Von der Seite aus sieht mich July ruhig an, hat noch wieder ein leichtes Lächeln auf den Lippen, während sie mir schweigend zuhört und mich in den Moment reden lässt. Nach der Abendshow hat sie ihre Sachen zusammengesucht oder am FOH stehenlassen, ist zu meiner Kabine gekommen, wo sie noch kurz auf mich warten musste und dann haben wir die Arena verlassen. Wie ich es ihr versprochen habe, suchten wir uns auf den Weg noch etwas zum Essen und gingen damit dann wieder zurück ins Hotel und rauf auf unser Zimmer.
Mitten in meinem Satz stoppe ich wieder, wechsle vollkommen das Thema und wende meinen Blick einen Augenblick von meiner Freundin ab, um meinen Gedankengang, der gerade aufgekommen ist, zu sortieren uns in Worte zu fassen.
Chris: Vielleicht sollten wir die Illusion Desire doch wieder in die erste Hälfte packen, weil sie in der zweiten doch ein extremer Downer ist, findest du nicht? Obwohl sie auch ein Break darstellen könnte, wie Andreas es immer schon gemeint hatte. Das nicht die ganze Zeit immer etwas spektakuläres passiert, sondern auch mal etwas ruhigeres."
Ich hasse es mit Stäbchen zu essen, aber wir haben uns in einem Supermarkt nur schnell jeweils eine Bowl geholt. Dabei hatte July irgendwas mit Glasnudeln, Mango und Gurke und ich mit Reis und Hähnchen. Und da wir kein Besteck hier haben, musste ich mich darauf einlassen, dass wir uns beide jeweils ein paar Stäbchen mitnehmen.
Chris: Vielleicht sollte ich da aber auch nicht weiter drüber nachdenken, da muss ich mit meinen Bruder nochmal drüber reden. Worüber hatten wir eigentlich geredet? Ach ja genau! Über Kyras Prüfung, die sie bald ablegen muss."
Während ich noch fast gar nicht gegessen habe, ist die Schale von July beinahe vollkommen leere. Zwischendrin treffen sich unsere Blicke wieder, sie lächelt mich mal wieder ruhig an und in meinen Kopf sammeln sich meine Gedanken wieder.
Chris: Sie hatte da bereits gute Pläne, was sie da umsetzen will und irgendwann im März wollten wir uns da zusammensetzen. Vielleicht kannst du ihr da auch nochmal unter die Arme greifen, wenn sie Fragen hat."Wieso der Reis so klebrig sein muss, verstehe ich zwar nicht, aber immerhin sättigt er ziemlich gut. Während ich mal wieder ein Stück aus meiner Schale nehme, ist es still im Raum, bis ich mir meine Hand vor den Mund halte und kurz einen unterdrückten Ton von mir gebe, weil mir wieder was eingefallen ist.
Chris: Ich hätte auch voll Bock darauf, dass wir mal eine Illusion entwerfen, die vor allem mit Lichteffekten arbeitet. Vor einigen Wochen habe ich da mal was online gesehen, was ich total faszinierend gefunden habe, aber irgendwie fehlt mir da das Thema."
Ich höre kurz auf zu reden, um nicht weiter mit Essen im Mund reden zu müssen, um den freizubekommen. In der Zeit stelle ich meine Schale auf meine Beine ab, drehe mich leicht zu July, um sie genaue ansehen zu können.
Chris: Ich möchte jetzt nicht einfach so was entwerfen, da das so unpersönlich wirken würde, oder etwa nicht? Verstehe mich nicht falsch, es wäre zwar cool, aber hätte ja keine Geschichte. Oder was denkst du darüber?"
Im gleichen Moment fällt mir wieder ein, wo ich etwas ähnliches Mal im echten Leben gesehen habe. Weit davon entfernt, dass es eine Illusion auf einer Bühne gewesen ist, aber wir suchen uns ja auch immer Momente aus unserem Leben.
Chris: Man könnte es wieder mit Frankreich verbinden, obwohl wir das ja auch bei der Nummer in Dream & Fly so hatten. Wäre vielleicht etwas doppelt. Aber ich erinnere mich noch gut, wie ich damals mit meiner Gastfamilie in Paris war, wie wir bis abends durch die Straßen liefen, damit wir den Eifelturm mit seinen Lichtern sehen konnten. Das würde ich niemals wieder vergessen können und-"Während irgendeiner Geste, die eigentlich auch viel zu übertrieben gewesen ist, verliere ich meine Stäbchen aus der Hand, verstumme mitten im Satz und muss eben diese erst wieder vom Boden aufheben. Als ich anschließend wieder richtig sitze, meinen Kopf in Julys Richtung drehe, will ich zuerst wieder an den Satz anknüpfen, den ich eben angerissen habe, aber bleibe einfach stumm. Erst jetzt wird mir nämlich so richtig bewusst, dass ich sie seit einer viel zu langen Zeit mit solchen Gedanken zutexte, ohne Punkt und Komma rede und sie damit schlicht...nerven muss.
