Kapitel 12

20 7 1
                                    

Ich habe mich in der Zeit vertan. Ich habe mich in der Zeit vertan. Ich habe mich so dermaßen in der Zeit vertan, wie noch niemals zuvor! Oh mein Gott, einmal im Leben sollte ich nicht zu spät kommen und ich schaffe es auch das zu vermasseln.

Nach dem Einkauf hatte ich noch die perfekte Zeit, um mich für das Date mit Juliette vorzubereiten. Die Einkäufe habe ich alle richtig in der Küche verstaut, generell ging ein letzter Blick durch die Wohnung, wobei da schon alles in Ordnung ist und danach bin ich gleich ins Bad gegangen. Meine Haare waren eine einzige Katastrophe, daher habe ich sie mir streng nach hinten gegelt. Mit meinem leichten Bart sah ich dann aber so aus, als wäre ich Bankberater oder als würde ich Juliette eine Versicherung andrehen wollen, die sie eigentlich gar nicht braucht. Das Duschen und Haarewaschen danach hat Zeit gefressen und schlussendlich habe ich mir wie immer die Haare in einen Seitenscheitel gelegt und bin selbst enttäuscht über meine unkreative Art. Die Zeit hat mich da allerdings das erste Mal darauf aufmerksam gemacht, dass ich spät dran bin. Vorm Kleiderschrank hatte ich das Problem, dass mich fast alles an eines unserer Treffen erinnern musste. Und weiterhin: Ich will nicht wie jemand vom Finanzamt aussehen. Egal! Dunkel Hose, schwarz-weiß kariertes Hemd und ein Jackett ähnliche Jacke später stehe ich vorm Spiegel, schaue mich genaustens an und lasse kurz darauf meinen Kopf in den Nacken fallen.
Chris: Ich war schon immer mies in sowas..."
Als ich wieder aufschaue, puste ich eine Haarsträhne, die nicht so will wie ich, aus dem Gesicht und schaue auf mein Handy. Viel zu spät dran!

Im Flur ziehe ich mir hektisch irgendwelche Schuhe an – Hauptsache, es sind die gleichen von einem Paar – und renne in die Küche, damit ich dort mein Portmonee mitnehmen kann. Aus der Jackentasche krame ich zuletzt mein Handy und gehe auf den Chat von Juliette und mir, schreibe aber keine Nachricht sondern schicke ihr eine Sprachnachricht.
Chris: Ich habe mich ein bisschen in der Zeit vertan, aber mache mich jetzt auf den Weg zu dir nach Bünde."
Ich greife beim Gehen nach den Türknauf und ziehe die Tür zu, damit sie ins Schloss fallen und ich weiter zur Treppe laufen kann, sodass ich kurz darauf auch die Tür ins Schloss fallen höre.
Chris: Ich sollte etwa in zehn Minuten bei dir...fuck...der Schlüssel..."
Die Nachricht beende ich, lasse meine Hand mit Handy fallen und starre zurück auf meine Wohnungstür...worin der Schlüssel für Wohnung und Auto ist. Etwas unverständliches nuschle und fluche ich vor mich hin, bevor ich zur Treppe nach oben laufe.
Chris: Heute ist einfach echt nicht mein Tag..."
Über mir wohnt Herr Meyer. Dieser übernimmt im Wohnhaus ein paar Hausmeistertätigkeiten und hatte sich früher, als ich noch einen Wellensittich hatte, um den notfalls gekümmert, wenn wir länger auf Tour waren. Und zudem hat er auch einen Ersatzschlüssel für meine Wohnung, gerade weil er sich um mein Tier gekümmert hatte. Also leihe ich mir den kurz, nachdem ich erklären musste, warum ich so aussehe und warum ich in Eile bin, konnte aus der Wohnung meinen richtigen Schlüssel holen, den anderen wieder abgeben und danach aus dem Haus zu meinem Auto hetzen.

