Kapitel 19

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Am Samstagnachmittag packt Chris ein paar seiner Sachen zusammen, ich versuche den dämlichen Reißverschluss des Kleides allein zuzubekommen und währenddessen schaue ich die ganze Zeit immer wieder auf die Uhr in seiner Wohnung. Heute ist noch die kleine Feier in der Halle, die immer in der Tourpause stattfindet. Hiernach haben einige andere Arbeiter noch Urlaub, bevor dann im September die Proben und letzten Besprechungen für die Premiere in November wieder beginnen. Dann geht der vorweihnachtliche Stress wieder richtig los.

Zum wiederholten Mal rutsche ich vom Reißverschluss ab, rege mich innerlich viel zu sehr auf, nur, damit ich danach diese ganze dämliche Prozedur wiederholen kann und es mal wieder nicht schaffe.
Juliette: Putain de merde!"
Eine Strähne meines Haares fällt aus dem Zopf, die streiche ich mir hinters Ohr, bevor ich anschließend einmal tief durchatme, weil ich ansonsten kaum mehr weiterkommen würde. Je genervte ich bin, desto länger weder ich brauchen.
Chris: Alles okay bei dir?"
Er kommt zu mir in sein Schlafzimmer, legt sich nebenbei eine seiner Ketten um und schaut mich belustigt an. Beleidigt wende ich meinen Blick in seine Richtung, selbst sein Grinsen bringt mich nicht zum Lachen und bevor ich antworte, atme ich nochmal genervt aus.
Juliette: Ich kriege dieses verfluchte Kleid nicht zu."
Chris erwartet wohl das, was die einzig logische Konsequenz zu sein scheint. Ich sträube mich, verschränke die Arme vor mir und schaue zur Seite weg. Danach braucht es gar nicht lange, bis Chris weitergeht und zu mir kommt, damit er sich hinter mich stellen und den Reißverschluss und den einen Knopf schließen kann. Ich will dabei erst von ihm weggehen, aber als er nach meinen Arme greift, um mich festzuhalten, kann ich das vergessen.
Chris: Ich weiß, dass du alles lieber allein machen willst und dass du nicht auf Hilfe angewiesen bist. Aber es ist okay, danach zu fragen, July."

Ich nicke, weil ich einsehen muss, dass das wohl etwas ist, wo ich noch an mir arbeiten kann. Was sollte ich aber auch machen, wenn ich gefühlt seit immer schon auf mich allein angewiesen gewesen bin? Chris wird mir schon beibringen, dass ich mich auf ihn verlassen kann und dass ich eben nicht immer stark für mich alle sein muss.
Juliette: Danke..."
Seine Hände ruhen noch immer an meinen Schultern, Chris lehnt sich etwas weiter nach vorne, damit ich ihn zumindest ansatzweise sehen kann und zeigt mir sein ruhiges Lächeln, womit er mich versucht zu bestärken.
Chris: Dafür nicht."
Unsere Blicke treffen sich, ruhen einen Augenblick beieinander und währenddessen versuche ich nicht wieder zu grinsen, rot zu werden, aber irgendwie muss ich es mir auch bereits angewöhnt haben in peinlicher Stille lachen zu müssen. Die Strähne von eben fällt mir erneut ins Gesicht und gibt Chris die Vorlage, dass er mir eben diese wieder hinter Ohr streicht und mir zuletzt noch einen vorsichtigen Kuss auf den Hals gibt.
Chris: Du siehst übrigens bezaubernd aus, July."
Juliette: Der Chef soll ja auch eine ordentliche Begleitung haben."
Zuletzt lacht er noch wieder auf seine typische Weise, drückt nochmal meine beiden Arme, bevor er mich loslässt und von der Kommode noch seine Armbänder nimmt.
Chris: Wir sollten langsam los, ansonsten kommen wir viel zu spät an."
Juliette: Das Auto kannst du dann gleich bei mir auf dem Hof lassen, wenn du sowieso wieder bei mir bleibst, Chrissy."

Lachend schüttelt Chris den Kopf, verlässt als erstes das Zimmer, wobei ich ihm zügig folge. Bevor wir seine Wohnung verlassen, nimmt er seine gepackte Tasche – wir brauche nämlich dringend mehr Kram bei dem jeweils anderen als bisher – und schlussendlich machen wir uns etwas nach der Zeit auf nach Bünde. Die Fahrt war ruhig, wir kamen zügig bei meinem Haus an, wo Chris nur seinen Wagen abstellt und ich sein Tasche zumindest ins Haus stellen kann, sodass wir danach gleich zur Halle gehen können.

Die meisten aus der Crew sind bereits hier, sitzen an den Tischen, haben etwas zu trinken vor sich stehen und sind in den ersten Gesprächen vertieft. Es wird getrunken, gelacht und sich ausgetauscht über das, was bisher so gewesen ist. Ich schaue mich um, versuche mir einen Überblick zu verschaffen und finde am Ende die Personen, zu denen ich mich gesellen würde. Aber vermutlich will Chris auch bei mir sein und das bringt Probleme. Eben der will gerade zum Rand gehen, seinen Bruder vermutlich begrüßen, uns was zu trinken besorgen und den Abend beginnen lassen. Bevor sich Chris allerdings von mir entfernen kann, greife ich nach seiner Hand, halte ihn davon auf und ziehe ihn wieder zu mir zurück. Verwirrt blickt er zu mir, ich will gerade was sagen, als ich doch nochmal zum Tisch schaue. Dabei sind unter anderem Martyn, Matze, Kyra und eben auch Levi. Und diese scheint uns beide gerade erspäht zu haben und versucht uns aktiv zu ignorieren.
Juliette: Wäre es für dich okay, Chris..."
Ich habe größte Mühe damit, dass ich wieder von Levi wegschaue und mich auf Chris fokussiere. Ich will ihr doch einfach kein schlechtes Gefühl geben!
Juliette: Wenn wir beide heute nichts zusammen machen?"
Chris: Warum das?"
Mein besorgter Blick schweift wieder zum Tisch ab und ich glaube, dass Chris nicht mal dahin schauen muss, damit er versteht, was ich meine.
Juliette: Ich glaube, dass Levi das nicht leiden würde. Gib mir bitte den Abend, damit ich ihr zeigen kann, dass ich sie nicht hinten anstelle."

Ja, auch ich wäre liebe bei ihm, Andreas und Manu geblieben oder hätte ihn dazu gebracht, sich mit zu meiner Crew zu setzen, aber gerade ist es das Beste, dass wir beide getrennt voneinander hier sind. Widerwillig nickt er und stimmt mir zu. Wir beide stehen danach einzig noch zusammen bei den Getränken, schenken uns jeweils etwas ein, bevor sich unsere Wege für den Abend trennen. Chris setzt sich zu seinem Bruder, wird von Manu, seinem alten Schulfreund, nochmal wieder begrüßt und ich muss einmal tief durchatmen, bevor ich an den Tisch mit Levi und co. gehe.
Juliette: Hey."
Ich nehme zwischen Martyn und Kyra Platz, sitze Levi gegenüber und komplett aus dem Blickfeld von Chris. Jetzt hier zählen einzig meine Freund und nicht mein Freund.
Levi: Willst du heute nicht bei deinem Schatzi bleiben?"
Juliette: Ich will lieber was mit meinen Freunden machen...

Never Less Than a LoverWo Geschichten leben. Entdecke jetzt