Meinen plötzlichen Gemütsumschwung bleibt selbstverständlich nicht unbemerkt und sobald ich meinen Blick einmal senke, schweige und auch leise wieder zu ihr aufschaue, huscht über ihre Lippen ein schwaches Lachen.
Juliette: Du redest nicht zu viel, Chrissy."
Sogleich muss ich ein wenig lachen, esse still weiter, weil sie bereits ihre leere Schale wieder auf den Tisch stellen kann und anschließend näher an mich rückt. Ich war aber auch zu sehr damit beschäftigt, sie voll zu texten.
Juliette: Wenn das alles immer in deinen Kopf los ist nach einer Show, dann verstehe ich auch, dass du nicht einfach so runterkommen oder durschlafen kannst. Ich würde da so durchdrehen, das kannst du dir gar nicht vorstellen."
Chris: Ich kann es mir sehr gut vorstellen, kenne es ja nur zu gut."
Auch wenn das irgendwie nicht zum Lachen ist, wir beide können etwas schmunzeln. July legt dabei ihren Kopf auf die Rückenlehne, schaut mich an, während ich noch weiter esse, damit wir uns bald schlafen legen könnten. Dabei schweift mein Blick immer wieder zu ihr ab, weil sie nicht aufhört mich anzusehen.
Chris: Manchmal denke ich, dass du dir solche Abende anders vorstellst."
Juliette: Wie meinst du das?"Zuerst zucke ich einzig mit den Schultern, aber weiß auch gleich, dass sie das nicht so stehenlassen würde. Stattdessen esse ich wieder etwas, atme einmal durch und halte meinen Blick gesenkt, als ich nochmals mit den Schultern zucke.
Chris: Auf Tour sind das ja die einzigen Moment, die wir beide so richtig privat teilen. Nicht in einer Kabine, unten im Bus oder irgendwo Backstage. Keine Ahnung...vielleicht erwartest du da einfach etwas anderes..."
Juliette: Stimmt."
Danach rückt July gleich näher an mich heran, nimmt meinen einen Arm weg, damit ich diesen über ihre Schultern legen kann, als sie sich vorsichtig an mich lehnt und ihren Kopf auf meine Schulter legt. Deswegen muss ich auch ein wenig grinsen, schaue sie an.
Juliette: Du weißt hoffentlich, dass ich dich niemals zu irgendwas überreden würde. Auch wenn du es nicht so siehst, ich liebe auch die Momente, wo wir einfach beieinander sind. Ich bin gerne in deiner Nähe und das reicht mir dann."
Zuerst grinse ich wieder unkontrolliert, gebe ihr vorsichtig einen Kuss aufs Haar, bevor ich wieder etwas aus meiner Schale esse. Dabei merke ich aber auch schnell wieder, dass meine Freundin zu mir rauf schaut.
Juliette: Wie sieht deine Idee da genau aus? Sie klingt ziemlich gut."
Chris: So eine kleine und ruhige Illusion, ohne zu reden und mit gute Musik. Vielleicht etwas von Bruno Mars oder doch Ed Sheeran."
Juliette: Du bist auch wirklich so ein kleiner Ed Sheeran Fanboy."
Chris: Überhaupt nicht!"Musste ich mir danach anhören, dass bei Zaubersturm die ersten Nummern fast alle aus Musik von diesem Künstler bestanden? Eventuell und vielleicht sollte ich auch nicht mit meiner Freundin darüber diskutieren, die zu gut meine Playlists kennt, die ich für die Shows immer erstelle, aber so, wie July es ausgedrückt hat, würde ich es nicht bezeichnen. Jedenfalls ließ sie mich den Gedanken zu Ende spinnen, warf ebenfalls ein paar Ideen ein, aber bevor ich da irgendwie weiterkommen konnte, setzte bei mir auch die Müdigkeit ein, wir machten uns fürs Bett fertig und ich verwarf die Idee, zumindest vorerst...
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Never Less Than a Lover
Fanfiction10: Du gibst mir wieder Mut 09: Du zeigst mir das Gefühl von Geborgenheit 08: Du bist der erste, der mich richtig verstehen kann... Alles, was Juliette und Christian miteinander verband, war ein endloser Deal und ein Geheimnis, was niemals ans Licht...