Kapitel 21 | Ricardo

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Kapitel 21 | Ricardo

Die Glocke am Kirchturm schlug 19 Uhr, als Ricardo den Blumenhimmel betrat

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Die Glocke am Kirchturm schlug 19 Uhr, als Ricardo den Blumenhimmel betrat. Noch immer amüsierte er sich innerlich über den Namen des Ladens. Wer hätte gedacht, dass er jemals den Himmel betreten dürfen würde? Und dann auch noch mit einem Erzengel darin, der auf ihn wartete.

„Guten Abend, Gabriel." „Ricardo!" Die wunderschönen grünen Augen legten sich in seinen Blick, und für einen kurzen Moment überließ der Vampir sich ganz dem Schauer, der seine Haut auf dem Rücken kräuselte. „Ich freue mich." „Ich mich auch", lächelte er ehrlich und warf einen Blick über die ausgestellten Pflanzen. „Wie ich sehe, lebst du die Verführung der Sinne jeden Tag." Wurde der Florist etwa verlegen? Der Vampir konnte die Wärme spüren, die von Gabriels Wangen ausging. „Nicht zu vergleichen mit dem, was wir im Club gemacht haben. Es ist nur eine kleine Auslage." „Du bist zu bescheiden, mein Lieber."

Mit einer ausholenden Geste betrachtete der Vampir die Blumen erneut und lächelte, als er eine dunkelrote Baccara-Rose im hinteren Bereich entdeckte. „Siehst du? Die Königin der Blumen steht bei dir hinten an, die zarten warmen Bauernblumen holst du nach vorne, damit sie mehr Aufmerksamkeit bekommen."

*Genau wie Salvador es getan hätte. Ihm zählten auch die Bauern mehr als die Herrschenden.* Schluckend riss er sich aus den Gedanken und konzentrierte sich wieder auf den jungen Mann mit den dunkelblonden Haaren vor sich. „Wann immer du bereit bist... Mein Wagen wartet draußen." „Dein Wagen?" Der Vampir schmunzelte nur leicht und senkte in einer gespielt beschämten Geste den Kopf.

„Ich dachte, es wäre angenehmer, nicht selbst zu fahren heute. So haben wir mehr Zeit für uns." In den Augen des Mannes glomm etwas auf, das Ricardo sofort faszinierte. Als hätte er die Worte als das Versprechen aufgefasst, das es hatte sein sollen. „I-ich denke, ich bin soweit." „Wundervoll. Darf ich mir erlauben, dich in ein spanisches Restaurant zu entführen? Der Besitzer ist ein alter Freund von mir und macht die beste spanische Küche außerhalb des Landes." „Ich begebe mich in deine Hände."

Der spielerische, als Scherz ausgesprochene Satz ließ Ricardos Herz beschleunigen. Sofort schwollen seine Fänge und sein Schritt in süßem Verlangen an. „Du wirst sehen, sie werden dich samtgleich tragen." *Betten in Rosenblüten, deine Haut unter meinen Lippen... dein Stöhnen, meine Melodie...* *Reiß dich zusammen!* Mariellas gedanklicher Klaps auf den Hinterkopf brachte Ricardo zurück ins Hier und Jetzt.

Der Vampir hatte sich relativ leger gekleidet. Eine schwarze Rindslederhose mit einem weißen Leinenhemd, das man vorne mit einer Kordel verschließen konnte. Die Wärme draußen hätte seinen üblichen Gehrock mit passender Hose etwas seltsam erscheinen lassen. Seine schulterlangen schwarzen Haare trug er offen, nur mit etwas Wachs gezähmt. Ganz so, wie er sie zu seinen Zeiten als Freibeuter ihrer Majestät getragen hatte. Die Hoffnung dahinter war, dass Salvadors Seele in Gabriel sich endlich an ihn erinnerte.

„Don del Mar. Eine Freude Euch zu sehen." „Ramon, mein Freund. Darf ich dir Gabriel vorstellen? Er wird mit mir heute deine wundervolle Kunst genießen." In den Moment, wo Ramon seine Augen auf Gabriel richtete, riss er sie regelrecht auf und sein Blick glitt zu Ricardo zurück. „Gabriel, sagtest du? Ich... Ich bin erfreut, dich kennenzulernen."

Für einen kurzen Augenblick suchte der Koch in Ricardos Augen die Antwort auf seine Vermutung, und lächelte strahlend, als er diese offensichtlich gefunden hatte. „Setzt euch. Ich bin in einer Minute bei euch, mi capitáne." Damit führte er die beiden zu einem Tisch, der etwas privater gelegen war und verschwand in der Küche.

„Kapitän?", fragte Gabriel irritiert, worauf Ricardo nur vielsagend schmunzelte und gespielt die Augen rollte. „Er ist etwas schrullig, aber ein grandioser Koch." *Salvador hat seine Küche geliebt... Und sein Schöpfer ihn.*

Ramon kam mit einem alten Rotwein wieder, auf dessen Schild die Santa Maria zu sehen war. Er sah Ricardo fragend an, und als dieser nickte, schenkte er jedem von ihnen ein halbes Glas ein. Es war der Wein von einem der Weinberge, die Salvador und Ricardo angepflanzt hatten. Der alte Vampir sog den Geruch der dunklen Trauben ein, versuchte die Tropfen des Blutes, die Ramon hineingemischt hatte, zu ignorieren und ließ den samtweichen Geschmack seine Kehle benetzen.

„Ich hoffe, er trifft deinen Geschmack. Er dürfte ungefähr so alt sein wie du. Ein gesegneter Jahrgang, wenn du mich fragst", wandte der Koch sich an Gabriel. „Von Wein hab ich deutlich weniger Ahnung als von Blumen. Aber dieser hier schmeckt sehr gut." „Das freut mich." Nachdem sie bestellt hatten, lehnte sich der Vampir leicht an den Tisch und legte seine Hände darauf. Er betrachtete Gabriel kurz, bevor dieser sich räusperte.

„Ich... ich wollte mich noch einmal für den Kompass bedanken." „Solange er dir gefällt, bin ich glücklich." „Er ist sehr schön! Sehr alt..." Als Ricardo nur nickte, fand Gabriel den Mut, die Frage zu stellen, die ihm auf der Zunge lag. „Die Gravur... Wer war Salvador?"

Lange verharrte Ricardos Blick in dem seines Gegenübers. Verschmolz mit dem herrlichen Blaugrün, das er so lange herbeigesehnt hatte. Dass ihn in seinen Träumen getröstet und gehalten hatte... Bis er sich schließlich gewahr wurde, dass er Gabriel eventuell bezirzen würde, wenn er nicht aufpasste. Etwas, das er sich selbst geschworen hatte, niemals zu tun.

„Jemand, den ich vor langer Zeit einmal gekannt habe." „Er muss dir sehr viel bedeutet haben." *Alles...* „Wie kommst du darauf?" „Naja, so ein großzügiges Geschenk... Ich meine..." „Als er starb, ging der Kompass wieder in meinen Besitz über. Ich dachte, er würde dir vielleicht Freude bereiten. Ich würde mir wünschen, dass er dir den Weg weist, wenn du ihn einmal nicht findest."

Salvadors Worte flüsterten wie ein Streicheln durch seinen Geist, ließen die Windrose auf seiner Brust regelrecht auf seinem Fleisch glühen. Er spürte, wie Gabriel ihn musterte, dann verlegen den Kopf senkte und schließlich den Blickkontakt mit Ricardo wieder aufnahm. „Und das alles nur, weil du mich mal versetzt hast? Was machst du erst, wenn wir uns mal streiten?" „Für diesen äußerst unwahrscheinlichen Fall gäbe es da noch die Welt, die ich dir zu Füßen legen könnte..."

Echoes Of The Past (Moonlit Universe Part I)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt