Kapitel 72: Verzeiht mir - Pov Solea

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Nach dem Gespräch mit Tom dachte ich vermehrt über seine Worte nach. Ich wusste genau, dass er Recht hatte, doch in mir drin war eine Blockade, die mich daran hinderte zu den anderen zu gehen und wieder die alte Estelle zu werden. Wie ich auch bereits Tom sagte, ist Estelle durch die ganzen Ereignisse fort und eine neue Persönlichkeit ist aus dem Ganzen hervorgegangen. Nur, ob ich diese Person so tolerieren kann, wusste ich nicht. Konnte ich jemals die Identität von Solea wirklich annehmen oder war sie nur meine Ausrede, damit ich nicht zugeben musste, dass es Estelle nie wirklich gab? Ich hätte noch Stunden darüber philosophieren können, doch das Knurren meines Magens unterbrach mich. Ich hatte seit Tagen nichts mehr gegessen und die Quittung bekam ich jetzt. Seufzend stand ich von meinem Bett auf und überlegte, ob ich mir etwas herzaubern sollte oder ob ich einfach runter in die Küche gehen sollte, um mir etwas zu Essen zu holen. Bei zweiteres ging ich das Risiko ein, dass ich die anderen treffen würde und ich wusste noch nicht, ob ich dazu überhaupt bereit war. Wieder dachte ich an die Worte von Tom und fasste einen Entschluss. Ich lief zur Tür, umfasste die Türklinke mit meiner Hand und drückte sie nach unten. Ganz vorsichtig, ohne irgendwelche lauten Geräusche von mir zugeben. Vorsichtig öffnete ich dann die Tür und schaute nach, ob sich jemand im Gang befand. Wie damals, als ich ein kleines Mädchen war und schauen wollte, ob die Geschenke bereits unter dem Tannenbaum lagen. Ich verließ mein Zimmer und schloss hinter mir die Tür. Dann nahm ich auf leisem Schritt die Treppe nach unten und wollte so schnell es geht in die Küche. Ich hörte bereits poltern und ein leises Fluchen, was mir verriet, dass ich nicht alleine war. Als ich dann genauer hinhörte, erkannte ich die Stimme von Theodore und blickte unbemerkt in die Küche. Er stand am Herd und rührte in einem Topf herum, doch er sah alles andere als begeistert aus. Für einen kurzen Moment stieg mir der Geruch von Kakao in die Nase und es fühlte sich fast so an, als wäre Mum hier. „So eine scheiße..." sprach Theodore wütend und warf die Tasse in Richtung der Tür. Um Haaresbreite hätte die Tasse mich erwischt, doch sie zerschlug bereits an der Wand. Theodores Blick wechselte von wütend auf überrascht, als er mich im Türrahmen stehen sah. „Estelle...du bist hier..." diese Worte flüsterte er so leise, dass ich sie kaum verstehen konnte. Daraufhin nickte ich und versuchte zu lächeln, was mir wohl absolut nicht gelang. „Ja ich bin hier...Kann ich dir vielleicht irgendwie helfen...?" hoffnungsvoll sah er mich an und nickte dann hastig. Ich ging bereits auf ihn zu, als er begann zu reden. „Ich habe wirklich versucht den Kakao so zu kochen, wie Mum und du ihn immer gemacht habt, aber ich habe es einfach nicht hinbekommen. Die anderen sind gerade nicht da, doch wir wollten uns nachher zusammensetzen und unseren Plan besprechen" für einen Moment wurde ich hellhörig, doch dann lag meine volle Konzentration auf dem Kakao. Ich leerte den großen Topf, nur um danach alle Zutaten noch einmal hineinzugeben. Die Vanilleschotte zerdrückte ich, statt sie zu hacken, denn so konnte sie mehr Aroma entfalten. Als der Kakao schon beinahe aufgekocht war, gab ich die zerdrückte Vanilleschote hinzu. „Bei dir sieht das so einfach aus, wie machst du das nur?" Theos erstaunter Blick in den Topf brachte mich zum Schmunzeln. „Ich habe Mum... Ich habe Mary zu oft dabei zugesehen, wie sie den Kakao gekocht hat. Irgendwann hat man einfach den Dreh raus" als ich den Namen von Theos Mutter verwendete, wurde sein Blick schlagartig traurig. „Du nennst sie schon bei ihrem Vornamen...?" fragte er mich und ich konnte nur angestrengt ausatmen. „Theo, ich weiß, dass das für dich unendlich schwer sein muss, aber wir sollten den Fakten ins Auge blicken...Es ist nun mal nicht so, wie es mal war..." der Kakao war fertig, also drehte ich mich um und wollte die Küche wieder verlassen, als Theo weitersprach. „Weißt du wie egal es mir ist, ob du die Tochter meiner Mum oder meiner Tante bist? Du bist Estelle Nott, meine Schwester und das wirst du für immer bleiben" ich hatte Theodore schon immer für sein Durchsetzungsvermögen bewundert, doch gerade brachte es einfach nichts. „Theodore, bitte mach es nicht noch schwerer, als es eh schon ist..." doch Theodore ließ sich von meinem Gesagten nicht beeinflussen. „Nein Estelle, nur weil du denkst, du müsstest die ganze Schuld auf deinen Schultern lagern, werde ich nicht nachgeben. Ich..." doch bevor er den Satz zu Ende sprechen konnte, drehte ich mich um und sah ihn wütend an. „Theodore verdammt, ich bin schuld. Meine richtige Mutter ist wegen mir gestorben. Unser Vater...dein Vater ist wegen mir gestorben und ich konnte es nicht verhindern. Theodore, sieh es ein. Ich bin in allen Belangen schuldig" Theodores Mimik änderte sich und er schaute zum Boden. „Ich will doch einfach nur meine Schwester wieder haben. Ist das denn zu viel verlangt?" ich spürte, wie meine Augen feucht wurden und wie gerne hätte ich ihm diesen Wunsch erfüllt, doch ich wusste einfach nicht wie. „Weißt du Estelle. Seit unserer Geburt waren wir niemals länger als einige Stunden voneinander getrennt, doch die letzten Wochen waren die Hölle für mich. Ich hatte Angst, dass ich irgendwann deine Todesanzeige im Tagespropheten sehe. Jeden Tag plagte mich diese Angst und glaube mir, es verging keine Nacht, in der ich nicht schreiend aufgewacht bin und nach dir gerufen habe. Die anderen haben nur nichts mitbekommen, weil ich einen Schutzzauber um mein Zimmer gelegt hatte. Du bist meine bessere Hälfte. Daran wird sich nichts ändern und egal, wie sehr du dich dagegen sträubst, du wirst auf ewig meine Schwester bleiben, hörst du" die letzten Worte trieben mir die Tränen ins Auge und ich kämpfte mit mir selber. Ich bemerkte, wie meine Fassade begann zu bröckeln, aber auch nur, weil Theodore einen so großen Einfluss auf mich hatte. Das hatte er nämlich schon immer. Ich sammelte also all meine Kraft zusammen und ging einige Schritte auf Theodore zu. „Glaub mir, wenn ich dir sage, dass die letzten Wochen auch für mich die Hölle waren. Ich habe erfahren, dass mein gesamtes Leben eine einzige Lüge war. Ich habe alles hinterfragt und dann auch endlich verstanden, wieso Vater so einen Gräuel gegen mich gehegt hatte... Ich konnte mir nun alles erklären und weißt du, wie es mich von innen heraus zerfressen hat? Der Gedanke daran, dass mein Vater Voldemort ist? Es hat mich fast umgebracht Theo. Dann habe ich mich auch noch ihm verschrieben, nur damit Kaia und Malia in Sicherheit sind und schau was davon übriggeblieben ist. Ich sehe es jeden Tag" damit zog ich den Ärmel meines Pullis nach oben und entblößte die Narben vom Unbrechbaren Fluch. „Ich hätte mich Stunden, nein Tage foltern lassen für jeden von euch, nur damit ihr in Sicherheit seid. Eure Sicherheit war meine oberste Priorität und das ist sie immer noch. Theo, alles, was ich getan hatte, diente zu eurem Schutz. Ich habe alles riskiert, nur damit ihr nichts verliert und ich bereue es nicht. Ihr seid mir unendlich wichtig. Ihr seid meine Familie und ich würde für meine Familie bis in den Tod gehen. Ich würde für dich, bis in den Tod gehen, weil du mein Bruder bist" ich hatte die Worte nun endgültig