Kapitel 31

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Als ich am nächsten Morgen aufwache, ist es komplett dunkel in dem Zimmer, in dem ich mich befinde. Sofort strömt der Geruch von Frisch gewaschener Wäsche in meine Nase. Ich drehe mich auf die andere Seite und schließe die Augen noch mal. Draußen ist es wahrscheinlich schon hell, aber die Rollladen vor dem Fenster vermeiden sämtliches Licht im Raum. Zwar habe ich letzte Nacht noch Zweifel gehabt, überhaupt schlafen zu können, aber nach einem warmen Tee und diesem extrem gemütlichen Bett, das auch noch so himmlisch riecht, fühle ich mich richtig gut. Ich weiß zwar nicht wie lange ich geschlafen habe, aber es muss doch relativ viel Schlaf gewesen sein. Kurz später döse ich wieder etwas vor mich hin, bis es an meiner Tür klopft. Ich erschrecke kurz, dann tue ich so, als würde ich schlafen. Es klopft noch mal, dann geht die Tür auf. Ich kann zwei Stimmen flüstern hören. Die eine ist von Paul, die andere von Frederik. „Schläft?" fragt Frederik leise und Paul nickt. „Schläft. Wenn Elisabeth und Jakob wüssten, dass wir gar nicht frühstücken und spazieren sind... aber sie müssen es ja auch nicht wissen. Und du hast wirklich nichts aus ihr raus bekommen? Und auch keine Vorahnung?" flüstert Paul jetzt zurück. Ich blinzle vorsichtig, aber bis auf die Schatten der beiden kann ich nichts gegen das grelle Licht aus dem Flur erkennen. „Nein. Wirklich nicht. Und selbst wenn: ich habe ihr versprochen, es für mich zu behalten. Aber ich weiß nicht, was los ist. Lass sie schlafen, sie scheint es zu brauchen" fordert er Paul jetzt auf. Bis eben hat mein Herz wie verrückt geklopft, aber nach Frederiks Worten beruhigt es sich langsam wieder. Er würde es also tatsächlich für sich behalten. Es ist beruhigend das zu wissen. Paul schließt die Tür wieder und ich höre, wie ihre Schritte und Stimmen sich wieder entfernen. Paul ist also schon da. Und er hat mir ein Alibi gegeben. Bitte lieber Gott, lass Elisabeth sich keine zu großen Sorgen machen! Ich ziehe mir die Decke bis unter die Nase. Meine Schmerzen von gestern sind weg - zumindest die körperlichen. Ich versuche nicht an letzte Nacht zu denken, sondern mir einzureden, dass es ab jetzt wieder besser wird.
Ich werde später aufstehen, mich fertig machen, vielleicht wirklich mit Paul etwas frühstücken gehen und gegen Mittag nach Hause kommen. Dann werde ich wie immer am Wochenende das Mittagessen mit Elisabeth zubereiten, mit ihr und Jakob am Tisch sitzen und quatschten und dann meine Hausaufgaben machen. Heute Abend werden wir einen Film schauen und dann ins Bett gehen. Alles wird gut sein! Ich lächle leicht und während ich mir einen Bilderbuchtag ausmale, versinke ich langsam wieder ins Land der Träume.

„Hey... Emilia... du solltest langsam aufwachen... auch wenn es mir wirklich wahnsinnig leid tut, dass ich dich wecken muss!" es ist Paul, der mich sanft rüttelt, um mich wach zu bekommen. „Hm?" frage ich Schlaftrunken und drehe mich zu ihm um. „Es ist schon 13 Uhr... du schläfst seit zehn Stunden" erklärt er mir. „Oh Mist!" nuschel ich verschlafen und fühle mich dabei, als hätte ich noch nie in meinem Leben geschlafen. Paul muss schmunzeln. „Verstehst du überhaupt was ich sage? Bist du wach oder noch im Land der Schäfchen?" „weiß nicht" ich drücke mein Gesicht ins Kissen und merke, wie ich immer wieder in einen Sekundenschlaf rutsche. „Hey... ich habe Elisabeth gesagt, dass wir frühstücken und spazieren sind... mittlerweile sind wir sogar noch zusammen Mittagessen. Sie schöpft noch keinen Verdacht, aber wir sollten es auch nicht riskieren. Ich hätte dich gerne noch schlafen gelassen und Frederik auch, aber ich weiß nicht wie sie reagiert, wenn sie merkt, dass wir sie angelogen haben. Verstehst du?" fragt er und ich nicke mit geschlossenen Augen. „Wir können ja auch noch zusammen Abendessen" schlage ich nach wie vor im Halbschlaf vor und Kuschel mich ein Stück mehr in meine Decke. Warum bin ich nur so müde? Das kenne ich so gar nicht von mir. „Du bist süß" grinst Paul und gibt mir einen Kuss auf den Kopf. „Komm, wir bestellen unten Pizza und bis die da ist, bist du bitte auch unten" er steht wieder von meiner Bettkante auf und verschwindet aus dem Zimmer. Seufzend trete ich die Decke von mir runter. 10 Stunden Schlaf? Das habe ich in der Tat lange nicht mehr geschafft! Ich atme noch ein paar mal tief durch, dann setze ich mich auf und ziehe mir meine Klamotten vom Boden an. Meine Haare binde ich zu einem lockeren Dutt, da ich sowieso keine Haarbürste da habe und damit sämtliche widerspenstige Strähnen verstecken kann und schleiche mich dann durch den Flur auf der Suche nach dem Bad. Ich finde es zum Glück auf Anhieb, schließe mich ein und mache mich fertig. Nach einem kurzen Blick in den Spiegel muss ich sagen, dass ich auffallend unauffällig aussehe: keine Augenringe, keine geschwollenen oder geröteten Stellen. Trotzdem klaue ich mir ganz leise etwas von der Creme die auf dem Waschbecken steht und verteile sie in meinem Gesicht. Dann mache ich mich auf den Weg nach unten, wobei mir die Situation von Stufe zu Stufe doch mit einem Mal irgendwie unangenehm wird.

„Guten morgen!" begrüßt mich auch Frederik, als ich zu den beiden ins Esszimmer komme. „Hallo" nuschel ich schüchtern und mit erröteten Wangen und setze mich neben Paul. „Ich hoffe Margarita war okay?" fragt Paul ohne von seiner Zeitung aufzuschauen. Ich nicke leicht und lasse mir von Frederik ein Glas Wasser reichen. „Ich nehme an du hast gut geschlafen?" fragt er freundlich und ich nicke. „Wie ein Stein" antworte ich verlegen. „Man sieht es dir an. Du siehst tausend mal erholter aus als heute Nacht. Quasi wieder normal" „aber du willst uns nach wie vor nicht sagen, was dich so beschäftigt hat?" mischt Paul sich ein und ich schlucke. „Im Nachhinein betrachtet war es gar nichts wichtiges... ich habe nächste Woche unwahrscheinlich viele Prüfungen... und das hat mich einfach irgendwie umgehauen... weil das Schuljahr ja auch gerade erst angefangen hat... ich muss doch meinen NC schaffen!" erkläre ich Paul glaubhaft. „Und das beschäftigt dich so sehr an deinem Geburtstag?" er legt die Zeitung zur Seite und starrt mich verwirrt an. „Es beschäftigt mich eigentlich ununterbrochen..." Ich lächle schwach. Nur Frederiks Blick merke ich auf mir ruhen. Ich muss wirklich dafür sorgen, ihm nie wieder zu begegnen!
Kurz später klingelt es an der Tür und wir machen es uns mit unseren Pizzakartons am Tisch gemütlich. „Danke euch beiden... für alles heute Nacht!" sage ich, bevor ich in mein erstes Stück beiße und beide Lächeln als Gegenreaktion. Nach dem Essen verabschieden wir uns von Frederik und machen uns zurück auf den Weg nach Hause.

Herztöne (3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt