Mama kannte den Weg fast auswendig, immerhin sind wir auch an der Halle und dem Haus meines Bruders vorbeigefahren. Heute ist sie aber das erste Mal hier, bei July zu Hause, aber als sie das kleine Haus sieht, in dem sie lebt, muss sie etwas lachen. Damals hätte eine ihrer Freundinnen ebenfalls in einem solchen Haus gelebt und sie verbindet damit viele gute Erinnerungen. Was meine Freundin damals daraus gemacht hatte, als sie hier nach Bünde gezogen ist, finde auch ich selbst immer wieder mehr als beeindruckend.
Das Auto meiner Freundin steht nun neben meinem, was sowieso fast immer hier steht. Die Nachbarn grüßen mich immer dann, wenn wir uns über den Weg laufen und öfters wurde ich bereits gefragt, ob ich hier neu eingezogen wäre bei der Frau Dubois. Die Dame kommt durch die hölzerne Seitentür auch nun aus dem Garten zu uns nach vorne. Heute morgen, bevor ich mich auf den Weg gemacht habe, hat sie sich ihre Arbeitsklamotten angezogen und die Haare zusammengebunden, immerhin sind das Sachen, die auch dreckig werden und leicht gereinigt werden können.
Juliette: Da seid ihr ja schon wieder."
Als persönliche Tragehilfe meiner Mutter darf ich mich gleich wieder um das kümmern, was gerade noch im Kofferraum auf uns wartet, während sie meine Freundin begrüßt. Auch wenn ich es nur zum Ende hin mitbekomme, meine Mutter hat July kurz in Arm genommen, weil sie gegenüber jeden in der Familie immer so herzlich ist, aber scheinbar hat es meine Freundin leicht irritiert, auch wenn sie sich das nicht anmerken lässt.
Hedi: Wäre diese eine Bahn nicht gewesen, dann wären wir noch eher hier angekommen."
Juliette: Nicht mal mit dem Auto ist man vor der Deutschen Bahn sicher."
Meine Mama lacht darüber, July schmunzelt etwas und schaut zu mir rüber, wie ich lächelnd am Auto stehe und darauf warte, dass ich etwas Hilfe bekomme und mit dem Tragen nicht vollkommen alleingelassen werde. Den Kleinkram nimmt meine Mutter gleich mit, July ich und die Pflanzen und durch die neue Tür, das haben wir auch noch vor zwei Tagen gekauft und eingebaut, geht es in den Garten meiner Freundin.In der Mitte der Rasenfläche legen wir einmal alles ab, ich will mein Handy noch auf den Gartentisch legen, damit mir das nicht in irgendein Beet fällt. Darin bin ich wirklich Profi. Meine Mutter legt ihre Jacke noch ab und zur Seite weg, während sich July nochmal das Haar band straff zuzieht und sich danach auch an sie wendet.
Juliette: Also...das ist meine kleine persönliche Hölle."
Hedi: Sag sowas doch nicht! Du wirst sehen, mit ein bisschen Arbeit wird das hier ganz nett und wir sind jetzt auch genügend Leute, um das hinzubekommen."
Innständig hoffe ich wirklich, dass meine Freundin bei all den Tipps und Ratschlägen besser aufgepasst hat als ich. Nach spätestens zwei Erklärungen, was zu welcher Jahreszeit blüht und was wann geschnitten werden kann und darf, war ich raus und habe nur die Befehle ausgeführt, die mir gegeben wurden. Dass man Blumen falsch einpflanzen kann, wusste ich bis dahin auch nicht – und ja, jeder der sich nur ein bisschen damit auskennt lacht mich gerade aus – aber immerhin wusste meine Mutter das und July konnte es umsetzen. Nachdem ich einmal allerhand Hecken und Büsche trimmen durfte, hat man auch erstmals die komplette Größe des kleinen Gartens wahrnehmen können und auch wenn Mama nichts Großes und nicht viel für die Bepflanzung angedacht hatte, es wirkt am Ende genau richtig. Das kleine Bäumchen wird in die Mitte des Gartens gesetzt, sollte einmal im Jahr geschnitten werden oder eben nach Bedarf und am späten Nachmittag ist das vorherige Chaos komplett weg und der Garten ist gar nicht mehr wiederzuerkennen.Eine der Schalen, in denen die Pflanzen zu Beginn stecken, schmeißt meine Mutter noch in einen Beutel, den wir später entsorgen können und klopft sich anschließend die Hände einmal ab, bevor sie sich umschaut. Meine Freundin löst gerade ihr Haar, weil sie nach zu langer Zeit ansonsten Kopfschmerzen bekommt und ich räume die letzten Sachen noch zusammen, damit wir die irgendwo unterbekommen können. Mama will uns die überlassen, da wir uns jetzt auch um etwas kümmern müssen.
Hedi: Klein, fein und nicht mehr wiederzuerkennen."
Juliette: Ich hätte nicht gedacht, dass das hier mal so wohnhaft sein könnte. Danke, dass du dir dafür die Zeit genommen hast."
Hedi: Für die Kleinigkeit doch nicht. Ich helfe gerne, sowas muss niemand allein machen."
Das Lächeln, was meine Freundin dann auf den Lippen hat, kenne ich zu gut. Es ist, das was immer dann aufkommt, wenn sie den Schmerz, den ihre angebliche Familie hinterlassen hat, weglächeln will. Und normalerweise kauft man es ihr ab, aber Mütter haben immer einen Sinn dafür zu merken, wenn mit einem etwas nicht stimmt. Mama geht auf sie zu, legt ihre Hände an ihre Arme und streicht da vorsichtig rüber, schaut sie bestärkend an.
Juliette: Meinen Eltern hat das nie etwas bedeutet, meine Familie war nie für mich da und irgendwie bin ich es gewöhnt, dass ich immer alles allein schaffen muss."
Hedi: Ab jetzt nicht mehr, Juliette. Eine Familie hält immer zusammen und du bist ein Teil von unserer. Wenn etwas ist, ruf an und ich bin für dich da."
Als Mama und July sich umarmen, sehe ich die Blicke meiner Freundin, die sie mir zuwirft und etwas so dankbares und gerührtes habe ich bei ihr noch nie gesehen.Fürs Abendessen ist Mama bei meinem Bruder eingeladen, daher hatte der Tag für sie auch so gut gepasst. Später wird sie von Andreas oder Steffi auch nach Hause gebracht, vielleicht macht das auch ihr ältester Sohn, auf jeden Fall wird sie dort jetzt hingehen, daher greift sie auch nach ihrer Jacke, die sie sich wieder überzieht.
Hedi: Das ist wirklich ein schönes zu Hause, was ihr da habt."
Juliette: Eigentlich...Chris ist noch nicht hier eingezogen."
Ich stehe hintern auf der Terrasse, verfolge das Gespräch zwischen den beiden und wollte gerade die letzten Sachen zusammenräumen, damit die Tassen und Gläser wieder ins Haus können, wenn ich Mama gleich verabschiede, aber drehe mich doch zu beiden um.
Hedi: Noch nicht? Hat er das bald vor?"
Chris: Ja."
Bevor July auch nur den Mund aufmachen konnte, habe ich meiner Mutter geantwortet und somit auch auf die Frage, die sie mir vor bald drei Wochen gestellt hat. Ob ich mit zu ihr ziehen will und einzig meine Angst, weil ich ein Feigling bin, hatte mich davon abgehalten, ihr gleich diese Antwort zu geben. Bereits damals hätte ich ihr gleich sagen können, dass ich bei ihr wohnen will, da musste ich eigentlich nicht weiter drüber nachdenken. Meine Antwort hat gebraucht, aber dafür kann ich jetzt noch mehr hinter ihr stehen.
Chris: In der Sommerpause ist dafür gute Zeit, wenn ich jetzt meine Wohnung kündige, kann ich im Juli auch hier herziehen."Es wirkte so, als konnte July darauf keine richtige Reaktion geben, stattdessen winkt sie geistesgegenwärtig meiner Mutter zum Abschied noch zu, als ich mit ihr kurz durchs Haus gehe, um sie ebenfalls zu verabschieden. Auch ich bedanke mich nochmal wieder bei ihr, dass sie uns beiden geholfen hat und sage ihr auch nochmal, dass sie July mit ihren Worten vorhin etwas sehr großes geschenkt hat. Danach sagen wir beide auf Wiedersehen, sie geht den Weg runter und dann zum Haus meines Bruders, während ich die Tür schließe und durch Flur und Wohnzimmer wieder in den Garten gehe.
Das Wetter ist noch gut, es ist nicht zu kalt und langsam dämmert es. Aber ich denke, dass wir beide uns heute einen ruhigen Abend hier im neuen Garten machen könnten. Irgendwo wird meine Freundin schon eine Decke haben, vielleicht bestellen wir uns was zu Essen und trinken noch etwas. Nichts Besonderes, aber etwas entspanntes.
Chris: Was hältst du von einem ruhigen Abend hier zusammen im-"
Ich muss zwei Schritte zurücktreten, um das Gleichgewicht zu halten, als meine Freundin auf mich zugelaufen und ihre Arme um meinen Hals legt, um mich zu umarmen. Impulsiv muss ich deswegen lachen, lege für einen winzigen Augenblick meine Hände an ihren Rücken, bis sie mich mit ihren Händen, die sie gegen meine Brust legt, von sich wegdrückt.
Juliette: War das dein Ernst eben und keine Notlüge? Du ziehst hier her?"
Ganz bedacht gehe ich mit meiner einen Hand durch ihr Haar, lege ihr einige Strähnen davon hinters Ohr und lächle sie ruhig an, bevor ich nicke.
Chris: Ich würde gerne bei dir wohnen, July."
Schneller als ich es begreifen kann, spüre ich ihre Lippen wieder auf meinen, muss nochmal wieder lächeln und halte sie mit den Armen bei mir fest...
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Never Less Than a Lover
Fanfiction10: Du gibst mir wieder Mut 09: Du zeigst mir das Gefühl von Geborgenheit 08: Du bist der erste, der mich richtig verstehen kann... Alles, was Juliette und Christian miteinander verband, war ein endloser Deal und ein Geheimnis, was niemals ans Licht...