Kapitel 26 | Gabriel

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Kapitel 26 | Gabriel

Den ganzen Abend hatte Gabriel das Gefühl gehabt, als müsste er sich an irgendetwas Wichtiges erinnern

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Den ganzen Abend hatte Gabriel das Gefühl gehabt, als müsste er sich an irgendetwas Wichtiges erinnern. Es juckte regelrecht in seinem Kopf, aber es ließ sich einfach nicht greifen. Was aber vielleicht auch daran lag, dass er so eingenommen von Ricardo war und sich daher nicht auf andere Dinge konzentrieren konnte. Auch deshalb konnte er dessen Bitte, ihm doch gleich heute noch seine Orchideen-Sammlung zu zeigen, nicht abschlagen.

Als er mit dem Spanier in dessen Limousine saß, kam ihm sein Gespräch mit Anton in den Sinn. Ob dieser es wohl gutheißen würde, dass er Ricardo jetzt mit zu sich nach Hause nahm? Wohl nicht. Aber als ob sein Freund heute mit Mariella nur essen gehen würde... Wer's glaubt!

Seine Vorfreude wandelte sich jäh in leichte Enttäuschung, als Ricardos Mobiltelefon klingelte. Die Person anderen Ende der Leitung klang aufgebracht, obwohl Gabriel deren Worte nicht verstehen konnte. Seine Verstimmung machte Ricardos Frage, ob sie sich denn dann morgen wiedersehen würden und sein flehender Blick, wieder zunichte. Als ob er Nein zu diesem Mann sagen könnte.

Nachdem ihm der Dunkelhaarige zum Abschied wieder einen Kuss auf seinen Handrücken gehaucht hatte, blieb Gabriel allein im Wagen zurück. Er konnte es nicht verhindern, auf seine Hand zu starren und einem Impuls folgend vorsichtig über die Haut zu streichen, die Ricardos Lippen gerade berührt hatte. Kurz schloss er die Augen und gab sich der Vorstellung hin, diese Lippen an seinen eigenen zu spüren. Würde er es zulassen, wenn Ricardo ihn küssen würde? Ja, die Antwort lautete definitiv Ja. Allein bei diesen Gedanken würde ihm heiß und kalt gleichzeitig. Ricardo dabei zu berühren, ihm so nah zu sein...

Ein leises Räuspern riss ihn aus diesem Tagtraum. „Wir sind da", sagte Paul leise und deutete auf das Haus, in dem Gabriel wohnte. „Vielen Dank, Paul, und einen schönen Abend noch." „Ihnen auch." Paul lächelte ihm zu, als er an ihm vorbei in die Dunkelheit fuhr.

Auch diese Nacht träumte er vom Meer und von diesem schwarzen Schiff. Ricardo kam auch in seinem Traum vor – natürlich, hatte er doch den ganzen Abend mit ihm verbracht –, gekleidet wie ein Pirat. Nach dem Aufwachen brachte ihn dieses Detail immer noch zum Schmunzeln. Er überlegte, ob er anfangen sollte, ein Traumtagebuch zu führen. Vielleicht würden diese seltsamen Träume, wenn man sie sammelte, irgendwann ein Gesamtbild ergeben, dass ihn schlauer werden ließ. Denn leider vergaß er die meisten Gegebenheiten kurz nach dem Erwachen wieder.

Im Laden wartete er ungeduldig auf Anton. Davon abgesehen, dass sie heute noch einige Gestecke für eine Veranstaltung fertig machen mussten, wollte er natürlich wissen, wie dessen Abend mit Mariella gelaufen war. Wobei er es sich eigentlich denken könnte. Anton ließ sonst nichts anbrennen – und Mariella sicher auch nicht. Da hatten sich dann wenigstens zwei gefunden, dachte er gerade, als sein Freund ankam. Dessen seltsamer Gesichtsausdruck ließ Gabriel stutzen.

„Hey, wie geht's? Wie war es gestern?" Anton ließ sich auf den kleinen Hocker hinter der Theke fallen. „Ich glaube, ganz gut..." „Du glaubst?" „Ich... Ich kann mich an den letzten Teil – den wichtigsten natürlich – nur schemenhaft erinnern. Und nein, ich war nicht betrunken. Nach dem Wein beim Essen bin ich auf Nichtalkoholisches umgestiegen. Schließlich wollte ich alles mitbekommen. Du weißt, dass ich nicht gern angetrunken Sex habe." Ja, das wusste er. Generell war Anton nicht der Typ, der viel trank. Er hatte sich immer im Griff. Das klang daher schon seltsam.

„Und was glaubst du jetzt, was passiert ist?" „Ist das nicht offensichtlich?" „Anton, was willst du damit sagen?" „Na, dass diese rothaarige Sirene mir was untergejubelt hat." Vor Schreck ließ Gabriel den Flieder fallen, den er gerade in ein Gesteck einarbeiten wollte. Erbost stemmte er seine Hände in die Hüften. „Das ist doch nicht dein Ernst!" „Und ob! Wer soll es sonst gewesen sein?" „Na, standen eure Getränke unbeaufsichtigt herum?" „Ja, schon..." „Man, du bist doch sonst nicht auf den Kopf gefallen. Dann war das jemand anders, der vielleicht Mariella abschleppen wollte und eure Drinks verwechselt hat."

Sein Freund schien zu überlegen und nickte schließlich langsam. „Ja, könnte schon sein. Siehst du, ich bin immer noch total verpeilt. Aber was hat denn so eine Langzeitwirkung?" Diese Frage konnte Gabriel ihm auch nicht beantworten. „Wie wäre es, wenn du Mariella fragst, ob es ihr auch so geht?" „Was würde ich nur ohne dich machen.... Aber ich habe ihre Nummer gar nicht." „Dein Ernst?" „Ja, irgendwie hat sich das bisher nicht ergeben." Entschuldigend zuckte Anton mit den Schultern. „Ich werde Ricardo fragen..."

Im Laufe des Tages erhielt er von diesem als Antwort auf seine Nachricht, dass er doch lieber Antons Nummer an Mariella weitergeben würde. Gabriel dachte sich seinen Teil dabei und setzte seinen Freund darüber erstmal lieber nicht in Kenntnis. Aber er machte sich schon Sorgen. Waren Mariella und Anton gestern Abend nur knapp einer Katastrophe entkommen?

Die Zeit verging schnell heute. Die Vorfreude auf den Abend trug ihn durch den Tag. Auch auf seine Kreativität hatte sie anscheinend Einfluss. Er fand, dass ihm seine heutigen Kreationen besonders gut gelungen waren. Vor der Auslieferung schoss er daher noch einige Fotos für die Homepage des Geschäfts und pflege sie direkt ein. Er saß gerade am Rechner, als er pünktlich um 19 Uhr wieder die Glocke über der Eingangstür hörte.

Echoes Of The Past (Moonlit Universe Part I)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt