Kapitel 74

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Am Abend, nachdem ich gekonnt dem Problem aus dem Weg gegangen bin und einfach bei Chris geblieben bin, bis wir uns auf den Weg machen konnten, hatten wir beide uns aus dem was zum Abendessen gemacht, was ich zu Hause hatte und machten es uns anschließend im Wohnzimmer gemütlich. Chris verzichtete auf ein Glas Wein, weil ihm der Vorabend noch nachhängt und ich, weil ich emotional doch noch zu sehr dem nachhänge, was heute in der Halle gewesen ist und mittlerweile kenne ich mich gut genug, um zu wissen, dass das nicht gut gehen würde.

Bevor wir uns einen Film anmachen oder eine Serie starten konnten, wollte Chris noch duschen gehen und ich versuchte nochmal mein Glück damit, ob ich Kyra endlich erreichen würde, da ich das den ganzen Tag nicht hinbekommen habe. Als ich sie dann endlich am Telefon hatte, kam ich gar nicht dazu, irgendwas zu sagen, da sie sich zuerst einige Minuten dafür entschuldigt und erklärt hatte, warum sie heute nicht da gewesen ist und ebenfalls auch, warum sie mir nicht mal schreiben konnte.
Juliette: Wie geht es dir denn mittlerweile?"
Ich stehe vor der Tür zum Garten, kaue auf meiner Lippe und höre Kyra auf der anderen Seite verzweifelt seufzen. Wäre die Situation nicht so ernst, dann würde ich darüber vermutlich ein wenig lachen, aber leider wäre das gerade nicht angebracht.
Kyra: An sich ganz gut, aber der Arzt meinte heute, dass es ein komplizierter Bruch ist und dass der operiert werden muss. Und dann fiel auch noch das Wort Reha. So wie es scheint, kann und wird sich das bis zum Sommer ziehen."
Juliette: Was ist mit deiner Prüfung?"
Vielleicht ein wenig unsensibel, dass ich sie, während sie noch im Krankenhaus liegt, frage, wie sie ihre Abschlussprüfung machen will, wenn sie bis dahin nicht mehr arbeiten darf, aber das liegt auch noch schwer im Raum.
Kyra: Mir wurde nahe gelegt, dass ich das aufs Frühjahr verschieben sollte. Jetzt muss das operiert werden, wieder heilen und dann die Maßnahmen, dass alles wieder gut wird...es tut mir so leid, Juliette."
Juliette: Du brauchst dich bei mir nicht entschuldigen, Kyra. Die Hauptsache ist, dass du wieder fit wirst und dann wirst du die Prüfung im Frühjahr mit Bestleistung bestehen."

Auch wenn sie sich das ganze wohl anders gedacht hatte, sie bedankt sich vorerst bei mir. Ebenso meint sie, dass das Krankenhaus morgen einen Bescheid an die Arbeit und so schicken wird, aber schüchtern fragt sie mich, ob ich Chris das schonmal sagen kann. Und natürlich mache ich das! Anschließend bitte ich sie darum, dass sie mich auf den Laufenden halten soll und dass ich gerne auch mal zu Besuch komme. Falls etwas ist, sie kann sich immer bei mir melden und ich bin für sie da und danach verabschieden wir uns auch voneinander, sodass ich mein Handy wieder in der Hand halte.

Langsam drehe ich mich um und sehe meinen Freund, der in der Tür zum Wohnzimmer steht und mich still beobachtet. Offenbar wird er wohl bemerkt haben, mit wem ich gerade telefoniert habe, aber alle anderen Informationen sind ihm ausgeblieben.
Juliette: Kyra hat sich den Fuß gebrochen und ist im Krankenhaus. Und scheinbar ist der so kompliziert, dass sie bis zum Sommer ausfallen und die Prüfung schieben wird."
Mit jedem neuen Fakt, den ich mit eingestreut habe, konnte ich gleich merken und sehen, dass Chris etwas weiter in sich zusammenfällt und dass es ihn selbst auch ärgert. Natürlich kann sie nichts dafür, es war eben ein Unfall im Treppenhaus, aber es tut einem leid für das, was sie schon dafür vorbereitet hat.
Juliette: Wollen wir uns aufs Sofa legen und die Arbeit für den Tag vergessen?"
Chris stößt ein Lachen hervor und nickt danach sofort, weil es für uns beide vermutlich das beste sein würde. Weder das eine noch das andere können wir hier ändern und jetzt haben wir noch einen Moment zusammen, bevor die Tour wieder beginnen wird. Aus der Küche hole ich uns beiden nur noch zwei Gläser, irgendwas zu trinken steht schon im Wohnzimmer und Chris sucht uns eine Serie raus, die wir mal angefangen und nun weiterschauen wollen. Zuletzt lasse ich die Rollos noch runter und in der Zeit macht es sich Chris bereits auf dem Sofa gemütlich, sodass ich am Ende nur noch dazukommen muss. Wie so oft am Abend deutet er mir mit seinen offenen Armen an, dass ich mich mit zu ihm und halb auf ihn legen soll, sodass er seine Arme noch um mich und ich meinen Kopf auf seine Brust legen kann. Erst dann atme ich einmal entspannt aus und lasse mich für den Moment auch fallen.