ausgesprochen und Theos Kopf schellte nach oben. Mit großen Augen sah er mich an und ich kämpfte weiterhin gegen meine Tränen. „Bitte, gib mir meine Estelle zurück...bitte" nun brach bei mir alles zusammen und ich ließ meine Hülle fallen. Ich rannte auf Theo zu und umarmte ihn stürmisch. Auch er legte seine Arme um mich und drückte mich ganz fest an sich. „Bitte, lass mich nie wieder los Theo...bitte...Ich kann nicht mehr... Ich will nicht mehr... Ich habe keine Kraft mehr... Ich will zu Mum" nun hatte ich meine Gedanken laut ausgesprochen und meine Verzweiflung mit meinem Bruder geteilt. Dieser verfestigte seinen Griff um mich und drückte mich noch fester an sich. „Du musst jetzt nicht mehr stark sein Stelli. Ich bin da, ich halte dich fest und lasse dich nicht mehr los. Ich verspreche es dir. Und Mum, sie ist immer bei uns, das weißt du doch. Sie würde nicht wollen, dass du zu ihr kommst. Du musst nur noch ein klein wenig durchhalten" meine Tränen wurden immer mehr und tropften in den Pullover von Theodore. Wir blieben so eine ganze Weile stehen und Theodore hielt mich die ganze Zeit fest, sodass ich mich vollkommen sicher fühlte. Theo umfasste mein Gesicht mit seinen Händen und drückte es ein Stück von sich weg, sodass ich ihm direkt in die Augen gucken konnte. „Ich habe dich lieb Stelli und das wird auch immer so bleiben. Egal, was noch kommen mag. Ich werde immer an deiner Seite sein. Auch über den Tod hinaus" unter Tränen nickte ich und wir umarmten uns noch einmal. Das Klicken der großen Tür ließ mich kurz aufhorchen und als dann 3 weitere Personen in der Küche standen, musste ich mich unweigerlich von Theo lösen. Ich blickte in die Gesichter von Malia, Mattheo und Tom, wobei mich Malia und Mattheo sehr überrascht ansahen. Tom sah so aus, als hätte er es bereits geahnt, dass es so kommen würde. „Estelle..." hörte ich die flüsternde Stimme meines kleinen Dachses und wischte mir die Tränen weg. Ich ging einige Schritte auf sie zu. „Hey Malia..." begrüßte ich sie und wir sahen uns an. Ich überlegte kurz, doch dann wusste ich genau, was zu tun war. „Komm her kleiner Dachs" das ließ sie sich nicht zweimal sagen und rannte weinend in meine Arme. „Ich hatte so furchtbare Angst, dass ich meine beste Freundin für immer verloren hatte. Mach das nie wieder, hörst du nicht" ich konnte nur nicken und hielt meine beste Freundin fest im Arm. Langsam löste ich mich auch von ihr und blickte zu Mattheo. Dieser sah mich ebenfalls an und ich stellte mich vor ihm. „Mattheo...es tut mir leid..." doch bevor ich weiterreden konnte, zog er mich an sich und drückte mich fest. „Halt bloß deine Klappe, sonst verzaubere ich dich" auch seine Stimme klang fast so, als würde er jeden Moment anfangen zu weinen, doch ich genoss die Umarmung von ihm sehr. Auch von ihm löste ich mich und sah zu Tom. In diesem ganzen Durcheinander fiel mir nicht einmal auf, dass Draco gar nicht dabei war. „Wo ist Draco?" Malia und Mattheo zuckten mit ihren Schultern und auch Theodore hatte keine Antwort. Tom ergriff dann aber das Wort. „Nach deiner Ankunft ist er zurück ins Manor appariert und seitdem haben wir nichts mehr von ihm gehört" bestätigend nickte ich und versuchte zu verstehen, wieso Draco gegangen ist. Ich wusste aber auch, dass ich darüber nicht philosophieren müsste, denn wir hatten weitaus wichtigeres zu tun. „Theo und ich haben Kakao gekocht. Ich habe gehört, dass ihr die nächsten Schritte planen wollt. Wenn ihr nichts dagegen habt, wäre ich gerne dabei" alle Beteiligten waren sofort begeistert. Also nahmen wir den Kakao und setzten uns ins Wohnzimmer, um unser weiteres Vorgehen zu planen. 

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