Ampeln merken, wenn man es eilig hat. Und die Anzeige in meinem Blickwinkel, welche mir provokant sagt, dass ich bereits zehn Minuten zu spät bin, als ich in Bünde reinfahre, macht das alles nicht besser. Beinahe bin ich dann auch eine Straße zu früh abgebogen, konnte mich dann aber noch zusammenreißen und sehe nach wenigen weiteren Minuten auch Juliette am Straßenrand vor ihrem Haus stehen, wo ich auch halte.

Juliette steigt ein, ich atme aus, versuche meine innere Unruhe abzutreten und lasse meinen Blick anschließend zu ihr rüber wandern. Sie lächelt mich sanft an, wohingegen ich mir mein eigenes stark erzwingen muss.
Juliette: Hey."
Ich bekomme kein Wort hervor und bevor das hier noch unangenehmer wird, fahre ich endlich los, damit wir nicht noch viel später beim Restaurant ankommen würden. Während ich uns beide über die Straßen fahre, bekomme ich mit, dass Juliette mich von der Seite aus anschaut und innerlich löchert mich meine Erklärnot so lange, bis ich nicht mehr still schweigend neben ihr sitzen kann.
Chris: Es tut mir so unfassbar leid, Juliette. Es ist einfach alles schief gelaufen, was hätte schief laufen können. Eigentlich war ich gut in der Zeit, habe mich dann fertig gemacht, sah dann aus wie ein schäbiger Versicherungsverkäufer, musste nochmal duschen, habe mich in Eile fertig gemacht und gerade, als ich dachte, dass ich endlich los könnte und zu dir hin, da..."
Juliette: Da hast du wohl gemerkt, dass du die Wohnung ohne Schlüssel verlassen hast."
Nach meinem Monolog atme ich erstmal wieder ein, versuche erst gar nicht mein peinlich berührtes Lachen zu verstecken und schüttle danach den Kopf.
Chris: Mein Nachbar hatte noch einen, so habe ich meinen Schlüssel bekommen, aber das hat wieder Zeit gekostet...es tut mir leid."
Juliette: Irgendwie bin ich es ja bereits gewohnt, dass du immer unpünktlich bist."

Ich wollte erst mit ihr wieder zu unserem Italiener gehen. Allerdings war das Gefühl ein anderes, weil wir immerhin letzten Winter dort gesehen und fotografiert wurden. Dann ein neues Lokal in der Umgebung von Enger, was mir meine Schwester empfohlen hatte. Ein Blick im Vorhinein auf die Karte hatte mir auch gezeigt, dass ich mit Juliette herkann.

Als ich meinen Wagen auf den Parkplatz abstelle, schaut Juliette einen Moment zum Gebäude und wird vermutlich überlegen, ob wir beide bereits einmal hier gewesen sind. Während sie dort also noch auf dem Platz sitzt, steige ich bereits aus, beeile mich damit, ums Auto zu kommen, damit ich ihr nach dem Abschnallen die Tür öffnen kann. Ihr Blick ist zuerst ein wenig misstrauisch, bis sie verlegen lächelt und aussteigt.
Juliette: Danke..."
Ein letzter Check, ob ich alles dabei habe – ja, jetzt habe ich wirklich alles – und dann können wir zusammen auch zum Lokal gehen. Einem Kellner sage ich, dass ich einen Tisch auf »Reinelt« bestellt hatte und wir beide werden auf die kleine Terrasse geschickt. Ich laufe den Weg vor, halte Juliette die Tür auf und ziehe ihr am Tisch den Stuhl vor, wofür sie sich beide mal jeweils bei mir bedankt.
Juliette: Du gibst dir Mühe."
Gegenüber von ihr nehme ich Platz, schaue zu ihr auf und lächle sanft.
Chris: Ich versuche ein guten ersten Eindruck zu hinterlassen...nach drei Jahren."
Darüber kann Juliette nur lachen und schaut mich anschließend mit einem schrägen Grinse an.
Juliette: Ich bin doch bereits deine Freundin."
Chris: Ja, aber ich will dir keinen Grund geben, dich anders entscheiden zu müssen...

Never Less Than a LoverWo Geschichten leben. Entdecke jetzt