Brückenschlag (Inception)

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Ich habe nochmal in meinen Entwürfen zu Inception gekramt und das hier gefunden. Es ist vermutlich der unkomplizierteste von meinen Oneshots, da er als einziger fast gar nichts mehr mit dem Film zu tun hat xD (Man muss es also für's Verständnis nicht gesehen haben.)
Offenbar liebe ich Arthur und Eames ein bisschen zu sehr.

Mir kam die Idee dazu, als ich auf einem Klassenausflug in Prag war.
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Das Wasser glitzert im Licht der Sonnenstrahlen und bahnt sich einen Weg unter den massiven Brückenpfeilern hindurch. Sie stehen dort schon lange, so lange, dass sich die Brücke, die einst nur als zweckmäßiger Verkehrsweg erbaut wurde, zu einer Sehenswürdigkeit gewandelt hat. Es sind trotzdem nicht nur Reisende, die das Bauwerk anzieht.
Arthur lehnt an der Brüstung aus festem Stein, leicht vornüber gebeugt, und lässt die Sonne seine blasse Haut bescheinen. Niemand schenkt ihm große Beachtung, die Leute schlendern bloß an ihm vorbei. Im Hintergrund vermischt sich das Plappern der Touristen mit leiser Straßenmusik und dem entfernten Lärm der Stadt, doch er blendet es aus.
Er kümmert sich auch nicht um die Verkäufer, die hier ihre Postkarten und Schmucksteine anbieten, oder den in seine Arbeit vertieften Zeichner, der Porträts von interessierten Leuten malt.
Bis er auf einmal bemerkt, dass der Zeichner neben ihn getreten ist.
"Entschuldigung", sagt er zu Arthur, "Ich sah Sie dort an der Brüstung stehen und konnte nicht anders. Sie waren das perfekte Motiv. Möchten Sie das Bild mitnehmen?" Er überreicht ihm ein Blatt Papier.
Arthur betrachtet das Bild. Saubere Bleistiftstriche mit einer doch eher skizzenhaften Wirkung zeigen ihn selbst, wie er an der Brüstung lehnt und in die Ferne blickt. Eine akkurate Zeichnung; es sieht aus wie er. Nur sein Haar ist ein wenig zerzauster als in Wirklichkeit und seine Gesichtszüge entspannter. Aus irgendeinem Grund behagt ihm das nicht.
"Nein, danke", sagt er murmelnd. "Behalten Sie's. Oder verkaufen Sie es meinetwegen."
Der Mann verabschiedet sich höflich und geht zu seiner Staffelei zurück, um das Bild zu seinen anderen Werken zu stellen.
Arthur lehnt sich wieder über die Brüstung. Er schaut dem Wasser beim Fließen zu und fragt sich, was den Mann dazu bewogen hat, ihn zeichnen zu wollen. Es ist nichts Ungewöhnliches an seiner Erscheinung, von Weitem könnte man ihn allzu leicht mit einem Tourist verwechseln. Unbewusst runzelt er die Stirn.
Und auf einmal ist da eine Stimme an seinem Ohr.

