Kapitel 09 | Ricardo Teil 1

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Kapitel 09 | Ricardo Teil 1

Die Tage bis zur Feier waren für Ricardo eine Zerreißprobe der Sinne gewesen

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Die Tage bis zur Feier waren für Ricardo eine Zerreißprobe der Sinne gewesen. Immer wieder quälten ihn die Erinnerungen an seine Zeit auf der Santa Maria. Sein Schöpfer und er, die Jagd nach Gold und der Eintritt in den Dienst ihrer Majestät, der Königin. Und schließlich, zwei Tage vor der Feier, zog ihm der Geruch von Sandelholz regelrecht die Füße unter dem Boden weg. Wie ein Hammer schlug ihm die zarte Wolke eines Räucherstäbchens entgegen, dass einer der Angestellten angezündet hatte, und versetzte ihn sofort zurück an jenen Tag, mitten auf dem Atlantischen Ozean.

Er konnte das alte Sklavenhändlerschiff direkt vor seinem geistigen Auge auftauchen sehen, hörte die Schreie an Bord, als die skrupellosen Händler, aus Angst vor dem schwarzen Schiff, ihr eigenes in Brand setzten. Sie wussten, was die Crew der Santa Maria mit Sklavenhändlern machte. Oder eher der Aberglaube und ein grauenvoller Mythos hatten es ihnen geflüstert. Die Santa Maria machte kurzen Prozess mit dem Abschaum der See und zog an Land, was noch am Leben war.

Ricardo hatte einen schlaff auf einer Planke liegenden Mann gesehen, dessen schwarze Haare wie ein Rattennest verfilzt an der Oberfläche schwammen. Eine schwere Eisenkette zog ihn immer wieder zurück ins Wasser. Bis heute konnte er sich nicht erklären, was genau ihn dazu getrieben hatte, von Bord zu springen und diesen Mann zu retten. Doch ein tief verborgener Teil in ihm glaubte noch bis zum heutigen Tag daran, dass entweder der Teufel höchst persönlich oder Gott ihn dazu veranlasst hatte.

Dieser Mann, der so hilflos in seinen Armen gelegen und hustend nach Luft geschnappt hatte, war niemand anderes als Salvador gewesen. Der Mann, der nur wenige Jahre später als der Teufel der See bekannt werden sollte. Der Mann mit den Augen, strahlender als das Wasser in der Karibik.

Als schließlich der Abend gekommen war und der Vampir Stunde um Stunde ungeduldiger wurde, war es Mariella, die wieder einmal die Ruhe in Person war. Sie begrüßte die bereits erschienen Gäste, hatte ein Auge auf das Personal und sorgte dafür, dass der menschliche Geschäftsführer nicht vergaß, wer hier wirklich das Sagen hatte.

Viele alte Vampire mit ihren menschlichen und nichtmenschlichen Gespielinnen und Begleitern schlenderten bereits amüsiert herum. Einige von ihnen kamen von weit her, nur um womöglich ein einziges Mal in diesen Hallen anwesend sein zu dürfen. „Meine Verehrung, Kind des Ältesten. Wird der Erhabene uns heute beehren?" Mariella nickte kurz und strich sich die langen roten Haare zurück, die im besonderen Licht des Moonlit regelrecht leuchteten. „Der Älteste wird sich später zeigen. Wenn alles vorbereitet ist."

Das Lächeln des wohl vierhundert Jahre alten Mannes vor ihr ließ die Rothaarige innerlich schaudern. Ihr war sehr wohl bewusst, dass nur die Stellung ihres Schöpfers sie am heutigen Abend vor Aufdringlichkeiten bewahrte. Doch als ehemalige Konkubine und Haremssklavin wusste sie sehr wohl, wie sie mit hohen Gästen umzugehen hatte. Ricardo würde jeden Anwesenden, egal ob Mensch oder Vampir, auf der Stelle ausbluten lassen, würde dieser die Regeln der Gastfreundschaft beschmutzen, in dem er sein Haus angriff. Geschweige denn, wenn es um sein Blutkind, also damit auch ihn selbst ging.

Umso erleichterter war sie, als die Außentür meldete, dass ein Lieferant angekommen war. Da das Catering bereits aufgestellt und auch die Getränke da waren, konnte es nur Gabriel mit seinen Blumen sein. Die Reaktion ihres Schöpfers folgte auf der Stelle. *Ric, du benimmst dich wie ein Schuljunge.* *Und es stört mich nicht im Geringsten, meine Liebe. Bring ihn herein und sorge für seine Sicherheit.* *Selbstverständlich.* Das Schmunzeln in ihrer Stimme ließ Ricardo ebenfalls lächeln. Das Motto des Abends würde nun auch endlich für ihn in Erfüllung gehen. VERFÜHRUNG DER SINNE. Und was für eine Verführung das werden würde!

Die Hallen des Moonlit strahlten. Geschickte Licht-Arrangements unterstützten in Kombination mit Gabriels Blumen die Illusion des Garten Eden perfekt. In jedem Bereich des Clubs roch es anders und doch mischten sich die Düfte nie unangenehm. Essbare Früchte hingen von den jeweiligen Pflanzen herunter und luden zum Zugreifen ein. Natürlich taten dies zum Großteil nur die menschlichen Gäste, doch auch der ein oder andere Vampir ließ sich zumindest den Saft munden. Meist von den Lippen oder dem Körper des gerade begehrten Partners oder der Partnerin. In der roten Zone, der Versuchung der Lust, hing eine täuschend echte Python von einem Feigenbaum herunter und schien die Gäste bei ihren lustvollen Momenten zu beobachten. Geschickt angebrachte Efeuranken gaben den Gästen die Illusion von Privatsphäre, die viele zu sinnlichen Spielen einlud.

In den anderen Bereichen ging es dann um Belustigung der Sinne, Entspannung, Sinnlichkeit und den Rausch der See. Letzteres war der Bereich, in den Ricardo am meisten Planung gesteckt hatte. Echter Meeressand umrahmte ein Stück eines echt wirkenden, schwarzen Schiffswracks. Der Geruch von moderndem Holz, salzigem Wasser und auch das Rauschen des Meeres machten die Illusion perfekt.

Der alte Vampir hätte sich hier vollends verlieren können. Besonders in dem Moment, wo er den dunkelblonden Haarschopf in Begleitung von Mariella und noch einem jungen Mann erblickte. Die Gruppe teilte regelrecht die Gästeschaft und schloss zu Ricardo auf, der auf einem reich verzierten Stuhl am anderen Ende des Raumes saß. Sofort erhob der Vampir sich und lächelte leicht, als er den ehrfürchtigen Blick der wundervollsten Augen bemerkte, die er in seinem ganzen Leben jemals gesehen hatte.

Echoes Of The Past (Moonlit Universe Part I)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt