93

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„Mehr als Sieben Jahre haben wir kein Wort miteinander geredet, dann fauchen wir uns nur an und jetzt vertragen wir uns innerhalb weniger Tage so schnell und so ausgiebig" stelle ich kichernd fest, als wir abends Hand in Hand am Rheinufer entlang laufen und die letzten Sonnenstrahlen des Jahres versuchen einzufangen. „Stimmt. Ich hätte es selber nicht mehr für möglich gehalten und selbstverständlich und normal ist das auch nicht - aber ich will mich nicht beschweren! Deine Worte haben mich echt wach gerüttelt gehabt... ich habe nie darüber nachgedacht, was sie in dir auslösen könnten. Wir sollten uns gegenseitig für die Zukunft versprechen, immer ehrlich zueinander zu sein und offen zu reden!" er schaut ernst zu mir rüber. „Ich verspreche es!" ich drücke seine Hand etwas und lasse mich mit ihm auf die nächste kommende Parkbank fallen. Wir beobachten schweigend die vorbeilaufenden Menschen und die vorbeifahrenden Boote im Wasser und erst als es zu kalt wird, um weiter sitzen zu bleiben, beschließen wir zurück zu laufen. „Pizza, Pasta, Chinesisch, Burger oder was ganz anderes?" fragt Frederik, als wir zurück in meiner Wohnung sind und ich denke kurz nach. „Lass und selber Pasta machen... die Trüffel-Pasta aus dem Skiurlaub" grinse ich voller Vorfreude und reibe meine kalten Hände aneinander. „Hmmm... oder wir heben uns die auf für Ende des Jahres, wenn wir wieder in der Hütte sind" Frederik zieht mich zu sich und legt seine Hände um meine Hüften. „Über Silvester bekomme ich schon Besuch... meine Freunde aus dem Studium kommen... aber ich stelle sie dir gerne vor!" „klar, wenn das für dich okay ist... und was machst du über Weihnachten?" fragt er weiter und ich zucke mit den Schultern. „Vermutlich mit Elisabeth einsam Filme schauen... mittags Paul besuchen... ich weiß nicht" ich zucke mit den Schultern. „Hm... oder wir besuchen Paul und Elisabeth ein paar Tage vorher und verschwinden dann nach St. Moritz" er grinst frech. Ich muss lächeln. „Aber ich bin in all den Jahren nicht mehr Ski gefahren..." stelle ich fest. „Dann ab diesem Jahr jedes Jahr! Also?" er schaut mich flehend an. „Okay!" Ich lächle mit erröteten Wangen und küsse ihn kurz. Diese ganze Situation in der wir uns befinden ist so unrealistisch, dass ich immer wieder daran denken muss, dass ich morgen wahrscheinlich einfach aufwache und mein Leben wieder die reinste Hölle ist, weil Frederik sich wie ein riesiges Arschloch auf der Arbeit verhält. Apropos riesiges Arschloch: „Was ist eigentlich mit dieser fürchterlichen Schwester passiert? Die, die im Praktikum dafür gesorgt hat, dass wir überhaupt miteinander geschlafen haben?" kichere ich und versuche mich, an ihr Gesicht zu erinnern. „Oooohhh... Schwester Miriam meinst du" Frederik verdreht leicht die Augen und löst sich seufzend von mir. „Sie existiert nach wie vor auf der Station..." „wie kommt es, dass ich sie noch nicht gesehen habe?" entgegne ich verwirrt und runzle die Stirn. „Also zuerst hatte sie drei Wochen Urlaub und seitdem ist sie wohl krank... Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis du sie wieder siehst..." er zuckt leicht mit den Schultern. „Wahrscheinlich erkennt sie mich genauso wenig wie Birgit es tut. Oder jemand von den anderen" ich lächle zuversichtlich. „Wahrscheinlich... also? Was kochen wir? Pasta, aber auf eine andere Art und Weise?" schlägt Frederik vor und ich nicke begeistert. Kurzerhand suchen wir uns ein Gericht raus, stellen jedoch fest, dass mein Kühlschrank viel zu leer zum kochen ist und gehen erst einmal einkaufen. Zurück bei mir in der Wohnung verräume ich alles, während Frederik schon mal anfängt, alles vorzubereiten. Es dauert keine Stunde, da sitzen wir mit unseren Tellern an Tisch und genießen die letzten Stunden des gemeinsamen Tages.

„So und jetzt? Wieder ein paar Filme schauen?" Frederik reibt sich grinsend seine Hände aneinander, als er fertig ist. „Gerne!" freue ich mich und schnappe mir seinen und meinen Teller und bringe beides in die Küche. „Und was machen wir morgen?" fragt Frederik und lässt mich kurz nachdenken. „Wir gehen erst bei Elisabeth vorbei, dann bei Paul und Anna, dann bei deiner Mutter und am Ende zu dir" kichere ich und Kuschel mich zu ihm unter die Decke. „Wenn du willst... von mir aus gerne" er betrachtet mich leicht fragend von der Seite. Mit dieser Antwort hätte ich ehrlich gesagt nicht gerechnet - es war mehr ein Spaß, denn die Vorstellung daran, mich all den Fragen, den besorgen Gesichtern, Frederiks doch fremden Eltern, beziehungsweise seiner Mutter, und ich weiß nicht was noch allem zu stellen, sorgt für ein sehr unwohles Gefühl in meinem Bauch. Aber früher oder später müssen wir da wohl sowieso durch - anderenfalls hätte ich mir das früher überlegen sollen. „Dann machen wir das so. Und abends gehen wir zusammen zu ‚unserem' Italiener" ich schaue ihn mit einem Hundeblick an und er lacht. „So so!" er beugt sich zu mir rüber, legt seine Finger unter mein Kinn und küsst mich. „Gehen wir auch wieder zusammen duschen?" fragt er leise in den Kuss hinein und als ich nicke, küsst er mich erneut. Und so lassen wir den Abend ohne jeglichen Stress, ohne Zweifel oder Sorgen, Ängste oder einem anderen negativem Gefühl ausklingen.

Und zu meiner Erleichterung wird der kommende Tag nicht so schlimm, wie ich es mir während des gesamten Frühstücks am nächsten morgen schwarz-weiß ausmale. Elisabeth, die wir zuerst besuchen, freut sich einfach nur wahnsinnig uns zu sehen und zu hören, dass wir uns doch endlich wieder vertragen haben. Sie zaubert sofort Kaffee und Kuchen auf den Tisch, als hätte sie geahnt, dass wir kommen und gemeinsam mit Stefan machen wir es uns auf der Terrasse gemütlich, wobei es doch schon relativ frisch ist, sodass wir nach eineinhalb Stunden auch wieder verschwinden und uns weiter auf den Weg zu Paul und Anna machen. Jonas ist wieder ganz aus dem Häuschen, als er den Besuch bemerkt und nachdem er sich sogar an Frederik erinnert, obwohl er Frederik in all der Zeit durchschnittlich nur vier mal pro Jahr gesehen hat, spielen die beiden gemeinsam mit seinen neuen Rennautos, während ich mich mit der kleinen Charlotte im Arm, Paul und Anna aufs Sofa fallen lasse und ihnen Rede und Antwort stehe. Und als Jonas nach etwa einer Stunde genug von Frederik hat und mich dazu auffordert, mit ihm in seinem Zimmer mit ein paar Murmeln zu spielen, nimmt Frederik meinen Platz ein, während ich mit dem sechsjährigen nach oben verschwinde. Aber auch Paul scheint keinesfalls negativ gestimmt zu sein, als er erfährt, dass Frederik und ich uns vertragen haben und jetzt sogar offiziell zusammen sind. Ich glaube zu erkennen, dass er sogar etwas erleichtert ist - aber vielleicht ist er es auch nur, weil wir dieses Mal einen festen Weg eingeschlagen haben und keine undefinierte Freundschaft. Bei Frederiks Mutter bekommen wir am frühen Abend dann sogar unerwartet Abendessen, sodass unser Restaurantbesuch ausfallen muss. Nachdem wir mit ihr aber auch die zweite Flasche Wein aufmachen, bin ich froh, dass wir schon gegessen haben und dass der Weg zu Frederik nicht mehr weit ist. Sein Auto muss er jetzt zwar stehen lassen, da er am nächsten Tag aber sogar frei und ich nur Spätschicht habe, stellen wir beide fest, dass es schlimmeres gibt.

„Was für ein Tag!" stöhne ich, als ich mich frisch geduscht in das alt bekannte Bett Kuschel und darauf warte, dass Frederik sich fertig umgezogen hat und sich zu mir legt. „Du sagst es! Danke, dass wir das gemacht haben! Es hat sich absolut richtig angefühlt!" Frederik küsst mich kurz auf die Stirn und schaltet dann das Licht aus. „Schlafen wir direkt?" Murmel ich müde und er nickt. „Ja. Schön, dich wieder hier in meinem Bett zu haben!" er greift in der Dunkelheit nach meiner Hand und während er sie festhält, schlafen wir beide innerhalb weniger Minuten ein.

Herztöne (3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt