Kapitel 58

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In gewisser Maßen habe ich ein Déjà-vu zu den Moment im Hotel in München, nachdem wir einander irgendwie gestanden haben, dass wir uns ineinander verliebt haben, bevor wir miteinander geschlafen haben. Auch jetzt stehe ich wieder nackt im Badezimmer des Hotels, gehe mit meinen Händen einmal über mein Gesicht, streiche mir mein Haar zurück und betrachte mich einen Augenblick, wonach ich mir noch meine Hände wasche, damit ich anschließend auch wieder ins Hauptzimmer und zu Chris gehen kann.

Noch immer hockt Chris genauso auf den Bett, wie ich ihn vor zwei Minuten dort habe sitzen lassen, um mich zur Toilette zu entschuldigen. Einen Moment bleibe ich stehen, schaue ihn mir an, bevor ich zu ihm gehe und vorsichtig mit meiner Hand über seinen Rücken streiche, sodass er auch seinen Blick in meine Richtung wendet. Vorsichtig wage ich mich an ein sanftes Lächeln, will mich so ran tasten, ob er noch irgendwie in Gedanken versunken ist, aber sogleich zeigt er mir wieder sein typisches Grinsen und dann greift er auch nach meiner Hand, um mich zu sich zu holen.
Juliette: Ist wirklich alles in Ordnung bei dir?"
Ich leiste keinen Widerstand, klettre wieder mit ins Bett, komme erneut vor ihm zum Sitzen und lege meine Hände auf seinen Beinen ab, halte meinen Blick die ganze Zeit bei ihm. Bevor Chris mir antworten könnte, setzt er zwar zu einem Satz an, muss aber gleich anfangen leicht zu lachen, lässt seinen Kopf kurz hängen, beißt sich einen Moment auf die Lippe und hebt anschließend seinen Blick wieder.
Chris: Weißt du, ich will dich mit diesem Zeug nicht nerven, aber ich weiß, dass ich das damit nicht mache. Dass du mir zuhören willst. Dass ich reden soll. Dass ich alles nicht immer in mich reinfressen und allein aushalten muss. Und das ist irgendwie das Problem an der ganzen Sache."
Sein verwirrendes Gerede bringt mich zum Schwachen lachen, sodass ich kurz den Kopf schüttle, in den Raum schaue, bis Chris nach meinen beiden Händen greift, diese festhält, sodass er gleich wieder meine Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Seine Hände und die Berührungen fühlen sich so sanft auf meiner Haut an, sodass ich am liebsten möchte, dass er mich gerade nicht mehr loslässt. Das merkt Chris auch daran, dass ich leicht seine Hände festhalte, damit eben das nicht passieren würde. Auch wenn ich glaube, dass er das nicht vor hat.
Chris: Meine Ex hat meine Art anstrengend gefunden und das ist sie. Sie ist Krankenschwester, arbeitet zu verschiedenen Zeiten und wenn ich wieder spät nach Hause komme, nur von der Arbeit rede und in der Nacht mich und sie wach halte, jemanden brauche, war sie davon genervt und ich konnte das nachvollziehen. Daher wollte ich auch nicht verstehen, dass du genau das Gegenteil von mir wolltest. Dass ich zu dir kommen soll, dass ich dich wecken darf und dass ich reden kann. Und dass es auch okay ist, dass ich nicht immer bei der Sache bin. Sie hatte mich niemals zu etwas gezwungen, aber irgendwie habe ich das Gefühl gehabt, ich müsste Sachen machen, weil ich sie doch liebe. Ich müsste es ihr sagen, mit mir selbst klarkommen, mit ihr schlafen, ihr meine komplette Aufmerksamkeit geben."
Jetzt drückt Chris meine Hände etwas stärker und zeigt mir eine Art Lächeln, was ich zuvor noch nie gesehen hatte bei ihm. Weil er mich gerade mit einem solch liebevollen und verliebten Blick ansieht, dass ich an nichts anderes denken kann.
Chris: Sie ist eine wunderbare Frau, keine Frage...aber es hat nicht gereicht. Von Anfang an eigentlich nicht und es war zum Scheitern verurteilt. Daher habe ich mich bei so vielen Dingen so angestellt. Ich war fast drei Jahre mit einer Frau zusammen, konnte nicht mit ihr zusammenwohnen, aber jeder hatte mir immer gesagt, dass es etwas so besonderes ist, was ich mit ihr habe."

Auch wenn ich es nicht will, Chris lässt meine Hände langsam los und auch wenn ich es verhindern wollte, er bringt mich dazu, dass ich es zulassen muss. Danach geht er mit diesen über meine Arme, rauf zu meinen Schultern, hält diese anschließend fest. Sein Blick geht einmal über mich, aber dahinter ist wieder nichts sexuelles, keine Lust oder Begierde. Er wirkt viel verträumter, bis wir einander wieder ansehen.
Chris: Es reichte nicht. Es hatte nie gereicht und es würde niemals reichen. Sie hat das beste getan, was sie konnte, aber es war nicht genug. Und das zu verstehen, dass ich mich damals in dich verliebt habe, weil ich eigentlich nie richtig mit ihr verbunden gewesen bin, hat lange gedauert."
Langsam finden seine Hände ihren Weg wieder an meine Taille, die er dort vorsichtig liegenlässt, mir wieder ein bisschen näher kommt, mich zu sich zieht.
Chris: Du bist so viel mehr als alles, was ich irgendwie verdient hätte und genau das, was ich immer gebraucht habe. Du hältst meine Launen aus, bist verständnisvoll und geduldig und bei Gott, du musst das alles sein, weil du mit mir zusammen bist und mich aushältst und aus irgendwelchen Gründen auch liebst."
Nun lege ich auch meine Hände hinter seinen Kopf, schaue ihn schweigend und gerührt an, schaffe es gar nicht, auch nur irgendwas zu sagen, weil seine Worte so viel mehr wert sind, als jedes »ich liebe dich«, was er hätte sagen können.
Chris: Ich würde dir gerne nur ein Bruchstück von dem zurückgeben, was du mir in den letzten Jahren immer wieder gegeben hast. Nichts davon wäre allerdings jemals genug. Aber ich bin froh, dass es für uns beide reicht."

Ich hätte es nicht länger ausgehalten, hätte gleich vor ihm anfangen können zu weinen – das kann er mir doch nicht ehrlich mitten in der Nacht antun – und schließe die Lücke zwischen uns, küsse ihn endlich wieder. Der Kuss fühlt sich so sanft an, sein leichtes Lächeln stabilisieren mich emotional nicht wirklich und als Chris nochmal wieder ansetzt, seine weichen Lippen auf meine drückt, bin ich sowieso vollkommen verloren. Mit seinen Händen, die noch immer an meiner Taille ruhen, zieht er mich vorsichtig näher zu sich, drückt mich gegen seine Brust, während ich mich einen Moment in seinem Haar festgreife. Ginge es nach mir, dann würde ich diesen Mann niemals wieder gehen lassen – und niemals bedeutet auch niemals.

Vorsichtig lasse ich meine Hände in seinen Nacken gleiten, als wir langsam wieder voneinander Abstand gewinnen und als Chris mir wieder in die Augen schaut, lege ich meinen Kopf auf seiner Schulter ab, während er mich in Arm schließt. Für einen ausgedehnten Moment genießen wir diese Nähe zum anderen, bis er seine Arme langsam von mir löst, sodass ich mich auch wieder vor ihm hinsetze, mit meinen Händen einmal über meine Augen wische, bevor ich verlegen lachen muss.
Juliette: Gott...was stellst du da nur mit mir an, Chrissy..."
Unsicher wendet er nun auch seinen Blick wieder von mir ab, in der Stille lacht er wieder typischer Weise, bis ich eine Hand unter seinen Kopf lege, den wieder anhebe, damit er mich auch wieder ansehen würde. Dabei zeige ich nur mit einer kurzen Kopfbewegung, dass wir uns hinlegen können, einen Moment noch die Nähe genießen, bevor wir zu müde werden würden und einschlafen. Da stimmt er auch gleich zu, wobei er anscheinend etwas dagegen zu haben scheint, dass ich mich zuerst im Bett fallenlasse und ihn andeute, dass er sich dazulegen soll.
Chris: Bin ich dir nicht zu schwer?"
Mit einem provokanten Blick löchere ich ihn, versuche nicht loslachen zu müssen und sehe, dass er genau mitbekommt, was meine Reaktionen zu bedeuten haben.
Juliette: Wenn du auf meiner Hüfte sitzt oder auf meinem Rücken liegst, denkst du da auch nicht drüber nach. Jetzt komm endlich zu mir, Chrissy."