Chris' Hand geht über meinen Rücken, streicht immer wieder sanft darüber und ab und an auch durch mein Haar oder legt es mir wieder hinters Ohr. Dabei versuche ich mich lange einfach auf die Serie zu konzentrieren, aber bei irgendeinen Dialog hebe ich meinen Kopf doch leicht an und schaue zu ihm rauf. Mit meiner Hand lege ich sein noch leicht feuchtes Haar zurück, sehe ihn schmunzeln und gehe danach mit meiner Hand über seine Schulter, um einen kurzen Moment nach der Kette zu greifen, die er noch immer trägt.

Das scheint er auch bemerkt zu haben, drückt mich mit seiner Hand, die noch an meinem Rücken liegt, etwas fester an sich und schafft es dadurch auch, dass die Serie vollkommen in den Hintergrund gerückt wird.
Juliette: Wirst du sie jetzt immer tragen?"
Chris: Auf jeden Fall."
In meinen Augen ist es nichts Besonderes gewesen. Ich war nicht so kreativ wie so manch anderer, der gefühlt Berge für seinen Partner am Geburtstag versetzt. Dabei weiß ich auch, was sein Bruder schon alles für ihn gemacht hat, seine Freunde, die Fans.
Juliette: Was war das schönste Geschenk, was du je bekommen hast?"
Chris: In meinem gesamten Leben?"
Ich nicke nur schwach und lege meinen Kopf wieder auf seiner Brust ab. Chris' Blick fixiert mich und in den Moment kommt es mir auch so vor, als müsste er gar nicht so lange überlegen. Ziemlich schnell hat er sein süßes Grinsen auf den Lippen und streicht mir ein Teil meines Haares wieder hinters Ohr.
Chris: Du erinnerst dich noch an meinen 40. Geburtstag? Damals auf Tour?"
Ich nicke, weil Andreas und die Crew so viel für ihn gemacht haben. Natürlich muss es irgendwas davon gewesen sein, das hätte ich mir denken können.
Chris: Damals, nach der Show und der kleinen Feier, als wir beide noch unten im Bus waren und uns in das kleine Büro von mir und meinen Bruder eingeschlossen haben, weil das winzige Sofa für uns beide dort ausreichen musste."

Misstrauisch blicke ich auf, weil ich vollkommen bezweifeln würde, dass der Sex zu seinem Geburtstag, wo er sich tausende Male versichert hatte, dass ich mich bitte nicht dazu verpflichtet fühlen müsste, aufgrund des Tages, das ist, was er meinen kann.
Chris: Als wir beide fertig waren, wolltest du damals in einen der Stühle warten oder dich auf den Teppichboden legen, weil auf dem Sofa gerade so Platz für mich gewesen ist, der noch unter dir lag. Und ich habe einfach so gesagt, dass du dich auf mich ablegen sollst, bis wir wieder ruhig sind, um nach oben gehen zu können."
Ich wollte das damals gar nicht, weil der Deal da gerade sechs Monate lief und körperliche Nähe, abgesehen von dem Momenten, wo wir Sex hatten, war nicht unser Ding. Aber eine wirklich andere Wahl blieb mir nicht und daher dachte ich nicht weiter darüber nach.
Chris: Das erste Mal lag dein Kopf auf meiner Brust, ich hatte meine Arme um deiner Taille liegen, damit du nicht fallen würdest. In den Moment realisierte ich mal wieder, wie hoffnungslos ich verliebt gewesen bin und wusste, dass dieser Augenblick niemals wiederkommen würde. Damals war es das beste Geschenk, die Frau, die ich liebe, einen Moment derartig für mich zu haben."
Gerührt schaue ich mal wieder zu ihm auf, habe sogleich eine seiner Hände an meinem Kopf liegen, dabei hätte ich es nicht mal gewagt, von ihm wegzusehen.
Chris: Und heute bin ich froh, dass ich solche Augenblicke einfach nur so mit dir erleben darf..."

Viel zu langsam wollte Chris meinen Kopf näher zu seinen holen, aber ich komme ihn zuvor und drücke meine Lippen auf seine. Manchmal kann er echt kitschig sein, etwas viel zu großes in so kleinen Momenten sehen, aber dabei merke ich auch immer wieder, dass jeder Moment für ihn besonders ist und dass er jeden Moment für mich ebenso besonders macht...

Never Less Than a LoverWo Geschichten leben. Entdecke jetzt