Anziehungskräfte

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Vor ein paar Wochen saß ich so im Physikunterricht, wir hatten gerade Astronomie. Und um für einen Test zu üben, sollten wir einfach mal die Anziehungskraft zwischen zwei Schülern berechnen. Keine Planeten oder so, einfach Schüler😂
Wir stellten dabei fest, dass diese Kraft sich vergrößert, wenn die Personen sich näher sind.
Und da kam mein Gehirn natürlich auf die grandiose Idee, daraus einen Oneshot zu machen. Physik kann eben auch romantisch sein xD

Ich hab die Figuren einfach Clara und Rose genannt, weil ich irgendwie an Doctor Who denken musste - es hat aber nichts damit zu tun und ist nur... sagen wir, ein Zufall xD
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Das Lehrbuch starrte sie pflichtbewusst an; sie starrte zurück.
"Berechne die Anziehungskraft zwischen der Erde und der Sonne", las sie vor, gefolgt von einem frustrierten Stöhnen. "Wow, wen interessiert das?"
"Mich", gab Clara zurück. "Und dich sollte es auch interessieren, weil das unsere Hausaufgabe ist."
Rose warf ihrer Freundin einen Blick zu. Im Gegensatz zu Clara sorgte sie sich nicht allzu sehr um Hausaufgaben - oder Physik-Themen, die sie nicht interessierten. Im Ernst, dieses Lehrbuch hätte sie am liebsten selbst in die Sonne geworfen, Anziehungskraft hin oder her.
Trotzdem saß sie hier und beschäftigte sich mit dem blöden Ding, aber das auch eher Clara zuliebe als ihren Lehrern. Sie wusste, dass ihre Freundin von Astronomie fasziniert war, weshalb sie in den letzten Physikstunden auch jedes Mal begeistert nach vorn gestarrt hatte, während Rose gelangweilt neben ihr hockte und zum Zeitvertreib Claras braune Haare bewunderte. Die sanften Wellen ihres Haars faszinierten sie weitaus mehr als Gravitationsgesetze oder Urknalltheorien. Wen kümmerte es schon, wie das Universum entstanden war; Rose fragte sich eher, wie solch ein wunderschönes Mysterium wie Clara existieren konnte.
Clara war - leider - nicht nur ein Mysterium, sondern auch die Stimme ihres Gewissens, die sie regelmäßig daran erinnerte, ihre Pflichten nicht zu vernachlässigen. Zumindest nicht allzu sehr.
Und im Moment war das das Lösen der Hausaufgabe im Physikbuch.
Sosehr Rose ihre Freundin auch bewunderte - es konnte sie nicht dazu bringen, sich auf Physik zu konzentrieren.
"Berechne doch lieber die Anziehungskraft zwischen dir und mir", meinte sie. "Ich habe nämlich das Gefühl, sie wird gerade stärker."
Sie drehte ihren Kopf, um Clara anzusehen, deren Nase im Lehrbuch steckte.
Sie lagen in ihrem Zimmer auf dem erstaunlich bequemen Teppich und blickten zur mitternachtsblauen Decke hinauf, die - sogar passend zur Aufgabe - mit goldenen Sternen bepinselt war.
Clara griff nach dem Taschenrechner und begann etwas einzutippen, das Rose gar nicht erst versuchte zu verstehen. Die Mathematik und sie pflegten ebenfalls eine jahrelange Feindschaft.
"Wie groß ist der Radius?", fragte Clara, ohne von ihren Berechnungen aufzusehen.
Rose drehte sich wieder auf den Rücken. "Ich habe keinen Plan, wovon du redest."
"Die Entfernung zwischen uns, wie groß ist die?"
"Ein Meter? Zwei?", schätzte Rose. Wollte Clara ernsthaft ihre Anziehungskraft berechnen? Manchmal konnte sie es nicht fassen, dass sie mit diesem Mädchen eine Beziehung hatte. Manchmal fragte sie sich aber auch, wie sie das Glück haben konnte, ihr zu begegnen. Meistens auch beides.
"Okay, nehmen wir zwei Meter."
Clara gab den Rest der Formel ein, während Rose sich aufrichtete, um das Ergebnis zu sehen. Sie lugte über ihre Schulter und fand sich mit einer Zahlenfolge konfrontiert, die sie nicht zu deuten wusste.
5.505225e-08
"Wie viel ist das?"
"Sehr, sehr wenig."
"Oh." Rose machte eine schmollende Miene. "Das ist ein bisschen enttäuschend."
Da hatte sie geglaubt, selbst die Physik könnte einmal romantisch sein, und die Physik hatte sie gnadenlos enttäuscht.
Clara stupste sie liebevoll an der Schulter. "Dann nehmen wir einfach an, wir sind die Erde und die Sonne. Du bist meine Sonne, weil du so ein strahlender Mensch bist, und ich bin die Erde, weil ich um dich herum kreise."
"Und dich dabei noch bekloppt im Kreis drehst", fügte Rose hinzu. Was als trockener Kommentar geplant war, endete in einem Lachanfall, und als sie sich endlich wieder beruhigten, wusste Rose schon gar nicht mehr, was eigentlich so lustig gewesen war.
Clara lächelte ihr zu. "Weißt du, wie wir die Anziehungskraft zwischen uns vergrößern können?"
"Seh ich so aus, als hätte ich einen Plan von Physik?"
Claras Lächeln verblasste. "Ich wollte nur romantisch sein, du Idiot." Sie deutete auf das Physikbuch, in dem die passenden Formeln standen. "Indem wir den Abstand zwischen uns verringern."
Sie rutschte ein Stück näher und lehnte sich zu ihrer Freundin, bis sich ihre Schultern berührten. Sie hätte Rose mit der Nase anstupsen können.
"Jetzt ist der Abstand fünf Zentimeter." Sie änderte den Radius in ihrer Berechnung und zeigte Rose das Ergebnis, das nun nicht mehr sehr sehr klein war, sondern nur noch sehr klein. "Und schau, unsere Anziehungskraft ist gestiegen."
Rose blickte sie an, als hätte Clara ihr Magie vorgeführt. Ihre Freundin musste über ihre verblüffte Miene lachen. Dann sah sie sie auffordernd an.
"Wollen wir sie noch größer machen?"
Diesmal verstand Rose. Claras Hand rutschte in ihren Nacken, als sie sich nach vorn lehnte und ihre Lippen sanft zusammenbrachte. Es waren diese Momente, in denen ihr bewusst wurde, wie klein das Universum doch war - Clara war ihre Welt. Sie würde immer ihre Welt sein.
Sie waren jung und sie hatten Spaß und sie glaubten an sich. An die besondere Kraft, die sie zusammen zog.
"Okay, ich gebe es zu", murmelte Rose, "Physik ist romantisch. Ab heute ist es offiziell mein Lieblingsfach."
Es vergingen einige Minuten, bis sich einer von ihnen dazu bewegen konnte, wieder an etwas anderes zu denken.
"Du weißt, dass wir die Hausaufgabe immer noch nicht haben, oder?", sagte Clara schließlich.
Rose stöhnte auf und schob das Lehrbuch so weit von ihr weg wie möglich.
"Halt die Klappe", sagte sie nur und rollte Clara herum, sodass sie nun beide zum Sternenhimmel beziehungsweise der Decke ihres Zimmers aufsahen. Und sie erkannten, dass im Universum Kräfte am Werk waren, von deren Existenz sie nicht einmal ahnten - aber auch Kräfte, die sie selbst spüren konnten.













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Falls ihr auch eure Anziehungskraft mit jemandem (oder eurem Lieblingsbuch) berechnen wollt:

(Die Gravitationskonstante ist übrigens 6,673 × 10^-11, wie mir mein äußerst hilfreiches Lehrbuch sagt xD)

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(Die Gravitationskonstante ist übrigens 6,673 × 10^-11, wie mir mein äußerst hilfreiches Lehrbuch sagt xD)

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