"Was für eine Überraschung, dich hier zu sehen, Darling."
Ein Schreck fährt ihm durch die Glieder, doch trotzdem dreht er sich instinktiv um und hat bereits den Arm erhoben, als sich ein Paar Finger mit sanftem Druck um sein Handgelenk schließt.
"Ausgezeichnete Reflexe", sagt Eames anerkennend.
Arthur schüttelt leicht den Kopf. "Nein. Sonst hätte ich dir längst eine rein gehauen."
"Dann sollte ich wohl froh sein, dass du das nicht getan hast."
"Oder du hörst einfach auf, dich so anzuschleichen."
Arthur runzelt unbewusst die Stirn. Eames steht vor ihm. Tatsächlich, Eames. Seit dem letzten Job, für den Cobb sie beide angeworben hat, haben sie sich nicht mehr gesehen, und das ist schon eine ganze Weile her. Das hier ist so ziemlich der letzte Ort, an dem er damit rechnen würde, ihm über den Weg zu laufen. Er kann nicht anders, als zu fragen.
"Was machst du hier?"
Sein schroffer Ton tut Eames' unbeschwerter Miene keinen Abbruch. "Urlaub. Und du?"
"Bin mit einem Job fertig, mein Flieger geht morgen früh. Ich wollte meine restliche Zeit genießen, bis du hier aufgetaucht bist", fasst Arthur seine Situation zusammen. "Seit wann machst du Urlaube?", hängt er an.
Ein leichtes Schulterzucken ist die Antwort. "Seit ich das Geld dazu habe. Also schon immer."
Arthur zieht die Augenbrauen zusammen. "Du hast noch nie davon erzählt."
"Das liegt daran, dass wir uns immer nur bei Jobs sehen", sagt Eames wie selbstverständlich. Er lehnt sich etwas weiter über die Brüstung hinaus. Hätte er längeres Haar, würde es wie auf dem Bild im Wind wehen. "Wir könnten das natürlich ändern", fügt er hinzu.
Arthur blinzelt, etwas überrumpelt. "Wie bitte?"
"Warum nicht? Wir könnten ein paar Tage an Stränden entspannen und uns über alles unterhalten, das nicht mit der Arbeit zu tun hat."
Etwas perplex starrt Arthur ihn an. "Ich bin nicht der Typ für Urlaube", bringt er hervor.
Eames lehnt sich nur zurück. "Etwas Entspannung würde dir aber guttun."
Wahrscheinlich hat er Recht, aber es ist leichter, so zu tun, als wäre es nicht so. Es kann ihm vollkommen egal sein, was Eames sagt, schließlich haben sie sich nur rein zufällig getroffen und -
Arthur hält inne. Wie groß ist die Chance...?
Er wirft ihm einen Blick zu, eine Mischung aus Misstrauen und Neugierde. "Warum bist du hier?"
Eames zuckt mit den Schultern, so als wüsste er es selbst nicht genau. "Ist eine schöne Stadt."
Arthur schüttelt den Kopf. So einfach lässt er nicht locker. "Nein. Warum bist du hier, auf dieser Brücke, genau zu der Zeit, als ich auch hier bin?"
Mit einem Grinsen, das verdächtig ahnungslos wirkt, sieht Eames ihn an. "Ein Zufall?"
Ironischerweise ist genau das für Arthur die Bestätigung, dass es sich um das Gegenteil handeln muss. Eames ist nicht einfach zufällig auf irgendwelchen Brücken unterwegs, schon gar nicht hier.
"Sicher. Ein Zufall", sagt er gedehnt. Seine Gedanken beginnen plötzlich zu rasen. Eames hat nach ihm gesucht. Und Eames hat ihn gefunden, er hat ihn aufgespürt, und das, obwohl Arthur sich so sicher war, keine Spuren hinterlassen zu haben. Wie ist ihm das gelungen? Aber eine andere Frage beschäftigt ihn noch mehr: Was will Eames von ihm? Wieso ist er hier und plaudert über belanglose Dinge und fragt ihn, ob er Zeit mit ihm verbringen will?
Er muss sich eingestehen, dass er ein wenig überfordert ist. Er weiß nicht, wie er reagieren soll. Er ist noch nie ein Mensch für spontane Entscheidungen gewesen; er muss über alles gründlich nachdenken. Doch das kann er nicht, wenn Eames neben ihm steht und ihn auf eine Art ansieht, die er nicht zu deuten weiß, und er fühlt sich auf einmal verlegen und unwohl unter seinem Blick. Er presst die Lippen aufeinander und wünscht sich weit, weit weg.
Natürlich passiert nichts dergleichen, also nimmt er die Sache selbst in die Hand und zieht sein Telefon aus der Tasche. Eine gerade eingetroffene Nachricht verrät ihm, dass er zurück ins Hotel muss, um sein Gepäck abzuholen, oder irgend so etwas.
"Hier hätten wir noch einen Zufall", sagt er zu Eames, "Mein Flug wurde kurzfristig vorverlegt. Ich muss packen, die Zeit ist schon knapp. Tut mir leid." Rasch lässt er das Telefon zurück in die Tasche gleiten und meidet bewusst den Blick des Fälschers. Er hofft, dass seine schauspielerischen Fähigkeiten ausreichen, um ihn dieses eine Mal zu täuschen.
"Wir sehen uns!", ruft er über die Schulter, schon halb auf dem Weg. Dass sein Hotel eigentlich auf der anderen Flussseite liegt, braucht Eames nicht zu wissen. Zügig, aber nicht zu hastig, dass es auffallen würde, geht er über die Brücke.
Während er läuft, taucht eine ganz neue Frage in seinem Kopf auf.
Will er Zeit mit Eames verbringen? Nicht als Kollegen, weil es notwendig ist, damit sie Erfolg haben, sondern als... ja, als was genau?
Es ist fast nicht zu glauben, dass er sich diese Frage noch nie gestellt hat. Er hat es sich ganz einfach nicht erlaubt, über seine Gefühle nachzudenken. Und als er es schließlich tut, ist es ein bisschen zu viel, um auf Anhieb damit fertig zu werden.

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