Kapitel 79

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Erst am späten Nachmittag komme ich wieder aus meinem Zimmer. Neben viel weinen habe ich es tatsächlich geschafft, für ganze vier Stunden zu schlafen.

„Fühlst du dich besser?" begrüßt Elisabeth mich mit gerunzelter Stirn und besorgtem Gesichtsausdruck, aber ich zucke nur mit den Schultern. „Komm zu mir" sie klopft neben sich aufs Sofa und ich lasse mich zu ihr fallen. „Was ist passiert?" fragt sie und legt ihren Arm um mich. „Ich habe alles kaputt gemacht... ich bin ein riesiges Monster!" „ach, sage doch sowas nicht! Warum bist du nicht bei Frederik?" „er hat mich raus geschmissen" meine Stimme ist belegt. „Raus geschmissen?! Warum denn das?" Elisabeth klingt überrascht. „Ich... muss dir was berichten..." Murmel ich und fühle mich dabei plötzlich wieder totmüde.  Im Grunde genommen MUSS ich ihr gar nichts erzählen, aber sie weiterhin anzulügen macht keinen Sinn - vor allem nicht jetzt, wo ich auf sie und das Gästezimmer angewiesen habe. Zumal ich ihr ja grundsätzlich nach all den Jahren doch das meiste anvertrauen würde nach allem, was sie für mich getan hat! „Ich höre?" sie betrachtet mich misstrauisch von der Seite und schweren Herzens fange ich an, ihr von der ganzen Geschichte zu erzählen.
„Um gottes Willen! Warum machst du das denn auch?" auch bei ihr haben sich jetzt Tränen in den Augen gebildet und sie zieht mich blass in ihre Arme. „Du hättest doch mit uns allen reden können... Frederik hat recht... du warst doch nie alleine! Warum hast du dir keine Hilfe geholt? Wir... wir hätten dir alle geholfen! Ich kann verstehen, dass er so sauer ist..." „ich vermisse ihn so sehr!" schluchze ich und dabei fühlt es sich so an, als würde mein Herz in tausend Teile gerissen werden. Ja. Die Sehnsucht nach Frederik ist das schlimmste an der ganzen Sache. „Hast du ihm mal geschrieben?" fragt Elisabeth ruhig, aber ich schüttle den Kopf. Dann hole ich mein Handy raus, heule aber wenige Sekunden später erneut auf. „Er hat mich überall blockiert!" rufe ich entsetzt und sinke in die Sofakissen. „Okay. Dann gib ihm ein paar Tage Zeit. Ihr beruhigt euch jetzt beide, wir bringen dein Leben wieder etwas auf die Reihe und dann geht es weiter, okay?" Elisabeth streichelt mir durch meine Haare. Ich nicke schniefend und denke weiterhin ununterbrochen an Frederik. Warum habe ich es nur soweit kommen lassen? Warum habe ich nicht ein Mal über die Konsequenzen nachgedacht? Natürlich verliere ich Frederik durch so eine blöde Aktion - das hätte mir klar sein müssen! Aber nein, ich war so egoistisch und denke nur an mich! Ich glaube mich nicht daran erinnern zu können, mich je zuvor schon mal so gehasst zu haben, wie in diesem Moment. Alles in mir drinnen tut weh. Und ich habe auch keine Hoffnung, dass dieser Herzschmerz je besser werden wird! „Du hast ihn sehr gerne, oder?" Elisabeth reißt mich wieder aus meinen Gedanken. „Hm?" Ich reibe mir meine geschwollenen Augen. „Frederik. Du hast ihn sehr gerne, oder?" wiederholt sie ihre Frage und ich nicke schniefend. Sie nimmt mich wieder in den Arm und flüstert mir immer wieder zu, dass alles gut werden wird. „Morgen gehen wir zusammen etwas Yoga machen. Und dann melden wir dich endlich für die Fahrschule an. Du darfst dich jetzt nicht hängen lassen! Gerade wenn du ihn zurück haben willst... du musst ihm zeigen, dass es dir leid tut und du an dir arbeitest, ja?" sie nimmt