Diesen Oneshot habe ich im Rahmen des Schreibwettbewerbs von LinaewenFinduilas zum Thema Einsamkeit geschrieben.
Wortanzahl: 735Ich finde ihn irgendwie ein wenig kurz, obwohl meine Mutter meinte, ich hätte ihn noch mehr verkürzen können. Aber was Geschichten angeht, sind wir uns nicht immer einig xD
______________________________________Einsamkeit.
Das Wort schwirrte durch meine Gedanken und setzte sich in meinem Kopf fest.
War ich einsam? Eine Frage, die ich mir immer öfter stellte, seit mich meine Schwester darauf angesprochen hatte."Weißt du... bist du nicht manchmal etwas einsam?", hatte sie gefragt.
Ich wusste keine Antwort darauf. Das Wort einsam kannte ich nur aus Geschichten und Erzählungen; nie war mir in den Sinn gekommen, es könnte auch mich selbst beschreiben.
"Was meinst du mit einsam?", hatte ich deswegen gefragt.
"Naja, fühlst du dich nicht manchmal so allein? Du bist doch oft ohne Gesellschaft von uns anderen."
"Ich... weiß es nicht", war meine ehrliche Antwort gewesen.Und ich wusste es auch jetzt nicht.
Ich versuchte, mir meine Situation von außen vorzustellen, sie in einem größeren Rahmen zu sehen. Ich war im Grunde ein Junge, so einfach und so kompliziert wie alle anderen Menschen, der an einem Fenster saß und in den Nachthimmel starrte. Über die Welt und das Universum nachdachte.
Wenn ich es so betrachtete, war es ein friedliches Bild. Aber kein einsames.
Und ich war auch nicht wirklich allein - ich hatte ja meine Gedanken, denen ich nun freien Lauf lassen konnte. Sie umhüllten mich und wogen mich in Sicherheit.
Ich mochte es, hier zu sitzen. Alles war dann so ruhig. Es gab nur meine Gedanken und mich, und die kühle Nachtluft, die über mein Gesicht strich. Ich brauchte diese Ruhe und Abgeschiedenheit. Ohne sie war mein Kopf zu voll mit Bildern und Worten und doch so leer, weil nichts davon eine Bedeutung hatte. Wenn ich hier saß und nachdachte, konnte ich den Dingen eine Bedeutung geben und die Leere füllen.
Keine Menschen waren in meiner Nähe, und diese Tatsache musste es sein, die mich auf andere einsam wirken ließ.
Aber ich war nicht einsam. Einsamkeit war nach allem, was ich darüber wusste, kein schönes Gefühl. Meine abendliche Ruhe dagegen war Erholung für mich. Wie konnte ich dann einsam sein?
Nein, antwortete ich meiner Schwester in Gedanken. Ich bin nicht einsam.Das Wort ließ mich dennoch nicht los. Obwohl ich froh war, nicht einsam zu sein, begann ich mich zu fragen, wie es sich wohl anfühlte. Einsamkeit.
Wie war es, einsam zu sein?
Dass man den Begriff nicht mit Alleinsein gleichsetzen konnte, hatte ich bereits gelernt. Aber was war es dann? Wann offenbarte sich dieses Gefühl? Oder existierte es überhaupt?Es war schließlich meine Schwester, die es mir zeigte - auch, wenn das sicherlich nicht ihre Absicht gewesen war.
Nein, im Gegenteil. Sie hatte mir nicht geglaubt, das merkte ich deutlich, als ich ihr sagte, dass ich nicht einsam war.
"Weißt du", hatte sie erwidert und gelächelt, "Ich werde dir zeigen, was es heißt, nicht einsam zu sein."
Also nahm sie mich mit auf eine dieser Partys, die sie so gern besuchte. Und ich lernte die Bedeutung des Wortes, aber nicht so, wie meine Schwester geglaubt hatte.Einsamkeit.
Das Wort schwirrte um mich herum, als wollte es sagen: Hier, hier bin ich, zuletzt hast du mich doch noch gefunden.
Ich stand inmitten der Massen von Menschen, die lachten und tranken und sich unterhielten. Ich fühlte mich fern von ihnen, hier gehörte ich nicht dazu. Sie waren so anders. Gesellschaft schien sie vollkommen zu machen, anstatt sie entzwei zu reißen.
"Hab ein wenig Spaß", hatte meine Schwester gesagt. Aber das war kein Spaß. Und Spaß war auch nicht das, wonach ich suchte.
Ich hörte die Worte all dieser Menschen, und sie füllten meinen Kopf mit Bildern, abertausenden von Bildern, von denen keines eine Bedeutung hatte. Ich fühlte mich falsch.
Warum fühlte ich mich so falsch? Ich wollte es erklären, es in Worte fassen, doch es gab niemanden, der zuhörte. Niemanden, der verstand.
All die Lichter, die über unseren Köpfen pulsierten, und die Töne, die durch die Luft hallten... sie waren bedeutungslos. Und es gab ein Wort, das all diese Lichter und Melodien mir sagten:
Einsamkeit.
Das war Einsamkeit.
Es war kein schönes Gefühl, doch ein wenig fühlte ich mich erleichtert, es nun endlich zu kennen.
Einsamkeit hieß nicht, dass man allein war. Es hieß, in diesem großen weiten Universum am falschen Platz zu sein.Nun, da ich diese Erkenntnis gewonnen hatte, dachte ich, mein Leben müsste sich grundlegend verändern.
Zu meiner Überraschung tat es das nicht.
Stattdessen saß ich nun jeden Abend am Fenster, starrte in den Nachthimmel hinaus und genoss es, nicht einsam zu sein. Denn dabei war ich mir sicher - ich war am richtigen Platz.

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♡ Oneshots ♡
Short Story"Ist das nur eine Geschichte oder ist das wirklich passiert?" "Alles, was je erzählt wurde, ist wirklich passiert. Geschichten sind unsere vergessenen Erinnerungen." Oft sind es Zitate wie diese, die mich zu meinen Kurzgeschichten inspirieren, welch...