Immerhin denkt er danach nicht mehr sehr viel darüber nach. Peinlich berührt lacht er nur nochmal, bevor er sich dazu durchringt, mir nachzukommen. Endlich geht er aus seiner starren Position raus und legt sich vorsichtig mit zu mir. Dabei versucht er sich so sanft wie möglich auf mich zu legen, liegt auch noch halb im Bett neben mir, aber legt zumindest seinen Kopf auf meiner Schulter ab und schließt einen Moment die Augen, als ich mit meiner Hand durch sein Haar streiche, es ihm aus dem Gesicht schiebe, damit ich ihn wieder richtig ansehen kann.

Für eine Zeit liegt er dort still auf mir, scheint meine sanften und vorsichtigen Berührungen zu leiden, vollkommen aufzunehmen. Zumindest würde sein leichtes Grinsen mir das verraten und das konnte er immer schon sehr schlecht vor einem verheimlichen. Als ich mit meiner Hand über seinen Rücken gehe, die Decke etwas weiter über uns beide lege, schaut er das erste Mal zu mir auf, bevor er nochmal sanft meine Schulter küsst, bis eines meiner Motive wieder seine Aufmerksamkeit in Beschlag nimmt.
Chris: Was sind das für Blumen?"
Ein letztes Mal küsst er diese Stelle auf meinem Arm, bevor Chris seinen Kopf wieder ablegt, zu mir rauf schaut und auf meine Erklärung wartet. Immer wieder fragt er nach den Bedeutungen meiner Tattoos, wenn ihm irgendwas auffällt.
Juliette: Das sind Vergissmeinnicht. Ich liebe diese Blumen und habe es mir stechen lassen, bevor ich nach Hamburg gezogen bin. Mein Bruder hatte mir immer wieder diese Blumen geschenkt, die für Treue, Erinnerung und ewige Liebe stehen im Zeichen, dass wir immer Verbunden sein werden, auch wenn ich wegziehe. In Hamburg hat er mir jedes Jahr zu meinen Geburtstag  einen Strauß Vergissmeinnicht mit Rosen zukommen lassen. In Bünde wurde das schwerer, aber ich denke immer wieder daran."
Chris: Du hast wirklich einen wunderbaren Bruder. Ich sehe bei euch beiden ein mindestens genauso enges Band, wie ich es mit Andreas habe. Und ich meine, ich sehe meinen Bruder jeden Tag, seitdem ich denken kann. Ihr habt da wirklich was Besonderes."
Juliette: Da hast du recht. Ich hätte mir keinen besseren Bruder vorstellen können als ihn."

Nach und nach wurden unsere Gespräche weniger, unsere Kommunikation leiser und wir allgemein immer ruhiger. Vieles habe ich irgendwann gar nicht mehr richtig mitbekommen. Dass Chris seine Arme halbwegs an mich gelegt hatte, sich nochmal wieder richtig hingelegt hatte, habe ich noch halbwegs mitbekommen, aber kurz darauf muss ich auch schon weggewesen sein. In der Nacht war ich nur einmal wach, habe gemerkt, dass ich ab dann in seinen Armen gelegen habe und habe diese erste ruhige und friedliche Nacht seit langem, vollkommen ausgekostet...

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