meine Füße auf ihren Schoß und massiert sie mir sanft. „Danke" krächze ich und schnappe mir ein Taschentuch aus der Box vom Wohnzimmertisch. „Was macht dein Studium?" fragt sie weiter. „Habe mich noch nicht darum gekümmert" schluchze ich. „Du hast mir dein Zeugnis noch gar nicht richtig gezeigt vor lauter verstecken" sie mustert mich enttäuscht. Ich stehe auf, gehe in mein Zimmer, wühle kurz in meiner Tasche und bringe ihr dann die rote Mappe. „Oh wow! Ein Schnitt von 1,1? Ich bin so so stolz auf dich!" strahlt Elisabeth und drückt mir einen Kuss auf die Wange. Auch ich muss etwas lächeln. „Und jetzt? Was würdest du gerne am liebsten machen? Psychologie oder Medizin? Oder etwas ganz anderes?" „nein... ich glaube Medizin" antworte ich, aber ich spüre wieder diesen Stich in meinem Herzen, weil es mich wieder direkt an Frederik denken lässt. „Dann kümmern wir uns auch darum morgen, okay?" sie reicht mir mein Zeugnis zurück und ich nicke. „Was essen wir heute Abend? Sollen wir Chinesisch bestellen? Das hatten wir lange nicht mehr! Und du musst sterben vor Hunger... du bist auch ziemlich blass" stellt sie fest. „Chinesisch ist gut!" lächle ich schwach. Elisabeth steht auf und geht in die Küche, nur um wenig später mit zwei Tassen Tee zurück zu kommen. „Hast du Schmerzen? Von deinem Termin gestern?" fragt Elisabeth weiter, während ich an meiner Tasse nippe. Ich schüttle den Kopf. „Was willst du essen? Ich rufe an" seufzte sie und steht wieder auf. Ich nenne ihr kurz meine Wünsche und schaue ihr dann hinterher, wie sie in die Küche zum telefonieren verschwindet. Hoffentlich habe ich Frederik nicht für immer verloren und kann ihn wirklich zurück gewinnen - und wenn auch nur als Freund! Ich brauche die Gespräche mit ihm, ab und zu eine Umarmung und seine Anwesenheit. Ein Leben ohne ihn kann ich mir nicht vorstellen! „Halbe Stunde, dann ist das Essen da!" verkündet Elisabeth, als sie zurück kommt. „Danke!" ich schließe meine Augen und versuche meine Gedanken für ein paar Minuten komplett auszuschalten. Wie angekündigt und fast auf die Minute genau kommt nach 30 min unser Essen an. Während ich eher unmotiviert darin herumstochere, ist Elisabeth nach zehn Minuten schon fertig. „Versuche zumindest ein paar Gabeln!" bittet sie mich und schaut mich eindringlich ein. Ich seufze und schiebe mir etwas in den Mund. „Bist du sauer?" frage ich irgendwann, bekomme als Antwort aber nur einen fragenden Blick. „Wegen der Abtreibung... dass ich nichts gesagt habe" erläutere ich. „Nein... bin ich nicht. Es tut mir leid, dass du das Gefühl hattest, alleine zu sein und mit niemandem von uns reden zu können. Aber du hast deine Entscheidung getroffen und damit musst du jetzt leben. Wenn du damit glücklich bist, ist alles andere egal. Und sauer ist niemand - außer vielleicht Frederik. Zerbreche dir also nicht zu sehr den Kopf. Wann wirst du Paul davon erzählen? Er hat mich so oft nach dir gefragt..." sie lehnt sich auf ihrem Stuhl zurück. Ich hole tief Luft und seufze dann. „Ich weiß nicht, wie ich ihm in die Augen schauen soll" erkläre ich. „Wir machen das morgen. Und wenn du willst, helfe ich dir. Und wenn nicht, lasse ich euch alleine reden" sie zwinkert mir zu. Ich nicke schwach und stehe dann auf. „Ich glaube, ich lege mich etwas hin..." verkünde ich und als Elisabeth etwas traurig nickt, verschwinde ich in mein Zimmer.

Herztöne (3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt