Kapitel 70: Der Schmerz in ihren Augen - Pov Solea

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Ich konnte es nicht. Ich konnte die Anwesenheit der anderen nicht ertragen und schon gar nicht die überschwängliche Liebe meiner besten Freundin. Die letzten Wochen, nein, die letzten Stunden hatten mir die Hölle auf Erden gezeigt und ich war mittendrin. Ich konnte nichts daran ändern. Ich konnte nicht flüchten und ich konnte die Ereignisse nicht ungeschehen machen. Wie sehr wünschte ich mir jetzt einen Zeitumkehrer, durch den ich all die schlimmen Sachen verhindern könnte, doch je mehr ich darüber nachdachte, begann ich alles zu akzeptieren. Meine wahre Herkunft, die Worte von Voldemort und meine dunkle Seite. Die Seite, die ich niemanden zeigte und die tief in mir im Verborgenen lag. Sie war schon immer ein Teil von mir und das wusste ich. Das wusste ich durch den heutigen Tag, ich habe sie nur so tief in mir drin versteckt, dass sie nicht nach außen drang. In mir drin spürte ich, dass ich Estelle durch all die Geschehnisse verloren hatte und Solea nun die Persönlichkeit war, die mich am besten beschrieb. Eine kalte Träne lief meine Wange hinunter, doch ich blieb gefühlskalt. Ich spürte absolut nichts mehr und alles in mir drin fühlte sich so unglaublich schwer an. Ich war die Hülle meiner selbst und diese Hülle steckte voller Schmerz, Trauer und Hass. Hass über die Dinge, die ich tun musste. Schmerz, über die Dinge, die ich erlebt habe und Trauer über die Dinge, die ich heute überstehen musste. Ein Schwall negativer Emotionen prasselte auf mich ein und zwang mich in meine Knie, doch äußerlich blieb ich standhaft. Mein Inneres jedoch kniete auf den Boden, weinte und flehte höhere Mächte an, diesen Horror endlich zu beenden. Ich wischte mir die einzelne Träne von meiner Wange und wollte nicht mehr in diesem Zimmer bleiben, weswegen ich das Fenster öffnete und vorsichtig aufs Dach kletterte. Dies hatte ich als Kind schon immer getan, wenn Tom uns mit hier hergenommen hatte. Das Anwesen seiner Mutter war ihm mehr als heilig und dies merkte man auch deutlich. Allgemein war seine Mutter alles für ihn, doch er hat sie auf brutalste Art und Weise verloren. Diese Gedanken kamen mir, als ich einen geeigneten Platz auf diesem riesigen Anwesen suchte. Als ich dann einen einigermaßen sicheren Sitzplatz gefunden hatte, ließ ich mich dort nieder und schaute mir die Umgebung an. Wie lange war ich schon nicht mehr hier und wie komisch fühlte es sich jetzt an, hier zu sein? Im Gebäude selbst waren die Menschen, die mir so unglaublich wichtig waren, doch ich hatte sie heute in ganzer Linie enttäuscht. Mattheo, Theodore, Draco, Malia und ja sogar Tom, muss ich mit meinem Verhalten enttäuscht haben. Wut keimte in mir auf und ich ballte meine Hände zu Fäusten. Wie gerne würde ich jetzt bei ihnen sitzen. Mich erklären und entschuldigen, um dann die Stimme meines kleinen Dachses zu hören, wie sie mir sagt, dass ich mich nicht entschuldigen muss. Aber doch, das muss ich. Mattheo, der all die Jahre mehr für mich empfunden hat und dessen Liebe ich mit Füßen getreten habe und nun ist er mein Bruder und alles ist anders. Theodore, meine einstige bessere Hälfte, ist nun nicht mehr meine bessere Hälfte, sondern mein Cousin und auch dieser Fakt ist einfach merkwürdig. Dann mein kleiner Dachs, der in eine Welt gezogen wurde, zu der sie absolut nicht bereit war. Dann trug sie auch noch ein Kind in sich, meine Nichte und ich fühlte mich so machtlos. Ich wollte sie beide beschützen und für beide alles geben, sogar mein Leben... doch gerade in diesem Moment fühlte ich mich machtlos. Tom, dessen Wut ich all die Jahre mehr als katalysiert habe, obwohl ich dies nie wollte. Ich fühlte mich so schlecht, denn alles hätte anders sein können, wenn wir ehrlich zueinander gewesen wären, doch das konnte wir nicht. Das würden wir niemals sein. All die Jahre habe ich ihn indirekt als meinen großen Bruder angesehen und jetzt, durch die neue Lebenssituation war er mein großer Bruder... meine Hände glitten in meine Haare und verzweifelt hielt ich meinen Kopf fest. Dann war da noch Draco, dem ich all die Liebe schenkte, die ich in mir trug und auch dies fühlte sich durch den heutigen Tag wie ein Bruch an. Ein Bruch zwischen zwei Liebenden, die in einer grauenvollen Welt zueinander fanden und keinerlei Möglichkeiten haben werden, glücklich miteinander zu sein. Für alle würde ich mein Leben geben und alles tun, damit sie sicher sein können. Für alle wünsche ich mir, dass sie glücklich werden und ein zufriedenes Leben führen können, denn das würde mir auf ewig verwehrt bleiben. Doch ich hatte es verdient. Ich hatte all den Schmerz, die Trauer, die Wut verdient, denn das war am Ende das, was mich ausmachte. Ich bin der Schmerz, der sich durch meine Knochen zog. Ich bin die Trauer, die nachts meine Augen mit Tränen gefüllt hat und mich wachgehalten hat. Ich bin die Wut, die ich über all das erlebte gespürt habe und heute auch wieder deutlich zum Vorschein kam. Für einen Moment spürte ich bei dem Tod meines einstigen Vaters nämlich nichts außer pure Erleichterung, doch ich wusste genau, dass dies nur daran lag, dass er mich all die Jahre wie Dreck behandelt hatte. Mittlerweile kann ich es sogar verstehen, wieso er mich so behandelt hatte, denn ich hatte und habe es nicht besser verdient. Ich bin ein furchtbarer Mensch und ich habe all die Liebe, die ich von den Leuten bekommen habe nicht verdient. Keine Umarmung, keine netten Worte. Nichts. Und je mehr ich mir dies einredete, desto kälter wurde mein Herz und desto weniger spürte ich. Meine Emotionen und Gefühle waren durch den heutigen Tag so ins Wanken geraten, dass ich mir kaum vorstellen konnte, je wieder etwas zu fühlen. Darum war für mich der nächste Schritt auch einfach so offensichtlich. Ich nahm meinen Zauberstab aus dem Umhang und hielt ihn fest in meinen Händen. Langsam führte ich die Zauberstabspitze zu meiner Brust und richtete sie genau auf mein Herz. Jetzt in diesem Moment konnte ich es beenden und mir selbst den Todesfluch auf den Hals hetzen, um all das endlich beenden zu können. Ich hatte den Mut und die Entschlossenheit dafür. Also schloss ich die Augen und dachte nochmal an alle Erlebnisse, die ich mit meinen Liebsten hatte. Es gab mir Kraft und so wollte ich gerade sprechen, als mich eine Stimme daran hinderte. „Tu es nicht"

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